Bis Mitte 2013 wurden bereits mehr als 130.000 staatliche geförderte Pflegezusatzversicherungen (Pflege-Bahr) abgeschlossen.
Macht es denn überhaupt Sinn, da sich Banken und Versicherungen beim Riestern bisher durch übertriebene Risikozuschläge und Provisionen bereichert haben zu Lasten der Altersvorsorge?
Absicherung des Pflegerisikos nach dem Vorbild der Riester-Rentenverträge war die Idee. 5 Euro Zulage im Monat erhält, wer privat eine Pflegetagegeldversicherung abschließt.
Voraussetzungen sind als Mindestleistungen in Pflegestufe III 600 Euro, in der Pflegestufe II 30 %, in der Pflegestufe I 20 % und in der Pflegestufe 0: 10 % des Pflegemonatsgeldes.
Warum lohnt das nicht für den (gesunden) Bürger?
„Da also voraussichtlich hauptsächlich Kranke und Personen mit hohem Pflegerisiko den „Pflege-Bahr“ abschließen werden, müssen zusätzliche „Sicherheitszuschläge“ in die Prämien einkalkuliert werden, was die geringe staatliche Förderung vermutlich aufbrauchen dürfte.“ (Quelle: Bund der Versicherten , Merkblatt „Pflege-Bahr“: Staatlich geförderte, private Pflegezusatzversicherung, auch als kostenloser PDF-Download erhältlich)
Die Konsequenz:
Wie auch bei der privaten Krankenversicherung muss der Versicherte im Laufe der Jahre mit wohl deutlichen Beitragssteigerungen rechnen. Mit der Begründung: “die Pflegeinanspruchnahme sei deutlich gestiegen, die Lebenserwartung hat sich deutlich erhöht und die neuen Sterbetafeln seinen als Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen” kam einem Leser gleich kurz nach Vertragsabschluss die erste Erhöhung ins Haus geflattert: Stufe I (+ 24 %(, Stufe II (+ 2 %), Stufe III (+ 43%) = ergibt (+ 19%) höherer Monatsbeitrag!
Weiter heißt es beim Bund der Versicherten: „In Folge dessen werden wahrscheinlich Gesunde weiterhin nur die günstigeren, bereits seit Jahren auf dem freien Markt erhältlichen ungeförderten Angebote abschließen…“
Schauen wir uns also mal „ungeförderte“ Alternativen an!
Zuerst einmal handelt es sich bei der Pflege um kein Scheinrisiko. Da gerade einmal die Hälfte der Kosten für ein Pflegeheim durch die umlagenfinanzierte gesetzliche Pflegeversicherung abgedeckt sind, wird die Ergänzung um eine kapitalgedeckte, privat finanzierte Komponente immer wichtiger!
Wer glaubt, mit einem „billigen“ Vertrag nur für Pflegestufe III besonders clever zu sein, der sollte überlegen, dass gerade mal 9,2% aller Leistungen für Pflegestufe III gezahlt werden – für Pflegestufe I dagegen 60,1 Prozent! Wer also in seiner eigenen Wohnung Grundpflege beanspruchen möchte, sollte alle Pflegestufen absichern. Das gilt auch für Pflegestufe Null für Menschen „mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz und Betreuungsbedarf“, also heute vor allem Demenzkranke.
Pflege 2030 – wie sieht das aus?
In der Talkshow Anne Will wurde ein Pflegeprojekt in Thailand für deutsche Demenzkranke vorgestellt: 3 Pflegerinnen kümmern sich rund um die Uhr um einen Patienten. Rund-um-die-Uhr-Pflege für 2.500 Euro im Monat! Im Stern konnte man kürzlich eine Story über eine Agentur, die zum gleichen Preis Heimpflegeplätze in der Slowakei vermittelt, nachlesen.
Solche Entwicklungen machen die allgemeine Verunsicherung deutlich. Kaum einer glaubt anscheinend, dass er in einem deutschen Pflegeheim angemessen betreut wird, wenn er „normal“ gearbeitet und Beiträge geleistet hat. Sauber, satt und sicher aufbewahrt. Das war’s für das Geld!
Was ist mit Vorschlägen, den Ost-Soli umzuwidmen, um die Leistungen zu verbessern? Oder ein soziales Pflegejahr für alle? Da wären Konflikte vorprogrammiert zwischen den Generationen: Junge Menschen müssen flexibel sein, um in einer sich ständig verändernden Welt ihren Weg zu gehen. Da sollen sie einerseits für ihren eigenen Ruhestand vorsorgen, gleichzeitig Verantwortung für ihre Eltern tragen. Den Generationenvertrag haben viele junge Menschen vielleicht schon innerlich gekündigt, da man von seinen Kindern auch nichts Großes mehr erwartet.
Alternativen zum Pflege-Bahr-Modell?
Mein Vorschlag: Jeder Riester-Sparer hat das Recht, einen bestimmten Teil seines Vertrages für die Pflege abzuzweigen, der nicht in die spätere Rente einfließt. Wer das nicht möchte oder keinen Riester-Vertrag hat, kann ähnlich wie beim Zahnersatz durch Abschluss einer privaten Pflegezusatzversicherung einen Anspruch auf Bonus zur vorgesehenen staatlichen Leistung bekommen. Der Vorteil liegt auf der Hand: es müssen heute kaum Leistungen ausbezahlt werden. Die Menschen zahlen stattdessen freiwillig ein, ohne heute Zuschüsse zu erwarten. Weiterer Vorteil: Walter Riester und Norbert Blüm werden wieder Freunde! Na gut. Muss nicht sein, denn die Talkshows würden langweilig werden ohne die beiden Streithähne…
Quellen
(1) Anne Will, Sendung vom 28. März 2012 „Albtraum Pflege – bleibt weiter alles an den Angehörigen hängen?“
(2) Eine Reise ohne Wiederkehr. In: Stern Heftnummer 13/2012, S. 64-71
(3) Zahlen aus dem Nachtrag: “Der Pflegefall ist kein Scheinrisiko” in FAZ vom 8.12.2009
Dieser Artikel ist eine Überarbeitung meines Blogartikels vom Freitag, 30. März 2012 „Kommt bald Pflege-Riester?“ Er wird ständig aktualisiert.