Parteienübergreifend gegen das Feiertagsgesetz

Von Nicsbloghaus @_nbh

Mit der Forderung nach einer Reformierung des baden-württembergischen Feiertagsgesetzes haben sich jetzt gemein­sam die Arbeitskreise Säkulare Grüne der Stadt Mannheim und des Landes Baden-Württemberg, der Arbeitskreis Laizisten in der SPD Heidelberg sowie die Piraten Rhein-Neckar-Heidelberg an die Öffent­lich­keit gewandt.

Kritisiert wird, das Baden-Württemberg das Bundesland mit dem strik­tes­ten Feiertagsgesetz in ganz Deutschland ist. “Neben vier ganz­tä­gi­gen Tanzverboten sind Tanz- und Öffent­li­che Veranstaltungen an vier­zehn wei­te­ren Feiertagen teils unter­sagt bis erheb­lich ein­ge­schränkt” heißt es in einer Presseerklärung vom 27.03.2013. Die Unterzeichner wei­sen dar­auf hin, dass “Menschen aus unter­schied­li­chen Kulturen, mit unter­schied­li­chen Glaubensvorstellungen und Weltanschauungen sowie auch immer mehr kon­fes­si­ons­freie und athe­is­ti­sche Menschen” zusam­men­le­ben, deren Belange ins­ge­samt zu berück­sich­ti­gen sind. Das Begehren der christ­li­chen Religionsgemeinschaften, dass sich ihren spe­zi­fi­schen Feiertagsvorstellungen die gesamte Gesellschaft unter­wer­fen soll, wird als “ana­chro­nis­tisch” bezeich­net. Das Tanzverbot gilt in Baden-Württemberg nicht nur ganz­tä­gig an Karfreitag, son­dern sogar auch an Karsamstag.

Die Grüne Säkularen und die SPD-Laizisten haben ange­kün­digt, sich inner­halb ihrer Parteien für eine Reform des baden-württembergischen Feiertagsgesetzes und die Abschaffung der gene­rel­len Tanzverbote ein­zu­set­zen

Hintergrund der Stellungnahme ist die in Heidelberg vom Gewerbeamt bereits Ende Januar “auf der Basis einer Abstimmung – u.a. mit den gro­ßen Kirchen” ange­kün­digte ver­schärfte Durchsetzung des Feiertagsgesetzes nach einer libe­ra­le­ren Handhabung in den letz­ten Jahren. Nach einem Hinweis auf Sanktionsmöglichkeiten in Form von Geldbußen wird gewarnt: “Vor dem Hintergrund der erhöh­ten Sensibilität in der Öffent­lich­keit müs­sen Sie neben einer mög­li­chen ver­stärk­ten behörd­li­chen Über­wa­chung auch mit Hinweisen/Anzeigen von pri­va­ter Seite rech­nen.” Offenbar greift auch hier das fromme Denunziantenunwesen (wie schon im Fall katho­li­scher Kliniken auch auf die­sem Gebiet) um sich.

Evangelische und katho­li­sche Verbandsfunktionäre hat­ten mobil gemacht, weil der letzt­jäh­rige Weihnachtsmarkt in Heidelberg bereits am Buß- und Bettag – und damit vor dem Totensonntag – eröff­net wor­den war. Es kam dann zu einer als “Abstimmung” bezeich­ne­ten Debatte zwi­schen Kommune und den bei­den christ­li­chen Großkirchen, wie in der­ar­ti­gen Angelegenheiten in Zukunft ver­fah­ren wer­den soll. Die erar­bei­te­ten “grund­sätz­li­chen Regelungen” umfas­sen, wie im Heidelberger Gemeinderat mit­ge­teilt wor­den war, auch die Veranstaltungen an Sonn- und Feiertagen.

EventKultur Rhein-Neckar e.V., der Verband der Clubbetreiber, Veranstalter und Kulturereignisschaffenden in der Region, hat in einer beach­tens­wer­ten Stellungnahme bei aus­drück­li­cher Anerkennung der Bedeutung der christ­li­chen Feiertage (“Wir möch­ten unsere Wertschätzung für christ­li­che Werte, für Nächstenliebe, Solidarität, die Unantastbarkeit der Menschenwürde ver­deut­li­chen.”) dar­auf hin­ge­wie­sen, dass das “Gesetz der Feiertage jedoch… eine Anpassung an die heu­tige Lebensrealität der Menschen unse­rer Gesellschaft (benö­tigt). Gottesdienste oder christ­li­che Feierlichkeiten wer­den in der Praxis nicht durch Tanzveranstaltungen gestört. Ebenso wie Offenheit und Toleranz christ­li­chen Feiertagen ent­ge­gen­ge­bracht wird, sollte heute ein ande­rer Umgang mit die­sen Festen ebenso tole­riert wer­den.” Der Verband weist dar­auf hin, das bei einer teil­wei­sen Lockerung der Feiertagsverbote reli­giöse Belange nicht beein­träch­tigt wer­den und möchte in einen Dialog mit den Religionsgemeinschaften ein­tre­ten.

Mit einem Appell an eine Dialogbereitschaft und Toleranz gegen­über Nichtchristen sind aller­dings die Kirchenfunktionäre nicht erreich­bar. Die evan­ge­li­sche Dekanin Schwöbel-Hug hat in einem Interview mit der Rhein-Neckar-Zeitung am 01.03.2013, dem übli­chen Argumentationsmuster von Religionsvertretern fol­gend, Respekt für den von ihr befür­wor­te­ten Kult ein­ge­for­dert und erklärt: “Ich finde, es gebie­tet der Respekt gegen­über der Religion und reli­giö­sen Menschen, dass man diese Feiertage ein­hält.” Auf die Frage, ob ein Tanzverbot noch zeit­ge­mäß sei, hat sie ledig­lich lapi­dar geant­wor­tet: “Das spielt keine Rolle. Geltende Gesetze soll­ten ein­ge­hal­ten wer­den.” Mehr ist der Funktionärin ebenso wenig wie ihrem katho­li­schen Pendant, dem Stadtdekan Joachim Dauer zu die­sem Thema offen­bar nicht ein­ge­fal­len. Beide haben uni­sono in dem Interview betont, es gelte eben das Feiertagsgesetz und die Stadt habe für die Einhaltung zu sor­gen. Von einem Respekt der Religiösen gegen­über Menschen, die Karfreitag und Karsamstag anders ver­brin­gen möch­ten, als es der christ­li­che Kult vor­sieht, hat kei­ner der bei­den Funktionäre etwas erwähnt. Man wird es wohl (im 21. Jahrhundert) so ver­ste­hen müs­sen, dass Andersgläubige und Nichtgläubige kei­nen Respekt ver­die­nen und deren Freizeitgestaltung (von einer Religionsrichtung) regle­men­tiert und dis­kri­mi­niert wer­den darf.

Die grün-rote Landtagsmehrheit und die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg wer­den jetzt – auf­grund der ange­kün­dig­ten Initiative aus Mannheim und Heidelberg – gefor­dert sein, das Landesfeiertagsgesetz zu refor­mie­ren. Orientierung hier­bei kann das Vorhaben von Rot-Grün in Bremen bie­ten, wo kürz­lich die Reform des dor­ti­gen Feiertagsgesetzes ange­gan­gen wor­den ist. Dort wer­den die bis­lang gel­ten­den Zeiten an Sonn- und Feiertagen, an denen sowohl Versammlungen unter freiem Himmel, Demonstrationen als auch Tanz- und Vergnügungsveranstaltungen ver­bo­ten sind, zunächst erheb­lich ein­ge­schränkt (an Karfreitag nur tags­über bis 21.00 Uhr) und ab 2018 voll­stän­dig auf­ge­ho­ben wer­den. Damit wird den Belangen einer plu­ra­lis­ti­schen Gesellschaft Rechnung getra­gen. Ein sol­ches Vorgehen dient dem Rechtsfrieden in Deutschland, indem es Diskriminierung und reli­giöse Bevormundung besei­tigt. Die Ausübung des christ­li­chen Kultes, auch und gerade an des­sen hohen Feiertagen, ist durch die all­ge­mei­nen Zivil- und Strafgesetze hin­rei­chend geschützt.

Warum bis­lang die grün-rote Mehrheit in Baden-Württemberg in die­sem Sinne nicht tätig gewor­den ist, ist aller­dings klä­rungs­be­dürf­tig, denn die dor­tige Koalition exis­tiert bereits geraume Zeit. Ob es damit zusam­men­hängt, dass in den bei­den Regierungsfraktionen Kirchenlobbyisten gro­ßen Einfluss haben oder weil man kei­nen Konflikt mit den christ­li­chen Großkirchen ris­kie­ren will? Aufklärung tut not. Säkulare und Laizisten sind gefor­dert.

Walter Otte

Nachtrag:
Das Feiertagsgesetz Baden-Württembergs gilt auch am Ostersamstag und ver­bie­tet bei­spiels­weise Tanzen, sogar in geschlos­se­nen Gesellschaften.
“Eine Hochzeitsgesellschaft in Sandhofen musste daher mit dem Feiern bis in die spä­ten Abendstunden war­ten. Auch dort hat­ten Gäste getanzt, die Polizei setzte dem vor­erst ein Ende. Nach Angaben von Polizeisprecher Boll klär­ten die Beamten die geschlos­sene Gesellschaft über die Rechtslage auf – die Feiernden war­te­ten bis 0 Uhr und bega­ben sich dann auf die Tanzfläche.”, so der Mannheimer Morgen nach Ostern 2012.