Patientenzahlen und Elternbeschwerden

Von Kinderdok
(dies ist ein Telefon)

145 – 122 – 60 – 127 – 135 – 134 – 93 – 66 – 119 – 127

Die Zahlen da oben, da sind die Patientenzahlen der letzten zwei Wochen in unserer Praxis, also täglich. Die etwas kleineren Zahlen sind die Mittwoche, an dem wir den Nachmittag geschlossen haben. Wir arbeiten das ab mit zwei ÄrztInnen und vier fMFA pro Schicht. Aber wem in der Praxis erzähle ich das? Es ist Grippesaison.

Ein kleines Rechenspiel: Im Durchschnitt haben wir 120 Kinder am Tag, ich schätze, ein Drittel davon, also 40 Termine, sind geplante, also Impfungen, Vorsorgeuntersuchungen, Gespräche und dergleichen. Rechnen wir also mit 80 Kindern, die pro Tag so krank sind, dass die Eltern versuchen, bei uns für den gleichen Tag oder für den Folgetag einen Termin zu vereinbaren.

Meine fMFA sind sehr fit am Telefon. Sie versuchen eine Triage: Welche Kinder müssen aufgrund ihres Alters, ihrer Symptome oder der Sorgen der Eltern gleich einbestellt werden? Welche haben Zeit, welche können am nächsten Tag kommen? Welche Eltern freuen sich über eine kompetente Beratung am Telefon, damit sie sich nicht mit dem hustenden Bobele ins Wartezimmer setzen müssen? Ungefähr nochmal ein Drittel der obigen Zahl freuen sich über diese Infos und bleiben lieber zuhause. Macht also ungefähr hundert Telefonate pro Tag.

Unser Telefon ist ab 8 Uhr für drei Stunden „offen“, dann nochmals für vier Stunden am Nachmittag. Die meisten Eltern versuchen, gleich morgens früh anzurufen, first come, first served. Dass das manchmal ein Trugschluss ist, habe ich an anderer Stelle schon ausgeführt.

Jedes Telefonat, dass die fMFA führt, dauert eine Minute? Eher zwei? Wenn sie berät und gute Tipps mitgibt, vielleicht auch drei Minuten? Ok, einigen wir uns auf einen Durchschnittswert von zwei Minuten. Immerhin müssen auch noch die Patientendaten abgeglichen werden (für die Dokumentation), und die fMFA muss überhaupt ihre Beratung oder den Termin eintragen. Also zwei Minuten. Bei hundert Telefonaten am Morgen sind wir schon bei zweihundert Minuten, oder drei Stunden und zwanzig. Ups, da sind ja die drei Stunden „Telefon offen“ am Vormittag schnell aufgebraucht.

Und so ist es auch: Ich habe eine fMFA, die morgens am Telefon sitzt, den Hörer abnimmt, spricht, freundlich ist, begrüsst, den Namen erfragt, einen Termin vergibt oder berät und das alles in den PC hackt. Sie verabschiedet sich, legt auf und nimmt den Hörer wieder auf, denn: Es. klingelt. Sofort. Wieder. Die. Ganze. Zeit.

Aber dieser Post wäre nur halb so schön, wenn nicht der eigentliche Anlass ein aktueller wäre:

Heute hat ein Vater mich „beiseite“ genommen (Nachdem er ohne Termin in der Praxis stand, an der Anmeldung den Aufstand plante, weil er nun warten müsse, schließlich nach einer Stunde doch drankam, um mir die dreijährige Tochter zu präsentieren, die – Drama! – seit der Vornacht Fieber! Habe! Also! Immerhin 38.8 Grad!) – er nahm mich also beiseite, d.h. er senkte im Zimmer die Stimme, damit niemand zuhören konnte und sprach:

„Ist ja ok, dass ich jetzt warten musste, weil ich ja auch keinen Termin habe, aber, Herr Doktor, was gar nicht geht, dass man bei Ihnen ü-ber-haupt-nicht durchkommt. Immer besetzt! Und wissen Sie was?“ Ich wusste nicht. „Wissen Sie was? Ich muss Sie mal über folgenden Umstand aufklären: Ich saß jetzt zwei“ (!) „Stunden im Wartezimmer und habe zwei oder dreimal die Praxisnummer gewählt, und wissen Sie was?“ Ich wusste nicht. „Da hat nicht einmal das Telefon geklingelt. Und es hat aber auch niemand vorne telefoniert. So! Die legen doch den Hörer daneben!“

Das Wartezimmer liegt direkt neben der Anmeldung.

Dort sitzen eine oder zwei fMFA und nehmen die Patienten an. Ja, da gibt es auch ein Telefon.

Die eigentliche „Telefon-fMFA des Tages“ (siehe oben) sitzt aber ganz woanders. Denn das ununterbrochene Klingeln und die Telefonate würden vorne nur stören.

Ich habe versucht, das dem Vater ruhig zu erklären. Seine Antwort war: „Aha.“ Ja. Genau so ein „Aha.“

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