Pferdefleisch und Rinderwahnsinn

Von Modesty

Gemessen an BSE oder EHEC ist dieser Lebensmittelskandal eher harmlos – Pferdefleisch als Rinderhack auszugeben ist zwar nicht okay, aber die Leute sterben nicht daran. Interessant finde ich jedoch, dass der Etikettenschwindel eine solche Empörung hervorruft. Klar, wo Rinderhack drauf steht, sollte auch Rinderhack drin sein. Pferdefleisch ist hierzulande nicht beliebt, auch wenn ich davon ausgehe, dass den meisten Pferdefleischverweigern gar nicht bekannt ist, dass Papst Gregor III im Jahr 732 ein Pferdefleischverbot erlassen hat. Und weil Pferdefleisch nicht beliebt ist, ist es billig – genau hier liegt die Ursache des Skandals: Warum das teure Rindfleisch in die Billiglasagne tun, wenn man mit dem billigen Pferdefleisch eine größere Gewinnspanne erzielen kann?

Kann man nicht essen: Bronze-Pferd, gesehen auf dem Markt in Wolfenbüttel


Wobei es ja “nur” um Beimischungen geht – es ist und bleibt ja noch immer Rind in den beanstandeten Produkten. Doch auch Rindfleisch kann für den einen oder anderen Skandal gut sein – als BSE durch die Schlagzeilen ging, war es das Rinderhack, das Ekelgefühle hervorrief. Und wenn man sich die Mastbetriebe anschaut, in denen die armen Rinder in Rekordzeit der Schlachtung entgegen gemästet werden, kann einem auch weiterhin schlecht werden. Davon redet aber kein Mensch, obwohl allein das schon Skandal genug wäre.

Ich kann mich erinnern, dass es vor Jahren schon mal einen ähnlichen Skandal gegeben hat, damals war Kängurufleisch als Rindfleisch ausgegeben worden. Der Grund war allerdings der gleiche: Es war billiger als Rind, weshalb sich der Betrug überhaupt lohnte. Und hier zeigt sich einmal mehr, dass ein auf Profitmaximierung ausgerichtetes Wirtschaftssystem wie das unsere per se weder verbraucher-, noch tier-, noch umweltfreundlich sein kann. Wie soll man denn nett zur Umwelt, den Tieren und nicht zuletzt den Menschen sein, wenn sich am Ende immer alles rechnen muss?!

Hier wirken die gleichen Mechanismen, die auch zu Skandalgeschichten wie der Kik-Story, den Selbstmordwellen bei Foxconn oder France Telecom und nicht zuletzt bei Amazon führen. Ich kann nicht sagen, dass Amazon mir besonders leid täte, den aktuellen Shitstorm haben diese Ausbeuter mehr als verdient – aber hier kann man schon mal fragen, ob es bei der Konkurrenz denn besser aussieht. Ich fürchte nämlich, dass das nicht der Fall ist. Leiharbeit und Niedriglohn sind ein Skandal und zwar flächendeckend. (Die Amazon-Reportage kann man sich derzeit noch in der ard-Mediathek ansehen)

Es stimmt schon, dass der Kapitalismus die Leute zu Kreativität und Höchstleistung anspornt – billiges Pferdefleisch aus Rumänien in Südfrankreich zu Rinderhack zu verarbeiten und dann halb Europa mit falsch deklarierten Tiefkühlgerichten zu beliefern – dazu muss man schon was auf dem Kasten haben. Und natürlich eine gewisse kriminelle Energie, die in der Regel aber belohnt wird, solange man sich nicht erwischen lässt.

Aber weil unser System nicht nur das beste und effektivste, sondern auch das einzig denkbare ist, wird jetzt natürlich nicht die eigentlich naheliegende Frage gestellt, wie man die Menschheit unter menschen- und tierwürdigen Umständen anständig ernähren könnte. Nein, es wird auf der einen Seite wieder einmal nach strengeren Gesetzen und schärferen Kontrollen gerufen – Wettbewerb ist toll, aber “fair” soll er sein. Und auf der anderen Seite wird die übliche Konsumentenbeschimpfung betrieben, denn die Leute sind ja irgendwie auch selbst schuld, wenn sie erwarten, dass in einer Fertiglasagne für 1,50 Euro auch noch echtes Rinderhack drin sei. Vielleicht verraten die Besserwisser in der bürgerlichen Presse auch gleich noch, wie man sich vom schäbigen Billiglohn eine bewusstere, sprich teurere Ernährung leisten kann?!