Fakten:PassengersUSA. 2016. Regie: Morten Tyldum. Buch: Jon Spaiths. Mit: Jennifer Lawrence, Chris Pratt, Michael Sheen, Andy García, Laurence Fishburne, Jamie Soricelli, Kimberly Battista, Aurora Perrineau, Fred Melamed, Shelby Taylor Mullins, Kristin Brock, Marie L. Burke, Julee Cerda, Vince Foster, Jean-Michel Richaud, Kara Michele Wilder uvm. Länge: 117 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Ab 5. Januar 2017 im Kino.
Story:Tausende von Menschen werden in Passengers auf einem Raumschiff in die Kolonie eines weit entfernten Planeten transportiert. Um nicht als alte Männer und Frauen dort anzukommen, versetzt man sie in einen Kälteschlaf, aus dem sie erst wieder erwachen sollen, wenn das Ziel der interstellaren Reise erreicht ist. Durch eine Fehlfunktion bei den Schlafkammern werden zwei Passagiere, Jim (Chris Pratt) und Aurora (Jennifer Lawrence), jedoch zu früh aus der Kältestarre geweckt – und zwar 90 Jahre, bevor das Space Shuttle den neuen Planeten erreichen soll. Ihnen ist klar, was das bedeutet: Sie werden den Rest ihres Lebens in dem Luxus-Raumschiff verbringen müssen. Als sie jedoch gerade beginnen, sich mit diesem Schicksal abzufinden und ihre Gefühle für einander zu entdecken, gerät unvermittelt das Leben aller noch schlafenden Passagiere in Gefahr.
Kritik:
Wer zu der Art Filmkonsument gehört, die entgegen vorgefertigter Genre-Erwartungen ein Multitasking an Emotionen vertragen kann, sollte sich zur Vergewisserung des Egos auch mal eine misslungene Umsetzung jener Ambition zu Gemüte führen. Morten Tyldum kommt da mit seinen „Passengers“ an Bord, knapp jede Stimmung innerhalb einer Raumstation auf Autopilot (und das in vielerlei Hinsicht) durchzuprobieren, ohne sich auch nur in eine bemerkenswert zu vertiefen. Der Hansdampf in allen Gassen will dabei ein Rundumpaket des Eskapismus ergeben, das sich als Herkules an Topoi schon mit allen Signalen des Science-Fiction-Konsens umgibt und somit natürlich fern jeglicher wissenschaftlicher Impulse aufs Spektakel der big emotions schielt. Lukas Barwenczik benannte jene Strömung an kontemporärem Space-Kitsch jüngst allzu treffend als Symptom der postfaktischen Ära und als ob Tyldum dies zu untermauern versucht, rückt er dafür den bodenständigen Mechaniker Jim Preston (Chris Pratt) in den Mittelpunkt, welcher jeder ausfallenden Technik eine handfeste Lösung verpassen kann und zudem daran glaubt, dass an den simplen Slogans im OS des Raumschiffs Avalon trotz aller Trivialität doch was Wahres dran sein könnte – der Working-Man-Charme in Stimme und Soundtrack wird gratis manipulativ mitgeliefert, „Make space great again“. An jenem Nukleus der Interface-Kontraste eröffnet sich fortan auch dieser typische Widerspruch im Hollywoodkino der Spezialeffekte, ein zugleich technophobes und technogeiles Narrativ zu reinforcieren, um auf Verlustängste und Sehnsüchte des Zuschauers anzuspringen, Schauwerte aus der 3D-Effektschmiede zu ballen und die Gefahr dessen als primäres Spannungsstück zu akzentuieren. Weil das inzwischen so berechenbar ist, scheint sich das Drehbuch von Jon Spaihts („Doctor Strange“) dann ebenso ausrechnen zu können, wie viele Portionen an Gefühlsmäßigkeiten zur Vermittlung ausreichen, so wie es auch glaubt, jenen Rahmen der Unterhaltung wegen derartig glattzubügeln, dass keine Wissenschaft oder Psychologie mehr aufrichtig analysiert werden muss.
Da herrscht allerdings ein grundlegendes Desinteresse am Intellekt des Zuschauers, den man gerne auch via reiner Beobachtung zu den Belangen von Ensemble und Geschehen leiten darf, in diesem Fall allerdings mit Behauptungen, konstruierten Symbolen und Etablierungsphrasen abgefertigt wird. Man bemerke dazu allein die ersten Gehversuche im Themengebiet Isolation, das oben genannten Preston vorzeitig aus dem Hyperschlaf weckt und somit auf einem knapp 100 Jahre langen Trip durchs All stranden lässt. Von „Alien“ bis „2001 – Odyssee im Weltraum“ fallen einem bestimmt noch zig mehr Beispiele ein, an die man sich anhand der Bilder Tydlums erinnert fühlt, obgleich er ausgerechnet einen bemüht kecken Pratt durch die keimfrei abgeriegelte Zukunft wandern lässt, immer auf dem Sprung zum nächsten Szenario des Entdeckens, an dem zeitgleich Verzweiflung und obercooles Produktionsdesign voller praktischer Gadgetsverinnerlicht werden sollen – kleine Cleanbots mit Minions-Charakter inklusive. Auch wenn der eher rudimentär nachvollzogene Fehler im System ihn nämlich zu einem einsamen Tod verdammt, gibt es noch reichlich frische Freizeitaktivitäten zu beackern, die den Bart nur so wachsen lassen, wenn Videospiele, undefinierte Filme, Restaurants und ein Barkeeper-Androide namens Arthur (Michael Sheen, stets in einer „Shining“-Hommage) fürs Enter-/Infotainment bereit stehen. Selbst sobald seine Re-Initiierung des Schneewittchen-Glassarges in beklemmender Fehlfunktion geschieht, ist Platzangst für Jim lediglich drei Sekunden lang ein Thema. Ob seine Psyche da allzu lange intakt bleibt, fragt sich der Film anhand solcher Situationen allerdings auch irgendwann, weshalb nach einigen netten OS-Unzugänglichkeiten Richtung Satire light sowie spektakulären Selbstmordversuchen der zufällige Stolperschritt zur Schlafkapsel der Autorin/Journalistin Aurora Lane (Jennifer Lawrence) vollzogen wird. In einer für diesen Film bezeichnende, weil jede interessante Tiefe scheuende Montage kaut Jim daraufhin ein Dilemma durch, ob er die Dame ebenfalls gegen ihren Willen aufwecken soll, um ein bisschen Gesellschaft zu haben, wo er ihre pseudo-philosophischen Schreiberfähigkeiten sowie ihren Humor doch schon beinahe als Motivation genug verstand.
Von diesen Vorbereitungen erzählt er ihr nach vollbrachter Tat dann natürlich nichts und obwohl jene Stalker/Creep/Lügner-Aspekte dem moralischen Kompass des Zuschauers durchweg bewusst bleiben, scheint der Film sich damit abfinden zu können, trotzdem eine Romanze aus seinen Probanden zu leiern – was trotz altmodischer Gentleman-Avancen denkbar schlecht funktioniert. Soll aber wohl schon reichen, dass zwei attraktive weiße Menschen im idealen Alter mit der Zeit halt aufeinander abgehen, obwohl u.a. Auroras dissonanter Vater-Komplex eher eine Bereitschaft zur Nähe im Stile von „Queen of Earth“ evozieren dürfte – aber so ist das nun mal, wenn Charakterwerte nur als Staffage für das bewährte Schauspiel ihrer Star-Kombi genutzt werden. Dabei versucht der Film ja trotzdem sein Äußerstes, eine kohärente Entwicklung zum Miteinander zu stilisieren, weshalb der Schnitt jede Entdeckungsphase Jims nun mit ihr bzw. beiden zusammen erneut auffährt und somit stimmig auf einer Redundanz herumreitet, die sich höchstens noch ihre diktierten Ergüsse - mit dem Niveau einer Facebook-Teenie-Pinnwand - als Voiceover-Pathos anklemmen kann. Doch die Technik kann kein Geheimnis für sich behalten und so gibt es stets Spannungen wie Eskalationen im futuristischen Idyll, wenn auf Pratts dürftige Space-Wortspiele (mit Ankündigung) eine gleichsam schlagfertige Erinnerung daran folgt, wie unausweichlich der Tod und bedeutungslos das Dasein in jenen Käfigen der Technik doch seien. Gut, dass der ebenbürtig hermetisch kontrollierte Sex noch Entlastungen mit sich bringt, doch das anbahnende Psychoduell mit dem Effekt eines grausamen Tageszyklus pellt sich allmählich ebenso ansprechend aus, wenn auch wie so oft nur von kurzer Dauer und Inspiration. Das Schiff glitchtnämlich wie verrückt mit Hang zur Lebensgefahr durch und weckt noch einen dritten im Bunde auf, Kommandant Gus Mancuso (Laurence Fishburne) – von dem man sich eigentlich wünscht, dass eralle romantischen Eskapaden mit Jim durchlaufen hätte.
Fishburnes Präsenz ist ein willkommener Lichtblick innerhalb der löchrigen Konfusion des Films, der sich im Verlauf mehr und mehr mit CGI-Schauwerten über Wasser halten muss (dementsprechend inkonsequente Anti-Gravity-Wasserblasen zur Spannung einfügt), genauso schnell aber wiederum Fishburne ablösen will, weil er nicht weiß, wohin. Stattdessen sind auf den letzten Drücker Aufopferung, Manuelle Reparaturen, 1-Einzelschicksal-für-alle, Liebe über alle Unmöglichkeiten hinweg, „Sunshine“, „Gravity“ und Konventionen en masseangesagt, wenn die Zielgerade so energisch Genre-Pflichten abarbeitet, dass die Inszenierung selber keine Lust mehr dafür aufzubringen versucht, was jetzt eigentlich die Ursache all dessen war. Schön, dass der Film es da auch mal ehrlich mit uns meint, bis dahin verstand er sich sowieso mehr als gemächlicher Beobachter des Oberflächlichen, der seinen schlichten Abläufen im Raumschiffleben einen gewissen Reiz abringen konnte, im geschmeidigen Style die schlampigen Innereien der Technik zu offenbaren und dennoch lieben zu lernen, wenn der menschliche Faktor seine Heimat darin sucht. Ohnehin sind die oben genannten Widersprüche trotz ihrer emotionalen Unfähigkeit noch von grundlegendem Interesse, wie man sie realistisch evaluieren oder auslachen soll und vor allem welche besseren Filme man aus dem Kleister an Ideen herausholen könnte. Das bleiben aber eben die wenigen Diskussionsgrundlagen für einen Film, der sich auf Irrationalitäten aufbaut und jede mehr oder weniger sinnige Verknüpfung per gefühlsheuchelnder Anbiederung ausklammert, mit vereinfachten Genre-Gesten jegliches Herzblut, sogar irgendeine Distinktion in der Regie umkurvt. Nur in einem Punkt erkennt man Tyldum jedenfalls wieder, nämlich dass er dem Tod wie schon im „Imitation Game“ nicht in die Augen sehen kann und stattdessen gleich aufs hinterlassene Erbe hinweist. Dass er nach jenem Film so romantisierend ins Beliebige hinein abbauen würde, hätte man aber nicht auf Anhieb daraus schließen wollen.
4von 10 interstellaren Arbeitsunfällen
vom Witte