Pet Shop Boys: Einfach gut

Erstellt am 5. April 2016 von Mapambulo
Pet Shop Boys
„Super“

(X2 Recordings)
Über den Umgang mit Superlativen konnte der Münchner in den letzten Jahren so einiges lernen. In der mutmaßlich schönsten Stadt der Welt nämlich trainiert der vermeintlich beste Trainer des Erdballs die kompletteste Fußballmannschaft des Universums, besetzt mit so sagenhaft begabten Starspielern, dass jeder einzelne allein schon gegen eine Weltauswahl ohne nennenswerte Schwierigkeiten bestehen könnte. Pep Guardiola, so der Name der gottgleichen Gestalt an der Seitenlinie, wurde und wird während seiner Amtszeit nicht müde zu betonen, wie sehr er die Qualität seines Kaders wertschätzt und wie ausgezeichnet sein Verhältnis zu jedem einzelnen seiner schutzbefohlenen Kicker doch ist – dafür erfand der Mann eine Reihe neuer Gütesiegel, die von „Top!“ in der einfachen Variante über das Triple „Top! Top! Top!“ bis hin zur (hier als Entsprechung des Wortes Super) Endausbaustufe „Super! Super! Super!“ reichte. Hören und glauben kann das außer der rosabebrillten Hardcore-Kutte nun wirklich keiner mehr, insofern gilt Guardiolas inflationäre Verwendung von Superlativen als Musterbeispiel für die Entwertung gutgemeinter Botschaften.
Als Neil Tennant und Chris Lowe ihren Arbeit in Sachen intelligenter Tanzmusik 1981 aufnahmen, war der kleine Pep gerade mal zehn Jahre alt und sein Genie kaum erkennbar. Dass die Pet Shop Boys heute nach sage und schreibe fünfunddreißig Dienstjahren eine Platte wie die vorliegende abliefern, grenzt – hier ist eine vorbehaltlose Lobhudelei dringend angebracht – schon fast an ein Wunder. Natürlich ist elektronischer Dancepop in gesetztem Alter weitaus einfacher zu praktizieren, hier muss niemand in gewagter und nicht selten peinlicher Pose den Rockonkel mimen (und nebenbei einen Bandscheibenschaden riskieren), die beiden haben es ja vorgemacht, wie man sich ausgefallener Kostümierung auch heute noch einem durchweg jüngeren Publikum erfolgreich präsentieren kann. Dass sie aber nach zwölf Alben und knapp sechzig Singles streckenweise immer noch so klingen, als hätten sie die Lust am Discosound gerade erst für sich entdeckt, nötigt einem schon gehörigen Respekt ab.
Gerade die technoiden Klänge haben es ihnen in den letzten Jahren ja angetan, Stücke wie „Happiness“, „Pazzo!“ und „Inner Sanctum“ feiern die Maschinenbeats wie ein Hochamt und finden einmal mehr erstaunlich frische Grooves und Melodien. Selbstreferentialität ist natürlich ein ebenso fester Bestandteil des Programms – dass Tennant und Lowe vor Jahrzehnten als synthetische „Pop Kids“ belächelt wurden, tragen sie heute stolz wie eine Monstranz vor sich her, sie haben es halt schon immer gewusst und verbasteln um die augenzwinkernden Zeilen sogleich ein paar Zitate ihrer eigenen Evergreens (die es ja immerhin Wochenende für Wochenende in die Fußballarenen dieser Welt geschafft haben). Nebenbei gibt es auch angenehm Bedenkliches zu hören – „Twenty-Something“ ist eine flotte, aber traurige Ode an die Jugend, die angehalten ist, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen: „Take your smart phone, make your way home, on your own.“
Die beklemmendsten Zeilen hört man in dem Stück „The Dictator Decides“, allseits als Kritik am grassierenden Neoliberalismus ihres Heimatlandes verstanden. Zu düsterem Marschrhythmus und Opernpathos erklingt das Klagelied des von Selbstzweifeln geplagten Despoten, der des Regierens müde und der Macht überdrüssig ist, „too weak to be strong“, der erlösenden Kugel seiner Feinde entgegenfiebernd. Fünf kurzgefaßte Strophen voller shakespearscher Dramatik, da macht sich die Arbeit an diversen Musical-, Theater- und Filmprojekten bezahlt. Der Abschied gibt der Sehnsucht Worte, endlich all den Schmutz und die Dummheit für immer hinter sich zu lassen („We need some practical dreamers, maybe few magicians, shall we get away from here?”), wohl wissend, dass auch das nur ein frommer Wunsch bleiben wird. Man muss es nicht übertreiben – die Pet Shop Boys einfach gut, klug und humorvoll zu nennen, reicht auch heute aus. Die Liga, in der sie spielen, ist ohnehin ihre eigene. http://petshopboys.co.uk/home