Vergangene Woche Mittwoch läutete sie Runde 2 im Hebbel am Ufer ein und somit den Auftakt zu 4 wunderbaren Abenden mit einer gesunden Portion Selbstironie und glamourösen Gästen. Dem Publikum standen 90 Minuten und 24 Songs quer durch die Discographie bevor.
Dem musikalischen Start vorangestellt, war eine universitäre Interpretation einiger Songs des ersten Albums “The Teaches of Peaches” durch einen älteren Herrn (Armin Dallapiccola, bekannt aus “Hinter Gittern”). Dieser wurde aber harsch von 2 jungen Damen unterbrochen, die in jung-dynamischer Rockattitüde die Bühne enterten und den Zuschauern gleich einmal deutlich klar machten, was sie erwarten würde.
Der Vorhang fällt und wir finden uns, 10 Jahre zurückversetzt, in Merrill Niskers Schlafzimmer wieder. Mit braunem Lockenkopf sitzt sie auf dem überdimensionalen Bett, versucht sich an den ersten Beats auf ihrer Groovebox und Textzeilen wie “I’m the kind of girl..with the curl” bis schließlich die “Erleuchtung” mit “I’m the kinda bitch” quasi aus heiterem Himmel kommt. Acht Tänzer, die mal unkenntlich in rosa Kostümen oder auch als Peaches-Look-A-Likes die Bühne erobern und eine fantastische Performance abliefern, komplettieren das Bühnenbild.
Von nun an geht es stetig weiter nach oben auf der Karriereleiter. Die sorgfältig ausgewählten Songs, die zu einer losen Handlung verknüpft werden, symbolisieren die musikalische Entwicklung, den steigenden Bekanntheitsgrad sowie nicht zuletzt die aufwendigen und provozierenden Bühnenshows, für die Peaches mittlerweile über alle internationalen Grenzen hinaus, bekannt ist. Texte über Autoritäten, Sex, Geschlechterrollen, Machtverhältnisse – Die Queen of Electroclash polarisiert die Massen. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere begegnet sie dann dem wunderbaren Danni Daniels, der leibhaftig beides vereint, hat er doch sowohl einen Penis als auch Brüste. Anmutig bis ins Detail bewegt er (oder sie) sich auf der Hebbel-Bühne und tanzt sich in Peaches’ Herz.
Wer “Peaches Does Herself” letztes Jahr im Oktober gesehen hat, erinnert sich vermutlich an das Schwanenkostüm, welches beim Re-Run gegen ein nicht minder ausdrucksstarkes Geweih als Kopfschmuck getauscht wurde, wie auch Peaches’ Freund und Berliner Veranstalter Conny Opper nach der Show feststellt. Außerdem mehr als beeindruckend: Spätestens seit “Peaches Christ Superstar” weiß auch der Letze, dass die Frau verdammt gut singen kann. Doch welch kraftvolle und voluminöse Töne sie hier mal stehend, tanzend, sitzend und liegend hervorbringt – davor kann man nur den Hut ziehen!
Später muss sich Peaches der über 70jährigen Sandy Kane geschlagen geben, die Danni’s “Mommy Complex” gekonnt zu kompensieren weiß. Hin- und hergerissen verschwindet Peaches in einer Nebelwolke, kehrt mit explodiertem Penis und Brüsten unter rotem Glitzerregen zurück auf die Bühne und stimmt mit “Loose You” auf den Endspurt ein.
Fragt sich, wer Miss Nisker nach einer solchen Show besser beschreiben kann als sie selbst? Richtig, niemand:
“I dined and dashed on electroclash / I bat my lash and outlast the backlash / Fuck that bash that passed so fast / I snatched that cash and rise from the ash / Some call me trash, some call me nasty / Call me krass but you can’t match me / I’m a smash on me like a bad rash / Starin’ at my ass and my beard and my mustache”
(Serpentine, I Feel Cream; 2009).
Als zu guter Letzt auch endlich die ersten Takte von “Fuck The Pain Away” erklingen, bricht dann auch der letzte Zuschauer in frenetische Jubelschreie aus.
Berlins liebste Kanadierin hat es mal wieder geschafft das erwartet Unerwartete zu übertreffen. Neben den bereits erwähnten Gästen konnte die Wahlberlinerin auf musikalische Unterstützung von Mignon, Sweet Machine, den Jolly Goods sowie den Violinistinnen Alina Petrescu und Johanna Walesch zählen. Auch andere Künstler wie Sean Rooney, Gloria Viagra & Melinda Magica (und weitere) trugen dazu bei eine durch und durch gelungene Show zu kreieren.
Die 24 Songs im Einzelnen:
1. Rock Show
2. Set It Off
3. I’m The Kinda
4. I U She
5. Two Guys (For Every Girl)
6. Lovertits
7. Diddle My Skittle
8. Showstopper
9. Rock’n'Roll
10. More
11. I Love Dick (Sandy Kane) / AA XXX
12. Sucker
13. Relax
14. Operate
15. Tent In Your Pants
16. Boys Wanna Be Her
17. Shake Yer Dicks
18. I Feel Cream
19. Mommy Complex
20. Talk To Me
21. I Don’t Give A Fuck
22. Loose You
23. Serpentine
24. Fuck The Pain Away