Oft wurde und werde ich gefragt, wie ich meine Parfum herstelle. Welche Arbeitsschritte führen bis zum Endprodukt? Wo kaufe ich die Rohstoffe, wie entwickle ich die Rezepte und was muß ich tun, damit ich die Düfte überhaupt verkaufen darf? Wenn ich mir die ganzen Fragen dann so anhöre, wundere ich mich manchmal selber, wie das alles so funktioniert und weil ich aus der Arbeit nie ein großes Geheimnis gemacht habe, möchte ich heute noch einmal genauer darauf eingehen und die neusten Entwicklungen (wenn es die nicht gegeben hätte, wäre es so auch nicht weitergegangen) erläutern. Ganz ohne Hilfe geht es nämlich wirklich nicht. Jedenfalls nicht, wenn man kein Profi ist und versucht alles alleine zu machen. Ohne Edith Schwarz, Herrn Bernhardt, Geza, Marc und Sebastian hätte ich es nie bis hierhin gebracht. Ein Rezept zu entwickeln ist nämlich nicht ganz so einfach.
Das dauert seine Zeit und ich benötige von der Idee, von der reinen Duftvorstellung in meinem Kopf, bis zur letzten endgültigen Mischung fast ein ganzes Jahr. Doch schon bei der Auswahl und Anschaffung der Rohstoffe muß ich darauf achten, zu jedem Rohstoff, egal ob natürlich oder synthetisch, die vorgeschriebenen Datenblätter (MSDS-Paper) zu bekommen. Anschließend schaue ich mir die Riechstoffe an und entscheide, wie ich welchen Stoff einsetze. Muß ich mir davon eine Lösung ansetzen, welches Lösungsmittel etc. Gäbe es die Freunde nicht, wäre es schon vom Start weg eine unbezahlbare Materialschlacht, weil meistens nicht klar ist, welches Lösungsmittel (vielleicht auch bei welcher Temperatur) geeignet ist. Was bei Ethylmaltol prima funktioniert, geht bei Maltol total in die Hose und zugleich ins Geld. Könnte ich mir gar nicht leisten. In Kleinstmengen taste ich mich an meine Duftidee heran, wobei alles schön dokumentiert wird, und ganz zum Schluß setze ich mir eine Minimenge als Eau de Toilette an. Man muß ja schließlich ausprobieren, ob es den Freunden gefällt.
Erst nach all diesen Arbeiten kann ich entscheiden, ob der Duft funktioniert oder nicht. Erst jetzt denke ich mir einen Namen aus, oder ordne den Duft einer Serie zu. Jetzt bestelle ich die Rohstoffe in der notwendigen Menge und mische 1 kg vom Rezept aus. Nun ist es Zeit Jo anzurufen und ein Bild für den Druck zu ordern. Flaschen und Zerstäuber bei Rosa Heinz bestellen, Ethanol bei Brüggemann bestellen und die Druckerei nicht vergessen. Duftöl, Ethanol und Wasser, Eiskasten für 14 Tage, dekantieren, filtern, abfüllen, säubern, verpacken. Papiere zum Gutachter. Geklärt, ob der Duft in dieser Form ok ist, hatte ich bereits Wochen vorher. Jetzt, nach einem Jahr Arbeit, halte ich meine 77 Flaschen in den Händen und kann nur hoffen, daß sich der Duft verkauft. Nur wer kauft ein Parfum, hinter dem keine bekannte Marke steht? Wer interessiert sich für eine Mischung, die nicht nur natürlich klingt, sondern es zu Großteilen auch ist? Wer ist wirklich so unvoreingenommen und neugierig, sich für Parfum zu interessieren, wofür es im Prinzip keine Werbung gibt? Hier muß man sich auf seine eigene Nase, die eigene Sachkenntnis und den eigenen Geschmack verlassen.
Doch an dieser Stelle kam vor einiger Zeit Georg Wuchsa mit seinem Onlineshop AUS LIEBE ZUM DUFT ins Spiel und ganz plötzlich wurde es nötig, die ersten Rezepte erneut auszumischen und nachzuproduzieren. Eine Aufgabe, mit der ich gar nicht gerechnet hatte und die auch recht aufwendig ist. Produziere ich nun Neues oder kümmere ich mich um die Pflege der vorhandenen Parfums? Um ehrlich zu sein, ich habe schon mehrfach darüber nachgedacht, die ganze Sache wieder hinzuschmeißen und es einfach zu lassen. Wie soll ich einen Duft erneut produzieren, wenn der wichtigste Rohstoff nach einem Jahr nicht mehr zu bestellen ist? Warum sollte ich einen Duft neu ausmischen, wenn selbsternannte Nasen und Kritiker in Onlineforen Äpfel mit Birnen vergleichen und mir ohne den geringsten Sachverstand nahelegen, es mal mit echtem Sandelholz zu versuchen, weil das viel besser wäre als mein geliebtes Javanol.
Warum ich hier und jetzt von Parfum und Glück schreibe ist trotzdem leicht erklärt. Zum einen habe ich mit meinen Düften durchaus so etwas wie Erfolg und zum anderen hatte ich das große Glück Sebastian kennenzulernen. Dr. Sebastian Reuter, der als Parfumeur bei Bell Flavors & Fragrances arbeitet.
Es war und ist nämlich Sebastian, der sich bei BELL um die Zusammenarbeit mit mir kümmert, der meine Rezepte auf den Schreibtisch bekommt und dann erstmal schauen muß, wie man den einen oder anderen Rohstoff gegebenenfalls ersetzen, Konservierung und Lichtschutzfilter hinzufügen und meine ganze Idee so sorgfältig und sinnvoll wie möglich den Anforderungen an einen industrialisierten Herstellungsprozess anpassen kann. Leicht ist das nicht.
“Warum nimmst Du kein Peru sondern Tolu?” lautet die einfache Frage. “Na weil Peru doch verboten ist”, antworte ich etwas unsicher und 10 Sekunden später steht eine Flasche mit Perubalsm-Öl auf dem Tisch. “Verboten ist nur Perubalsam, das Öl ist gar kein Problem.” Noch nie hatte ich die Auswahl an so vielen schönen Moschusriechstoffen. Endlich kann ich ein richtig tolles Iso e Super einsetzen und mit sehr viel Feingefühl und Einfehlungsvermögen erläutert mir Sebastian, warum er die Veilchennote im Steampunk lieber ohne IONON beta machen würde. Mehrfach gehen jetzt Muster mit der Post hin und her und ich erlebe mit großer Freude, wie schön sich meine Ideen entwickeln. Der DEZEMBER wäre nicht der DEZEMBER wenn Sebastian mir nicht gezeigt hätte, wie man sich eine zarte Rosennote selber mischen kann (kann ich jetzt) und mir gesagt hätte, wo die Oberkannte für dieses geniale Rosa-Pfeffer-Öl ist. Diese Gemeinschaftsarbeit, in deren Ergebnis ich mich zu 100% wiedererkenne und die mir am Ende das sichere Gefühl läßt, Herr meiner eigenen Arbeit zu sein …
das ist Glück.