Eine Bekannte von mir hat mir erst kürzlich erzählt, dass sie es mit den Single-Börsen im Internet probiert, nachdem es in der reellen Welt nicht den gewünschten Erfolg erzielt. Ja ja, soweit war ich auch schon mal, vor vielen Jahren als ich jünger war und das Chatten auch. Mein Gott, das ist schon ganze 12 Jahre her. Ich mit meiner Behinderung wollte mal sehen, wie mein Marktwert wäre, wenn die Behinderung im Paket nicht inklusive wäre. Auf gut Deutsch, ich wollte wissen wie die Reaktionen auf mich sind, wenn man nicht direkt erkennt, dass ich eine Behinderung habe. Die Idee ist ja einleuchtend, aber das bringt auch sehr viele Probleme mit sich. In erster Linie wann sage ich es.
Überraschenderweise gibt es dafür keinen richtigen Moment. Sagt man es zu Anfang und er bricht den Kontakt ab, habe ich zumindest keine Zeit verloren. Aber meinen Marktwert konnte ich immer noch nicht abschätzen. Sage ich es gar nicht und treffe mich mit ihm, dann bringe ich ihn in eine unmögliche Situation. Sage ich es ihm kurz bevor ich mich mit ihm treffe, wofür ich mich dann doch meistens entschieden habe, muss ich gegebenenfalls damit zurecht kommen, dass er ein Treffen ablehnt oder, was dann tatsächlich auch häufig passiert ist, dass ich am Treffpunkt alleine stand bis ich mich entschlossen habe, nach Hause zu fahren.
Es gab da natürlich auch die Situationen, in denen er gekommen ist und man einen Kaffee miteinander getrunken hat, aber man hatte sich dann doch nicht so viel zu sagen, wie es auch typisch ist. Das, was am lustigsten war, wenn es nicht so traurig wäre, was ich erlebt habe, war dass einer natürlich kein Problem hatte sich mit mir zu treffen und wir hatten uns auch super verstanden und dann tauchte REIN ZUFÄLLIG seine Bekannte auf. So ein Zufall aber auch. Nur jemand mit Paranoia hätte meinen können, dass er die Bekannte als Notausgang zuvor eingerichtet hat, wenn das mit mir gar nicht funktioniert hätte. Das Ende vom Lied war dann auch, dass die beiden sich unterhalten hatten, sobald er zu Wort kam, weil sie leicht aufgedreht war, und ich auf einen günstigen Moment gewartet habe, um zu sagen, dass ich nach Hause muss.
Einige Zeit später fiel mir auf, dass das alles nicht so wirklich Sinn machte mit dem Internet, den Marktwert konnte ich nicht wirklich erkennen und parallel traf ich in der Realität auch Männer, die sehr viel interessanter waren. Und der Vorteil hier, man musste ihnen von der Behinderung nicht erzählen, da sie sie von Anfang an gesehen haben. Auch hatte man hier keine Erwartungen, weil man jeweils das Foto von vor 5 Jahren und 10 Kilo verschickt hatte. Und wie der Zufall es so will, es war auch viel entspannter. Vielleicht lag das daran, dass man dann im Endeffekt mit den Männern aus der Realität mehr und länger zu tun hatte als mit allen anderen zusammen.
Zurück zu meiner Bekannten. Angesichts meiner Erfahrungen weiß ich nicht, was ich von ihren Internet-Dates zu halten habe. Da sind einmal die Erwartungen, die umso größer sind, um so länger man sie schon hegt, zum anderen ist es nicht entspannt, etwa für jemanden, der vielleicht schüchterner ist, was das Ganze schwieriger machen könnte. Ist es aber nicht auch so, dass es nicht Spaß macht, sich zurecht zu machen, auszugehen und das Ganze auf sich zu kommen zu lassen? Ich bin jemand, der vielleicht nicht unbedingt an das große Schicksal glaubt, aber ist die Idee, die große Liebe im Supermarkt, am Bahnhof oder am Arbeitsplatz zu finden, nicht einfach interessanter und stressfreier? Und wenn ich prinzipiell mich auf einem Großmarkt anbiete, ist es nicht auch wahrscheinlich, dass mein Angebot nicht reicht oder dass die Auswahlkriterien zu streng sind? Und dass ich umso mehr zum Ladenhüter verkomme als sonst wo? Und a propos hüten, wenn man dann so im Internet chattet und jetzt spreche ich wieder von mir selbst, hält es einen dann nicht künstlich zu Hause? Anstatt aus dem Haus mal zu gehen und das Leben zu genießen, wartet man auf die Nachrichten des Chatpartners. Und wenn dann noch ein anderer dazukommt, geht man dem ersten fremd? Darf man das überhaupt?
Jetzt sind einige Lenze ins Land gezogen seitdem ich das letzte Mal diese Partnerwahl in Erwägung gezogen habe, und es juckt mich mal wieder das auszuprobieren. Aber mit all den Lenzen ist auch der romantische Aspekt in meinen Hintergedanken verschwunden. Ich glaube, wenn ich das jetzt machen würde, dann würde ich das Ganze größer aufziehen wollen. Mit einem Profil A und einem Profil B. Wie der Name es sagt, bietet es sich bei Profil B an, dass diejenige eine Behinderung hat, dementsprechend bei Profil A, dass es keine Auffälligkeiten gibt. Vielleicht noch das mit der alleinerziehenden Mutter. Es wäre echt interessant, inwieweit sich die Zahlen an Interessenten unterscheiden würden. Wie da wohl die Themen wären jeweils? Wer sich melden würde. Ich denke, um ehrlich zu sein, etwas länger schon darüber nach. Was mich ein wenig abschreckt, ist die Arbeit, die ich da rein stecken müsste. Und was habe ich davon? Wahrscheinlich dass sich meine Vermutungen bestätigen. Und natürlich könnte ich das als Art Serie für meinen Blog verwenden, was es an der Front Neues zu berichten gibt. Ob das wohl für die Leute da draußen interessant wäre?