In all dieser sinnlosen Tristesse steht eines Tages Carol vor ihr. In elegantem Pelzmantel und mit nonchalanter Geste, verlangt sie nach einer Puppe. Therese faszinieren sofort die grauen klugen Augen und die weiche geheimnisvolle Stimme der Frau. Viele Begegnungen später wird aus dieser Faszination ein unbestimmtes Sehnen … ein absurdes beschämendes Verlangen (S. 69). Es ist der Tag, an dem Carol ihren Namen auf französische Weise ausspricht, ihn auf ganz eigene Art mit ihren Lippen formt: Thérèse. Doch darf sie fühlen, was in ihr geschieht? Darf sie es spüren, dieses zaghafte Verlangen, dieses Sich-Verzehren? Ist dieses aufregende Gefühl, eine andere Frau zu begehren, nicht verboten? Und was empfindet eigentlich Carol? Schließlich hat sie eine kleine Tochter und einen Mann –
Der Roman über Carol und Therese ist für mich eine der schönsten Liebesgeschichten. Besonders mutig in ihrer Aufrichtigkeit, lesbische Liebe zu beschreiben, gelingt es Highsmith, diesen Mix aus stürmischem Sehnen und zarter Hoffnung einer beginnenden Liebe zu beschreiben. Auch Zögern, Ungewissheit und Rückzug gehören dazu. Lange Briefe an geheime Postadressen oder zu bestimmten Zeiten vereinbarte Telefongespräche. Und stille Abende, an denen nur leise die Eiswürfel in den Whisky-Gläsern klirren, begleitet von den langsam dahin ziehenden Rauchschwaden der Zigaretten, die beide unentwegt rauchen.
Und all das vor der Kulisse von New York und den USA in den 50er Jahren. Eine Zeitreise, eine Lovestory, ein großer klassischer Roman. Patricia Highsmith, die sich nie in eine bestimmte Rolle drängen ließ und schon gar nicht in die, eine Thriller-Autorin zu sein, zählt für mich mit dieser Story zu den ganz großen AutorInnen Amerikas.
Verfilmt wurde der Roman unter Regie von Todd Haynes. Mit Cate Blanchett als Carol und Rooney Mara als Therese. Bereits jetzt bin ich sicher, dass ich mir dieses Kino-Ereignis im Januar 2016 nicht entgehen lassen werde. Ich freue mich auf eine Wiederbegegnung mit Carol und Therese in New York. Ich freue mich auf jede einzelne Filmszene, wenn die beiden Frauen mit langsamer Zärtlichkeit Schallplatten auf Carols Koffergrammophon auflegen, in Bars und Cafés sitzen, mit Carols Auto quer durch die USA reisen …
Patricia Highsmith. Carol oder Salz und sein Preis. Aus dem Amerikanischen von Melanie Walz. Mit einer autobiographischen Skizze der Autorin und einem Nachwort von Paul Ingendaay. Diogenes Verlag. Zürich 2015. Broschiert 13 ,- €