Per Mertesacker, «der kaputte Liegestuhl»
In Bremen hätten sich die Zeitungen niemals gewagt, sich derart abfällig zu äußern über Per Mertesacker. Bei Werder war der schlaksige Innenverteidiger Kapitän, Führungsspieler, Aushängeschild. Weder Syker Kreiszeitung noch Weserkurier verloren jemals eine despektierliche Zeile über den Nationalspieler.
In England hat Per Mertesacker nun erstmals seit seinem Wechsel vom beschaulichen Bremen zum Weltklub FC Arsenal erfahren müssen, wie es ist, wenn der berüchtigte britische Boulevard über einen Fußballer spottet. Nach seinen anfänglichen Patzern bei der 3:4-Niederlage des FC Arsenal gegen die Blackburn Rovers hatte «Mert», wie Mertesacker an der Themse genannt wird, noch den Bonus des Neuzugangs. Als er sich aber am Wochenende gegen Norwich City seinen bislang gröbsten Schnitzer leistete, der zum zwischenzeitlichen 1:0 für den Außenseiter führte, textete die Daily Mail böse: «Er krümmte sich mit der Grazie eines kaputten Liegestuhls.» Der Guardian schrieb: «Der Mann, der gekauft wurde, um für mehr Sicherheit und physische Präsenz zu sorgen, schwankte sichtlich.»
Wie ein Anfänger hatte sich der deutsche Nationalspieler von Norwichs bulligem Stürmer Steve Morison düpieren lassen. Durch einen kleinen Rempler ließ sich 1,98-Meter-Mann aus der Balance bringen, im Liegen musste er zuschauen, wie Morison, der vor zwei Jahren noch in der drittklassigen League One gekickt hatte, zum 1:0 einschob. Der bislang schwärzeste Moment für Per Mertesacker seit seinem Wechsel vor zwei Monaten. Und das ausgerechnet vor dem wichtigen Champions-League-Match gegen Borussia Dortmund (20.45 Uhr/Sky, Sat 1 und im news.de-Liveticker)
Arsenal-Coach Wenger: «Kein Mitleid»
«Man hat in England nicht gewonnen, wenn man vor dem Verteidiger steht», kritiserte auch Arsenals Trainer Arsene Wenger. «In vielen Ländern ist das so, aber die Stürmer kämpfen bis zu letzten Sekunde hier.» Die Kritik der bunten Blätter bezeichnete er als «sehr derb, aber wenn Du für einen großen Klub spielen willst, dann musst du das akzeptieren». Mertesacker stehe «natürlich unter Druck und Beobachtung. Aber man hat in einer solchen Situation kein Mitleid, weil so etwas passiert, wenn man bei einem großen Klub spielt.»
Generell nahm der Franzose seinen Abwehrriesen jedoch in Schutz: «Ich denke, dass er noch einige Zeit braucht. Er kam nicht komplett fit hierher. Aber jetzt wird er stärker und stärker.» Am Samstag habe Mertesacker wegen des Länderspiels gegen Holland am vergangenen Dienstag müde gewirkt. «Aber er hat sich erholt und wird gegen Dortmund spielen», sagte Wenger.
Schlechte Bilanz gegen Dortmund
Und auch Arsenals Fans halten noch zu dem langen Deutschen. In einem Arsenalfanblog schreibt ein Fan: «Um fair mit dem großen Deutschen zu sein, muss man sagen, dass sein Fehler mehr ein Produkt von Übermotivation als ein Fall von Imkompetenz war und seine Erfahrung erlaubte ihm, danach ohne Probleme weiterzuspielen.»
Generell wird Mertesacker auf der Insel attestiert, sich noch nicht an Geschwindigkeit und Robustheit der englischen Eliteliga gewöhnt zu haben. Weil Mertesacker Sicherheit, Abstimmung und Selbstvertrauen fehlen, wirkt er gegen seine aggressiven Gegenspieler oft hüftsteif und ungelenk. «Aber er ist intelligent und wird sich schnell anpassen», sagte Wenger.
Gegen Borussia Dortmund sei Mertesacker gesetzt, weil er die Spielweise des früheren Rivalen aus der Bundesliga besser einzuschätzen wisse. Dabei ist Mertesackers Bilanz gegen Borussia Dortmund nicht berauschend. Seit seinem Wechsel nach Bremen hat der 27-Jährige von 13 Partien in Bundesliga und DFB-Pokal lediglich vier gewonnen. Einen erneuten Patzer sollte sich der gebürtige Hannoveraner gegen Götze & Co. nicht leisten. Sonst lernt er die englische Regenbogenpresse so richtig kennen.
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