Ein Abend. Ein Thema. Zwei völlig unterschiedliche Inszenierungen. Jutta Ina Masurath und Claus Peter Seifert zeigen im i-camp in jeweils 45 Minuten ihre Auseinandersetzungen mit dem Phädra-Mythos.
Masuraths Inszenierung bezieht sich auf die Bearbeitung von Jean Racine und trägt den Titel Die Bar. Genau das ist auch das Setting: Eine Strandbar, vor der sich die Figuren in der Sonne räkeln. Dem tragischen Stoff wird die Inszenierung nicht nur durch die Atmosphäre, sondern auch durch etliche mehr oder weniger komische Szenen nicht gerecht. Vielmehr setzt sie auf seichten Humor, wenn zum Beispiel Theseus zu Tom Jones‘ Sexbomb auf der Bühne tanzt oder Phädra ihrem Stiefsohn Hippolytos ihre Liebe gesteht, indem sie erst „I love you“ stammelt und ihm dann ihre Brüste entgegen schleudert. Inhaltlich bleibt sie sehr nah an der Vorlage, gleichzeitig wird krampfhaft versucht, den Stoff in die heutige Zeit zu übertragen. Eine Gratwanderung, die hier leider nicht gelingt und albern wirkt. Nika Wanderers Bemühungen, Phädras Leidenschaft und Raserei Ausdruck zu verleihen, verlaufen im Sande der seichten Inszenierung.
Sich nach der Pause nochmal dem gleichen Stoff auszusetzen kostet Überwindung, die aber belohnt wird.
Seiferts Inszenierung mit dem Titel mach mich schön, eine Bearbeitung der Fassung von Euripides durch Michael Wüst, die hier uraufgeführt wird, nähert sich der Thematik feinfühliger, mit mehr Distanz, mehr Ironie und mehr Irrsinn. Hoch erfreulich sind die vielen Anspielungen und die Seitenhiebe auf die französische Klassik („Antike ist chic!“). Das Setting ist ein Irrenhaus und von eitel Sonnenschein ist nicht mehr viel übrig. Bis auf Phädra, die hier definitiv besser platziert ist, sind alle Schauspieler ausgetauscht und könnten ihrer vorherigen Variante kaum mehr widersprechen. Hippolytos, im ersten Teil ein Sunnyboy in Badehose, der ständig Gymnastikübungen vollführt und am Ende auch noch, Jack Johnson Style, mit Gitarre auftritt und singt, ist jetzt ein kindlich wirkender, verstörter Junge in zu enger Jogginghose. Auf Phädras Annäherungsversuche reagiert er daher weder zornig noch mit moralischer Überheblichkeit, sondern lediglich mit verschämtem Kichern. Der Inzest wird hier nicht als Sünde verachtet und bestraft, sondern als gängige Praxis entlarvt, die sich durch die gesamte griechische Mythologie zieht. Phädra wird nicht von moralischen Zweifeln geplagt, sondern möchte nur gern wieder Herrin ihres Körpers werden. Dessen hat sich Aphrodite bemächtigt, mithilfe einer Liebesspritze, durch die Phädra Hippolytos verfällt. Immerhin will auch dieser geliebt werden, und da sein Vater ihn nicht allzu ernst nimmt und keine Arikia zur Stelle ist, können die beiden sich tatsächlich näher kommen. Theseus ist zwar nicht begeistert, als er die beiden erwischt und feststellen muss, dass Phädra seinen verweichlichten Sohn ihm vorzieht, aber da das Inzest-Argument nicht zieht und er ohnehin gleich wieder alles vergisst und von den Ärzten ruhig gestellt wird, ist auch er kein Hindernis. Die wahren Herrscher in diesem Stück sind nicht Könige oder Götter, sondern die Betreiber der Irrenanstalt, die allerdings kaum weniger verrückt sind als ihre Insassen und genauso Opfer ihrer Triebe: Der Marquis de Sade und Schwester Önone/Aphrodite.
Weitere Aufführungen vom 27. – 29. März.