Paul Levi • Aufrechter Streiter für Frieden und Gerechtigkeit

Die Rede vor dem Reichstag zu seinem Nachruf, führte dazu, dass die Abgeordneten der KPD und NSDAP gemeinsam den Saal verließen. Doch wer war dieser sozialdemokratische Politiker Paul Levi, der solch gänzlich unterschiedliche Ablehnung Paul Levihervorrief? Wie konnte es ein Mann schaffen, dass sich Kommunisten und Nationalsozialisten, ohne Worte, ‚einig’ waren? Ungeachtet dieses Vorfalls hielt der spätere Nobelpreisträger Carl von Ossietzky seinen selbst verfassten Text, um deutlich zu machen, welchen Eindruck Paul Levi auf seine Zeitgenossen gemacht hatte und, um ihm und sein Handeln und seine Geisteshaltung zu ehren: "Es ist nicht nur im Reichstag Sitte, einen Nachruf auf ein verstorbenes Mitglied stehend anzuhören. Als Herr Loebe ein paar Gedenkworte für Paul Levi sprach, erhoben sich zwei Reichstagsparteien und gingen geschlossen hinaus. Die eine hat Paul Levi mitbegründet und später geführt, die andre rechnet ihn seit je zum engsten Kreis der 'Novemberverbrecher' und ließ Dreiundzwanzig in München seinen Namen als proskribiert erklären. [...] Die Kommunisten taten Unrecht, ihn einen Abtrünnigen zu nennen, die Sozialdemokraten, ihn einen Bekehrten zu nennen. Er war internationaler revolutionärer Sozialist aus Rosa Luxemburgs Schule, hat es nie verleugnet. Er brachte in den Schrebergarten der Reichtagsfraktion ein Fünkchen Moskauer Fegefeuer, den Brandgeruch der Oktoberrevolution. [...] Levi wollte immer der Wahrheit zum Siege verhelfen, nicht einer juristischen Konstruktion. Die Juristerei, die er so glänzend beherrschte, war ihm immer nur Handwerkszeug, niemals Selbstzweck. [...] Er war eine eigene Macht, mit seinen Widersprüchen und Irrtümern, seine eigene Fahne, und diese Fahne ist gesunken." Die unselige Allianz der Abgeordneten, die den Plenarsaal verließen, war der Lebensleistung von Buchtitel Levi LuxemburgPaul Levi wahrlich nicht würdig, zumal der streitbare Mann alles andere als intolerant war. Paul Levi entstammte einer bürgerlichen, eher liberalen jüdischen Familie auch Hechingen und wurde im März 1883 dort geboren. Sein Jurastudium führte ihn nach Heidelberg, Grenoble und nach Berlin, das er mit einer Promotion abschloss. Seit seiner Zeit als Oberschüler sah er sich selbst als Sozialisten und nach dem Abschluss des Studiums trat der der SPD bei und fühlte sich dort eher dem linken Flügel zugehörig. 1909 ließ sich Paul Levi als Anwalt in Frankfurt am Main nieder. In Frankfurt kreuzte sich sein Lebensweg auch das erste Mal mit dem der großen Sozialistin Rosa Luxemburg, als er sie im Jahr 1914 in zwei politischen Strafverfahren verteidigte. Luxemburg hat entscheidenden Einfluss auf die weitere Entwicklung seines politischen Denkens gehabt. Paul Levi und Rosa Luxemburg wurden nicht nur enge politische Vertraute, zumindest im Jahre 1914 waren sie, ohne die Kenntnis ihres Umfeldes, liiert. Die Begegnung mit Rosa sollte für Paul Levis weiteres Leben entscheidende Bedeutung haben. Am 20. Februar 1914 wurde am Frankfurter Landgericht verhandelt. Levis Mandantin Rosa Luxemburg war nach den §§ 110 und 111 Strafgesetzbuch wegen ‚Aufforderung zum Ungehorsam gegen die Gesetze’ angeklagt. Hintergrund der Anklage war eine Rede vor Frankfurter Arbeitern im September 1913, in der sie ausgerufen hatte: "Wenn uns zugemutet wird, die Mordwaffe gegen unsere französischen oder anderen Brüder zu erheben, dann rufen wir: Nein, das tun wir nicht!" Die Staatsanwaltschaft sah in diesen Worten ein ‚Attentat auf den Lebensnerv unseres Staates’, die Armee. Den Gerichtssaal nutzte Rosa Luxemburg für eine große Rede, in der sie den Militarismus des Kaiserreichs anprangerte und die Ablehnung eines Krieges durch die Arbeiterschaft begründete. Levi konnte nicht verhindern, dass das Gericht sie schließlich wegen Verstoß gegen § 110 StGB zu einem Jahr Gefängnis verurteilte. Eine sofortige Inhaftierung der Verurteilten war jedoch nicht erfolgt. Oft gemeinsam mit Paul Levi sprach sie in der Folge auf Veranstaltungen im ganzen Reich gegen den drohenden Krieg. Auf einer Volksversammlung in Freiburg am 7. März 1914 wies sie in drastischen Worten auf die alltäglichen schweren Misshandlungen von Rekruten in der Armee hin. Der preußische Kriegsminister sah die Truppe durch diese Äußerung ‚beleidigt und öffentlich verächtlich gemacht’ und Luxemburg + Liebknechtstellte Strafantrag. Mit der Anklage hatte der Kriegsminister Rosa Luxemburg so unbeabsichtigt die Möglichkeit eröffnet, für ihre Behauptung den Wahrheitsbeweis anzutreten. Über die sozialdemokratische Presse wurden ehemalige Soldaten dazu aufgerufen, sich als Zeugen zu melden, wenn sie etwas über Misshandlungen während ihrer Militärzeit berichten könnten. Insgesamt sollen so etwa 30.000 Fälle die Aussagen von Rosa Luxemburg untermauert haben. Durch die Fülle des Materials und die Aussicht, im Prozess mit den verschwiegenen Wahrheiten über die Praktiken in der Armee öffentlich bloßgestellt zu werden, knickte die Armeeführung ein. Der Prozess wurde zunächst vertagt, und später nicht weiter fortgesetzt. Rosa Luxemburg trat wenig später ihre Haftstrafe aus dem ersten Prozess an. Nach Kriegsausbruch reiste Paul Levi umher und versuchte, die Parteibasis gegen die Unterstützung der Kriegspolitik durch die SPD-Reichstagsfraktion zu mobilisieren. Als Soldat eingezogen, gelang es ihm, wegen Krankheit entlassen zu werden. Er lebte dann eine Zeit lang in der Schweiz, wo er mit Lenin und Trotzki in Kontakt stand. Gemeinsam mit Rosa Luxemburg gehörte er 1918 zu den Gründern des Spartakusbundes, der neben der sofortigen Beendigung des Krieges auch eine revolutionäre Überwindung des Kapitalismus propagierte. Der Gründung der KPD am 30. Dezember 1918 stand Levi nüchtern bis skeptisch gegenüber. Auf dem Gründungsparteitag erlitt er auch eine erste politische Niederlage. Gegen seinen und Rosa Luxemburgs Willen beschlossen die Mitglieder, sich nicht an den Reichstagswahlen zu beteiligen, sondern unmittelbar auf den Sturz der parlamentarischen Republik hinzuarbeiten. Diese gewollte Zerschlagung der gerade entstandenen Republik war so gar nicht im Sinne Levis, er wollte die parlamentarische Auseinandersetzung, die gesellschaftliche Debatte. Ferner lag sein Augenmerk nicht ausschließlich auf der Arbeiterschaft, für ihn war der Sozialismus ein gesamtgesellschaftlicher Diskurs. Diese Ansicht und seine intellektuelle, pointierte Redeweise brachten ihm nicht nur Freunde in der neu gegründeten Partei. In der Nacht vom 15. zum 16. Januar 1919 wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht von Angehörigen eines Freicorps ermordet. Paul Levi war zu diesem Zeitpunkt inhaftiert. Vielleicht rettete ihm dieser Umstand das Leben. Von der Ermordung seiner Freundin und Vertrauten erfuhr er bei seiner Entlassung aus dem Gefängnis aus der Zeitung. Rosa Luxemburg war eine der entscheidenden Inspirationsquellen für sein politisches Wirken. Ihren Tod hat er nie verwunden. Nach dem Tod von Luxemburg und Liebknecht war Levi Anfang 1919 gezwungen, den Vorsitz der Partei zu übernehmen. Er suchte die offene Konfrontation mit der extremen Linken in der Partei. Auf dem II. Parteitag in der Nähe von Karlsruhe im Frühjahr 1919 erreichte er den Ausschluss militant gesinnter, extremer Gruppen, was zu einem Verlust von Buchtitel Paul Levietwa der Hälfte der Parteimitglieder führte. Doch zugleich gab diese Maßnahme der Partei innere Stabilität zurück. Seine Stellung innerhalb der Führung der KPD blieb aber schwierig. Während des reaktionären Kapp-Putsches im Jahr 1920, Paul Levi war in diesem Zusammenhang inhaftiert worden und konnte nicht selbst in das Geschehen eingreifen, weigerte sich die Parteileitung zunächst, die Anhänger zum Widerstand gegen den Putsch aufzurufen. Levi kritisierte dieses Verhalten aus dem Gefängnis heraus in scharfer Form: „Ein Aufgeben der demokratischen Republik bedeute eben nicht einfach Widerherstellung der früheren Zustände, sondern Reaktion im blutigsten Sinne des Wortes.“ Im Jahr 1921 folgte dann seine endgültige Trennung von der KPD. In der Parteiführung war er immer weiter isoliert worden. Während einer erneuten Inhaftierung organisierte die KPD Putschversuche in Sachsen und Thüringen, die von der Reichswehr blutig niedergeschlagen wurden. Levi veröffentlichte wenig später die Broschüre "Unser Weg. Wider den Putschismus", in der er mit der strategischen Ausrichtung der KPD hart ins Gericht ging und seinen Parteiausschluss gewissermaßen provozierte. In der Folge wurde er aus der Partei ausgeschlossen. Von Lenin wird nach dem Ausschluss Levis aus der KPD der Ausspruch berichtet, Levi habe ‚mit seiner Kritik den Kopf verloren’. Er sei aber auch der einzige in der Partei, der einen Kopf zu verlieren gehabt habe. Im Jahr 1922 fand er über die USPD den Weg zurück in die Sozialdemokratie. Seine Kritik am Verhalten der SPD während des Ersten Weltkrieges, sowie an versäumten Chancen für eine weitere soziale Umgestaltung des Landes behielt Paul Levi bei. Der Entschluss für die SPD war somit vor allem strategischer Natur, da nach Levis Ansicht weitere Aufspaltungen der Parteien der Arbeiterschaft verheerenden Folgen für deren politische Handlungsmöglichkeiten bedeuteten. Zugleich unterstützte er die Partei, wo immer es darum ging, die Errungenschaften der Arbeiterbewegung zu verteidigen. Levi war die Leitfigur des linken Parteiflügels. Sein schon für die KPD gewonnenes Reichstagsmandat verteidigte er bis zu seinem Tode bei jeder Wahl. Die Militärstrukturen veränderten sich nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg durch den Vertrag von Versailles. Es entstanden ‚wilde’ und illegale Wehrverbände, die zum einen eine alte Ordnung wieder herstellen wollten, zum anderen immer rechtsextremer wurden und zum Terror der Straße dieser Zeit beitrugen. Es gab offensichtliche politische Morde, mit der sich Polizei und Gerichte wenig, bis gar nicht befassten. In einem dafür eingerichteten Untersuchungsausschuss des Reichstags war Paul Levi als Berichtserstatter in den Jahren 1926-1928 tätig, was ihm ermöglichte viele Dokumente zu veröffentlichen, um die Aktivitäten reaktionärer Kräfte darzustellen. Für die extreme Rechte galt er als Verräter, doch auch der Versuch ihn mundtot zu machen scheiterte an seiner parlamentarischen Immunität, die der ultrakonservativen Justiz die Hände band. Die Rolle der Justiz als eines der entscheidenden Herrschaftsinstrumente der alten Eliten war Levi sehr klar. Neben dem Kampf für die Abschaffung der Todesstrafe gehörte auch die Forderung nach einer umfassenden Justizreform zu seinen rechtspolitischen Aktionsfeldern. Die Ermittlungen nach der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht am 15. Januar 1915 nahm der Staatsanwalt Paul Jorns auf. Seine Untersuchungen schleppten sich hin, und diejenigen, die dann angeklagt wurden, wurden entweder freigesprochen, zu äußerst milden Strafen verurteilt oder konnten mit Hilfe aus der Justizverwaltung aus der Haft fliehen. In der Zeitschrift ‚Das Tagebuch’ erschien am 24. März 1928 ein Artikel mit dem Titel ‚Kollege Jorns’, verfasst vom Journalisten Berthold Jacob. In diesem Beitrag wurde Jorns die Vertuschung der Morde zur Last gelegt. Der Artikel schloss mit der Feststellung, dass der mittlerweile zum Reichsanwalt aufgestiegene Jorns für dieses Amt ungeeignet sei. Im darauf folgenden Beleidigungsprozess übernahm Levi die Verteidigung des verantwortlichen Redakteurs Joseph Bornstein. Der Prozess gegen den Redakteur wurde zum Prozess gegen den reaktionären Staatsanwalt, und für Levi die Grab Paul Levilang ersehnte Gelegenheit, seinen ermordeten Freunden wenigstens etwas Gerechtigkeit erfahren zu lassen. Levi hatte Zugang zu den Akten des von Jorns geführten Ermittlungsverfahrens, und konnte nachweisen, auf welche Weise Spuren der Morde verwischt und die Täter geschützt worden waren. Das eigentliche Verfahren war damit auf den Kopf gestellt. Das Abschlussplädoyer Levis ist von Carl von Ossietzky als "die mächtigste deutsche Rede nach Ferdinand Lasalle" charakterisiert worden. In dem Plädoyer sagte Levi: "[...] Die schreckliche Tat, die damals begangen worden ist, ist keinem gut bekommen. (…) Nur einer stieg hoch, der Kriegsgerichtsrat Jorns, und ich glaube, er hat in den zehn Jahren vergessen, woher seine Robe die rote Farbe trägt. (…) Die toten Buchstaben, benutzt zu dem Zwecke, Schuldige zu schützen, und die vermoderten Knochen der Opfer: sie stehen hier auf und klagen an den Ankläger von damals. [...]" Das Gericht sprach Jacob tatsächlich frei, die Staatsanwaltschaft ging allerdings in Revision. Der weiteren Karriere von Reichsgerichtsrat Jorns schadete der Prozess ohnehin nicht. In der NS-Zeit avancierte er zum Richter am Volksgerichtshof. Während der Revisionsverhandlung in Sachen Jorns Anfang 1930 erkrankte Levi an einer Lungenentzündung mit starkem Fieber. In der Nacht zum 9. Februar stürzte er aus dem Fenster seiner Berliner Dachgeschosswohnung in den Tod. Eine der beeindruckendsten Persönlichkeiten der sozialistischen Arbeiterbewegung im 20. Jahrhundert verließ so die politische Bühne, ein brillanter Kopf, den Deutschland der damaligen Zeit wahrlich gebraucht hätte. Leider sind seine Gedanken, Schriften und seine leidenschaftliches Engagement in Vergessenheit geraten …

Weiterlesen:

➼ Rosa Luxemburg • Ein Leben für Gerechtigkeit

➼ Mathilde Jacob • Mit stillem Kampfgeist für andere …

➼ Carl von Ossietzky • Friedensnobelpreis 1935

➼ Jenny Marx • Sozialistin der ersten Stunde

Bild 1: Paul Levi – Quelle: wikimedia.org · Bild 2:Buchtitel Luxemburg + Levi – Quelle: amazon.com · Bild 3: Luxemburg + Liebknecht – Quelle: oberhof.de · Bild 4: Buchtitel Levi – Quelle: amazon.com · Bild 5: Grabstein Paul Levi in Berlin – Quelle: spd.de


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