Peter Csendes, Ferdinand Opll (Hgg.): Wien. Geschichte einer Stadt. Band 2: Die frühneuzeitliche Residenz

Wolfgang Krisai: Das Josephinum an der Währingerstraße in Wien. 2014. Tuschestift, Buntstift.Genauso interessant wie, ja, in mancher Hinsicht noch ergiebiger als der erste Band war dieser zweite Band der Geschichte Wiens, der vom 16. bis zum 18. Jahrhundert reicht.

Interessanter deshalb, weil in diesem Band auch die Kultur entsprechend dargestellt ist, also sowohl Literatur als auch Bildende Kunst und Musik. In einem Band, der die Barockzeit und die Aufklärung umfasst, könnte die Kunst kaum ausgelassen werden, während sie von der Steinzeit bis zum Mittelalter zumindest für den Normalbürger heute keine so große Bedeutung hat, wenn man von der gotischen Baukunst absieht.

Was ist mir im Gedächtnis geblieben?

Zweite Türkenbelagerung

Das markanteste Ereignis dieser Zeit war die zweite Türkenbelagerung 1683. Detail am Rande: Im Gegensatz zur ersten waren diesmal unter den Abwehrkräften auch Einheiten von Studenten und Professoren der Universität.

Nach 1683 kam es zu einem großen Bauboom, dem wir die vielen berühmten Barockbauten Wiens verdanken.

Dominanz des Hofes

Voraussetzung dafür war, dass Wien Ende des 16. Jahrhunderts endlich zum fixen Sitz der habsburgischen Herrscher wurde. Maximilian I. hatte ja noch in Innsbruck und Wiener Neustadt, Rudolf II. in Prag residiert.

Wien wurde in Renaissance und Barock von einer bürgerlich dominierten Stadt zu einer höfischen Stadt. Das sieht man nicht nur am Hausbesitz, der vor 1500 noch überwiegend in der Hand der Bürger, um 1750 aber vor allem in adeliger Hand war, wobei Hof und Regierung die dominierenden Besitzer waren. Die Bauten der großen Adelshäuser gruppieren sich wie Trabanten um die Schlösser der Habsburger, sei es um die Hofburg, sei es auch um Schönbrunn, die „Favorita“ (heute: Theresianum), aber auch um Laxenburg.

Wirtschaft

Im Bereich der Wirtschaft verloren die Zünfte nach und nach ihre beherrschende Stellung, da neben den zünftisch organisierten Meisterbetrieben immer mehr freie Handwerker, die entweder vom Zunftzwang befreit waren, weil sie für den Hof arbeiteten oder sogenannte „Störer“ waren, die z. B. im Hauptberuf Soldaten der Stadtgarde, im Nebenberuf aber Handwerker waren, da das Gehalt der Soldaten nicht zum Leben ausreichte.

Im beschriebenen Zeitraum wurden die Märkte als alleinige Stätten, wo man sich mit Waren eindecken konnte, allmählich von festen Geschäften abgelöst.

Allmählich entwickelte sich auch ein Manufakturwesen, das merkantilistisch ausgerichtet war.

Im Gesundheitswesen ist der Bau des Allgemeinen Krankenhauses und des „Narrenturms“ ein großer Fortschritt. Das „Josephinum“ wurde als Ausbildungsstätte für Militärärzte gegründet.

Schulwesen

Dem Schulwesen ist ein großes Kapitel gewidmet. Allgemein bekannt ist ja, dass Maria Theresia die allgemeine Schulpflicht einführte.

Ich wundere mich allerdings, wie sich dafür genug Lehrer finden konnten. Die Lehrer wurden nämlich häufig überhaupt nicht bezahlt, sondern betrieben den Unterricht entweder nebenbei, während sie eigentlich z. B. Organisten oder Mesner waren, oder sie lebten vom Schulgeld, das die Schüler mehr oder weniger regelmäßig bezahlen mussten. Der Lehrberuf war offenbar zumindest in den Volksschulen ein Hungerleiderjob.

Die Schulen waren auch von chronischem Geldmangel heimgesucht. Staatlicherseits wurde alle paar Jahre irgendeine Reformmaßnahme vorgeschrieben, das dafür nötige Geld aber nicht zur Verfügung gestellt. Das erinnert mich sehr an heute wieder „erreichte“ Zustände.

Im Schulwesen spielten bis zur Aufklärung die katholischen Orden, allen voran die Jesuiten, die Hauptrolle. Die Jesuiten sind in die Literatur- und Theatergeschichte durch das jesuitische Schultheater eingegangen, das für sie ein ganz wesentlicher Teil des Unterrichts war. Man dachte, durch das Theaterspielen werde den Schülern die im Stück vertretene Moral bzw. Haltung besser eingeprägt als durch andere Formen des Unterrichts. Damit hatten sie wohl nicht unrecht.

Neben den Jesuiten betrieben z. B. die Piaristen Schulen, die bis heute bestehen, natürlich auch die Benediktiner das berühmte Schottengymnasium, aber auch viele andere Orden. Jeder Orden hatte dabei seine spezifische Ausrichtung. Die Schotten etwa unterrichteten praktisch nur junge Adelige.

Universität

Die Universität hatte im beschriebenen Zeitraum nicht gerade ihre Hochblüte. Das hängt mit Reformation und Gegenreformation zusammen. Es wundert mich nicht, dass viele Professoren und Studenten sich dem Protestantismus zuwandten, da die Universitäten dem Neuen ja aufgeschlossen gegenüberstehen. Im Zuge der Gegenreformation setzte der Hof alles daran, die Universität wieder rein katholisch zu machen. Das ging nur schrittweise und führte zu einem Qualitätsverlust, da viele wichtige Professoren lieber in deutschen protestantischen Universitäten unterrichteten als sich unter Zwang dem Katholizismus zu unterwerfen.

Literatur und Theater

In der Literatur spielten zunächst die Humanisten, etwa Conrad Celtis, eine wichtige Rolle, doch in der Barockzeit gab es in Wien kaum bedeutende Autoren, wenn man von dem berühmten Prediger Abraham a Sancta Clara absieht. Erst im Zuge der Aufklärung treten wieder bedeutendere Geister in Erscheinung, der wichtigste unter den Literaten der Aufklärung ist Alois Blumauer. Die wirklich Großen der österreichischen Literatur folgten allerdings erst später. In der Aufklärung kam auch der „Salon“ als kultureller Treffpunkt in Mode.

Im Theater fällt in diese Zeit die Entstehung der Oper und des Wiener Volkstheaters. In der Oper dominierten lange – bis Christoph Willibald Gluck – die Italiener, sowohl als Komponisten wie auch als Librettisten (man denke an Pietro Metastasio).

Architektur und Bildhauerei

In der Architektur prägen noch heute die Bauten des Barock das Wiener Stadtbild: Karlskirche, Peterskirche, Piaristenkirche, und viele, viele andere Barockkirchen; der Leopoldinische Trakt der Hofburg; Schönbrunn, Belvedere, zahllose adelige Stadtpalais und Schlösser; die „Alte Universität“; die städtischen Repräsentations- und Regierungsgebäude orientierten sich am höfischen Stil, so das „Alte Rathaus“ in der Wipplingerstraße. Künstler wie Johann Bernhard Fischer von Erlach oder Johann Lucas von Hildebrandt prägten die Baukunst der Barockzeit.

Unter den Bildhauern ragt Georg Raphael Donner heraus, der auf dem Mehlmarkt den „Providentiabrunnen“ schuf (heute bekannt als „Donnerbrunnen“ auf dem Neuen Markt), wobei er mit einem besonders billigen Angebot den Hofbildhauer Mattielli aus dem Feld schlug.

Musik

Ähnlich wie in der Literatur sind auch in der Musik vor Mitte des 18. Jh. kaum Künstler vertreten, die heute mehr als einem Fachpublikum geläufig sind. Bekannt sind Namen wie Heinrich Isaak oder Paul Hofhaimer, später Christoph Willibald Gluck. Erst mit Haydn, Mozart und Beethoven treten Komponisten von Weltrang in Erscheinung.

Als Berufsmusiker konnte man in Wien am besten leben, wenn man bei Hof angestellt wurde. Immerhin gab es mehrere Hofkapellen, da nicht nur der Kaiser, sondern auch seine Gattin und seine Kinder eigene Kapellen unterhielten. Als Hofmusiker war man bei allen wichtigen Anlässen und Festen im Einsatz.

Unter Maria Theresia wurden die Hofkapellen schließlich radikal verkleinert und schließlich ganz abgeschafft. Stattdessen engagierte man bei Bedarf die nötigen Musiker. Outsourcing, würde man heute sagen. Ob das wirklich eine billigere Lösung war?

Schlechter gestellt waren die Kirchenmusiker, die nur etwa ein Zehntel dessen verdienten, was die Hofmusiker erhielten. Eine Stelle als Organist oder Kirchenmusiker konnte allerdings das Sprungbrett zu einer Stellung bei Hof sein.

Gut lesbares Buch

Stilistisch ist das ganze Buch, obwohl von verschiedenen WissenschaftlerInnen verfasst, in einer auch dem Laien gut verständlichen Sprache verfasst, die die Lektüre angenehm macht. Zahlreiche Abbildungen illustrieren das im Text Gesagte.

Peter Csendes, Ferdinand Opll (Hgg.): Wien. Geschichte einer Stadt. Band 2: Die frühneuzeitliche Residenz (16. bis 18. Jahrhundert). Hg. v. Karl Vocelka und Anna Traninger. Böhlau Verlag, Wien u.a., 2003. 651 Seiten.

Bild: Wolfgang Krisai: Das Josephinum an der Währingerstraße in Wien. 2014. Tuschestift, Buntstift.


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