Dieses Gespräch ist der 2. Teil meines Interviews mit Peter Aaby. Teil 1 erschien gestern hier im Blog.
Peter Aaby - Gründer des "Bandim Health Projects" (Foto: Ehgartner)
Die Behörden werben für die Masernimpfung meist mit Angst-Argumenten, – z.B. mit der Warnung an der sehr seltenen, aber immer tödlichen Masern-Verlaufsform SSPE zu erkranken. Von den positiven Effekten der Lebendimpfungen hört man kaum etwas. Ist das ein Fehler?
Aaby: Ja, definitiv. Sie verwenden die falschen Botschaften, indem sie Angst vor Masern aufbauen. Das mag zutreffen für die Situation in Rumänien, wo in einer sozial schwachen Bevölkerungsgruppe zahlreiche Todesfälle aufgetreten sind. In Wahrheit ist das Risiko ernsthafter Verläufe von Masern heute aber sehr limitiert. Dazu kommt, dass Impfungen sehr wohl Nebenwirkungen verursachen können. Die Eltern befinden sich also in einer schwierigen Abwägung: Sie wissen, dass ernsthafte Verläufe der Krankheit sehr, sehr selten sind - und somit wiegen die möglichen Nebenwirkungen der Impfungen umso stärker. Darauf gründet die zögerliche Haltung vieler Eltern in Europa. Damit zu werben, dass die Masernimpfung positive Effekte für die Gesundheit der Kinder hat, wäre eine gute Idee. Und es gibt dafür mittlerweile ein solides wissenschaftliches Fundament.
Warum verwenden die Behörden dieses Argument nicht?
Aaby: Das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass WHO & Co. dann auch die ungünstigen Effekte mancher Impfungen öffentlich diskutieren müssten. Und das wollen sie vermeiden. Und das ist der Grund, warum sie lieber alle unspezifischen Effekte ausklammern.
Das war auch einer der häufigsten Vorwürfe in den Medienberichten über David Sievekings Film "Eingeimpft": Der Film erwähnt mögliche ungünstige Effekte von Impfungen und fördert damit Zweifel in der Bevölkerung. Und daran tragen Sie wohl Mitschuld…
Aaby: Ja, die Situation ist recht absurd. Es gibt wohl niemanden, der bezweifelt, dass Medikamente Nebenwirkungen haben können. Sie werden laufend kontrolliert, eine ganze Menge von Arzneimitteln wurde im Lauf der Jahre vom Markt genommen. Dieses systematische Monitoring gibt es im Bereich der Impfstoffe nicht. Das beschränkt sich meist auf die Sofortreaktionen nach der Impfung: die Schmerzen an der Einstichstelle, die Rötung und die leichte Schwellung. Die Auswirkungen auf den ganzen Organismus werden jedoch kaum verfolgt. Es gibt wenig Kontrolle der negativen Folgen von Impfungen.
Was müsste passieren?
Aaby: Wir wissen nichts über die Langzeit-Effekte von Impfungen. Alles müsste überarbeitet werden, es braucht eine Erneuerung des ganzen Systems. Bis dahin müssen wir uns auf kleine Korrekturen beschränken. Und dazu zählt eben der Tipp, eine Impfserie möglichst mit einer Lebendimpfung abzuschließen.
Wie lange hält der positive Effekt der Lebendimpfungen an?
Aaby: Extrem lang. Wir haben das kürzlich am Beispiel einer Kohorte von rund 50.000 dänischen Kindern untersucht, die in der Phase der Abkehr von den Pocken- und Tuberkulose-Impfungen Anfang der 70er Jahre lebten. Wir verglichen jene, die geimpft worden sind mit den nicht geimpften und fanden einen positiven Effekt, der über vier Jahrzehnte sichtbar war. Jene, die beide Impfungen erhielten, hatten ein um 46 Prozent geringeres Sterberisiko bei den natürlichen Todesfällen. Bei Unfällen, Morden oder Selbstmorden gab es hingegen keinen Zusammenhang.
Und wie steht es um die inaktivierten Impfstoffe?
Aaby: Ich bin sicher, dass nicht nur die positiven, sondern auch einige der negativen Effekte der Impfungen Langzeit-Konsequenzen haben. Darauf können wir gerne wetten - aber schlagen Sie lieber nicht ein, denn ich werde gewinnen. Wenn die Diphtherie-Tetanus-Pertussis Impfung Kinder in den frühen Lebensjahren töten kann, weil es deren Immunsystem verdreht, wäre es nicht sehr überraschend, wenn diese Impfung auch negative Langzeit-Effekte hat. Künftige Forschung wird zeigen, dass auch einige der chronischen Krankheiten teilweise von Impfungen beeinflusst sind: Immunstörungen ebenso wie Stoffwechsel-Erkrankungen, bestimmte Krebsarten oder Herzkrankheiten. Wir wollen das wissenschaftlich untersuchen und haben dafür Förderungen beantragt.
Was denken Sie denn, ist wichtiger: Die spezifischen oder die unspezifischen Effekte der Impfungen?
Aaby: Wir haben das in mehreren Studien verglichen. Die BCG-Impfung hat die spezifische Sterblichkeit an Tuberkulose überhaupt nicht beeinflusst - doch die Gesamtsterblichkeit der geimpften Kinder um 38% reduziert.
Die Polio-Schluckimpfung für die Neugeborenen hatte ebenfalls keinen Einfluss auf die Polio-Sterblichkeit – einfach deshalb, weil es in unserer Region keine Kinderlähmung mehr gibt – doch das Sterberisiko der geimpften Babys ging um 32% zurück.
Die Masernimpfung hat die spezifische Masern-Sterblichkeit um 4% reduziert. Die geimpften Kinder hatten im Studienzeitraum aber eine 26% Reduktion an Malaria, Durchfall oder Lungenentzündung zu sterben.
Wie Sie sehen, sind die unspezifischen Effekte der Impfungen demnach definitiv wichtiger als der spezifische Schutz vor Krankheiten.
Aaby und Mitarbeiter bei der Erhebung der Impfdaten (Foto: Ehgartner)
Immer mehr Länder - wie zuletzt Frankreich oder Italien - setzen verstärkt auf die Impfpflicht und schreiben die Impfung gegen zehn oder mehr Krankheiten zwingend vor. Was halten Sie davon?
Aaby: Zwangsimpfungen führen zu einer weiteren Polarisierung in diesem ohnehin schon heiklen Bereich. Ich denke, dass gesetzlich vorgeschriebene Impfungen die Impfskepsis in der Bevölkerung erhöhen.
Anfang November feiern Sie das 40-jährige Bestehen des von Ihnen gegründeten „Bandim Health Projects“. Sie haben hunderte Studien in hochrangigen Journalen veröffentlicht. Es gibt kein vergleichbares wissenschaftliches Zentrum, wo über so einen langen Zeitraum Forschung zu den Lebensbedingungen in einem Hochrisikoland betrieben wurde. Wie geht es Ihrem Projekt?
Aaby: Wissenschaftlich geht es besser und besser. Die Konsistenz unserer Resultate ist unglaublich. Wir haben nunmehr vier Lebendimpfungen, bei denen wir die positiven unspezifischen Effekte nachgewiesen haben. Lebendimpfungen sind ein wichtiger Grund für den Rückgang der Kindersterblichkeit in Guinea-Bissau.
Doch wir haben auch sechs inaktivierte Impfstoffe, die alle mit einem höheren Sterberisiko assoziiert sind. Das sind vollkommen unterschiedliche Impfstoffe, doch sie haben eine Gemeinsamkeit indem sie – speziell bei Mädchen – das Risiko auf nachfolgende Infekte erhöhen. Das ist vollkommen unnatürlich und dem wollen wir wissenschaftlich weiter nachgehen.
Statt Jubiläum Existenzängste: Das Bandim Health Center
Und wie geht es Ihnen wirtschaftlich?
Aaby: Finanziell ist die Lage katastrophal. Es wird immer schlechter. Obwohl eine Evaluierung durch internationale Experten unsere wissenschaftliche Arbeit kürzlich mit „exzellent“ beurteilt hat, strich man uns aus seltsamen Gründen die staatliche dänische Förderung. Wir bekommen keine laufende Förderung mehr. Vielleicht gibt es da und dort Einzelprojekte. Doch wir müssen uns beträchtlich verkleinern und einschränken.
Peter Aabys Forschungsarbeit wird ausführlich in Bert Ehgartners neuem Buch "Gute Impfung - Schlechte Impfung" porträtiert, das in diesen Tagen an den Buchhandel ausgeliefert wird.