Paul Lafargue – Das Recht auf Faulheit

Von Nicsbloghaus @_nbh

Als ich das Buch bestellte, wusste ich noch nicht ein­mal, wie wich­tig es ist und wie bekannt. Ist es doch die ver­mut­lich ein­zige Schrift von Paul Lafargue, die einem etwas grö­ße­ren Kreis bekannt sein dürfte. Er ist – wie Radek – einer der Fastvergessenen.
Für mich jedoch stand vor­der­grün­dig der Titel des Buches im Fokus: “Das Recht auf Faulheit”. Das klingt für mich nicht nur sehr ver­lo­ckend son­dern auch logisch. 

Cover: Das Recht auf Faulheit

In einer Zeit, da die Produktivität immer deut­li­cher zunimmt; in einer Zeit, da der Mensch inner­halb der Warenproduktion immer weni­ger benö­tigt wird; in einer Zeit, da trotz­dem noch immer von “Vollbeschäftigung” gere­det wird, kommt nicht nur mir der Zweifel daran, dass die­ser Weg der rich­tige ist.

Anstatt immer weni­ger Menschen immer mehr Arbeit ver­rich­ten zu las­sen wäre es gesell­schaft­lich sinn­vol­ler, mehr Menschen weni­ger zu beschäf­ti­gen. Freizeit ist Freiheit.

Genau die­ser Gedanke prägt auch das Buch. Ein Buch, das bereits 1883 erst­ma­lig erschien! Also zu einer Zeit, da die erste indus­tri­elle Revolution in vol­lem Gange war.

Paul Lafargue hat sich mit die­ser Schrift ganz sicher nicht nur Freunde gemacht; war doch die Bewertung der Arbeit nicht nur zu jener Zeit eine kon­träre. Er schrieb sie vor allem, um den Arbeitern klar zu machen, dass sie eine Mitschuld an ihrer Verelendung tra­gen. Seine Vorwürfe gehen nicht allein an die Klasse der Besitzenden. Ebenso appel­liert er an die Verantwortung der Arbeitenden.
Ach, wie gut, dass Lafargue sei­ner­zeit weder die Vierbuchstabenzeitung noch RTL erle­ben musste. Wie viel mehr Spott hätte er dann benö­tigt, um die Dämmernden auf­zu­we­cken.

Interessant an sei­ner Ursachenforschung ist, dass er die­ses ver­drehte Arbeitsethos reli­giös – ins­be­son­dere pro­tes­tan­tisch – begreift. Und das gut 20 Jahre vor Max Webers “Die pro­tes­tan­ti­sche Ethik und der Geist des Kapitalismus“. Warum also habe ich bis­her noch nie etwas von die­sem Buch gehört?

Unter ande­rem auch wohl des­halb, weil diese Theorie der des Staatssozialismus wider­sprach. Genau dage­gen schrieb Lafargue ja an – und genau des­halb durfte die­ses Buch auch nicht bekannt wer­den. Obwohl Paul Lafargue der Schwiegersohn Karl Marx’ war – von dem jeder bekrit­zelte Zettel in den MEW auf­taucht.

Dass Arbeit in Form von Selbstausbeutung nur sel­ten dem­je­ni­gen nutzt, der sie tut, ist seit Marx bekannt. Dass Arbeit aber auch das Aufgeben von Freiheit=Freizeit bedeu­ten kann, dass erst seit Lafargue.

Der Traum des Aristoteles ist Wahrheit geworden. Unsere Maschinen verrichten feurigen Atems, mit stählernen, unermüdlichen Gliedern, mit wunderbarer, unerschöpflicher Zeugungskraft, gelehrig und von selbst ihre heilige Arbeit; und doch bleibt der Geist der großen Philosophen des Kapitalismus nach wie vor beherrscht vom Vorurteil des Lohnsystems, der schlimmsten aller Sklavereien. Sie begreifen noch nicht, dass die Maschine der Erlöser der Menschheit ist, der Gott, der den Menschen von den sordidae artes und der Lohnarbeit loskaufen, der Gott, der ihnen Muße und Freiheit bringen wird. [S. 74]
Ein empfehlenswertes Büchlein mit spannenden Sichtweisen auf die Gesellschaft. Auch wenn einige Dinge inzwischen obsolet wurden (wie der Ausblick in die Zukunft) und andere uns inzwischen als zu vereinfacht vorkommen: es lohnt sich, es zu lesen. Schon allein auch wegen der Formulierungskraft, die der Autor hier an den Tag legt. Ich las selten ein so gut geschriebenes Buch über ein so trockenes Thema; voller Humor und bissigem Sarkasmus hält uns Paul Lafargue einen alten Spiegel vor, der bis heute nicht blind wurde.Nic

Paul Lafargue - Das Recht auf Faulheit, um ein Vorwort von Michael Wilk ergänzte Neuauflage 2010, 97 Seiten, 10,00 Euro, ISBN 978-3-86569-907-7 

Erhältlich bei Alibri