Paradebeispiel

Damit die Woche nicht ohne Eintrag bleibt, ein Schnelldurchlauf mit Schwerpunkt auf Montag.

Samstag war ein Ausflug nach Venecia geplant. Das ist eine Lagune, nicht weit entfernt von Condega. „War geplant“ desshalb, weil ich nicht mitgefahren bin. Geplant als Radausflug bin ich von allen am Freitag Abend Anwesenden überzeugt worden, dass es für die Strecke einfach zu viel regnet. Eine Brücke über den Fluss wurde überspült und Regen für das gesamte Wochenende vorausgesagt. Teilnehmer der Radrally waren dann trotzdem um die 15 Leute, die mich am Montag der Reihe nach fragen, warum ich eigentlich nicht dabei war, war ja kein Problem und so weiter und so fort. Zwischen zweieinhalb Stunden hin und eineinhalb zurück ist zwar ein gewaltiger Unterschied, erklären lässt sich das aber mit der offensichtlichen Steigung des Weges. Aber ich habe ein ganzes Jahr Zeit, ich werde es wohl irgendwie schaffen noch nach Venecia zu kommen :)

Und jetzt direkt zum Montag: Es wird quasi eine Trommel-Generalprobe der Schulen Condegas gegeben. Im Basballstadium. Dies oder Ähnliches wird an den Feiertagen 14. und 15. aufgeführt werden. Dann allerdings in den Straßen Condegas. Das Baseballfeld jedenfalls ist in der letzten Woche per Motorsense gemäht worden. Normale Rasenmäher dürfte es nicht geben, wozu eigentlich auch. Hat auf jeden Fall eher eigenartig ausgesehen, eine Person Mann mit Motorsense auf einer schier endlosen Grasfläche, eine Person daneben, die einfach nur so herumsteht. Don Quichotte fällt mir dazu ein.

Wieder zurück zum Ausgangspunkt: Die Kinder, die nicht sowieso Unterricht haben, kommen mit uns mit ins Stadium. Die Kinder, die Unterricht haben kommen auch alle, weil sämtliche Schulen (oder zumindest viele) Zuschauer spielen müssen. Um 9 beginnts um halb 12 zerrinnts. In ein paar Worten zusammengefasst ist es heiß und eher langweilig. Die erste Gruppe hat noch den Neuheitswert als Zusatz, alles danach ist ähnlich bis gleich.

Aber jetzt wirklich zur Sache: Es stehen fünf Schulbands auf dem Rasen und warten auf ihren Auftritt. Nach schier endloser Ansprache diverser offizieller Leute und unnzähligen Gruppenumschichtungen, damit auch sicher jeder verwirrt ist, wird die Landeshymne vorgetragen. Ein Detail am Rande: Die Bands bestehen aus hauptsächlich aus Trommlern. Es ist nur ein weiteres Instrument beteiligt: Ein oder zwei Xylofone pro Band sorgen für, etwas im Trommelwirbel untergehende, Melodien. Das macht die Hymne natürlich für Laie nicht als solche erkennbar, wenn sie nicht vorher angekündigt wird. Man könnte mir auch einreden, das sei Mozarts Unvollendete. Klingt vermutlich ähnlich.

Angeführt und koordiniert werden die Bandas von Männern, mal Drillseargents, mal lässige halbe Hemden, aber immer mit Trillerpfeifchen zwischen den Lippen. Seht selbst:

Paradebeispiel

Also wenn der nicht cool ist, dann weiß ich auch nicht

Paradebeispiel

YES SIR, DRILLSEARGENT, SIR!

Weil kein Eintritt zu zahlen ist, sind die Zuschauerränge berstend voll. Fördert natürlich unerwünscht die Hitzeentwicklung und man kommt sich vor wie in einem Backofen. Luftiger sitzt es sich auf den Spezialrängen:

Paradebeispiel

Man sieht die Show zwar von hinten, aber es hat etwas mehr Freiluftambiente

Paradebeispiel

Der verkauft in 5m Höhe Knabbereien. Scheint gut zu laufen :)

Auch am Platz ist es nicht ganz so kühl, scheint schließlich die Sonne:

Paradebeispiel

Der schaut nur wegen der Sonnenbrille so cool aus

Paradebeispiel

So ein großes Bumm ist halt auch verdammt schwer

Aber man kann auch Spaß bei der „Arbeit“ haben:

Paradebeispiel

Die beiden Tänzer sind regelmäßige Besucher des Projekts. Der so träumerisch blickende Junge ist mir jedoch unbekannt ...

Paradebeispiel

Das erscheint mir gewaltig amerikanisch: Cheerleader

Noch kurz zu der historischen Bedeutung des 14. Septembers (der 15. ist Unabhängigkeitstag) und dem damit verbundenen Trommelspektakel: Am 14. September 1856, die amerikanischen Truppen waren im Begriff Nicaragua zu invasieren, gewannen die Nicaraguaner den Krieg. Die hiesigen Truppen waren kaum als solche zu bezeichnen, mit Macheten, Stöcken und Steinen bewaffnet gegen die USA anzutreten hat fast etwas von einem Selbstmordkommando. So begab es sich, dass ein Battalion der Amerikaner im Anmarsch waren, die Nicaraguaner in einer unglaublichen Unterzahl zu einem psychologischem Trick griffen: Sie trieben unzählige Kühe und Pferde vor sich her, um dem Battalion den Eindruck einer gewaltigen Armee vorzugaukeln. Die Amerikaner ergriffen die Flucht, jedoch gelang es den Nicaraguanern – namentlich Andrés Castro – einen – William Walker – mit einem Stein niederzustrecken. Daraufhin zogen die Amerikaner wieder ab, der Krieg war gewonnen.
Und als Erinnerung an die trampelnden Hufe der vielen Tiere wird heute am Staatsfeiertag noch getrommelt. Nur dass die Schulbands heute etwas weniger Gleichklang aufbringen, was der Angelegenheit etwas den Takt raubt.

Weitere Neuigkeiten der Woche
Dienstag nacht zeigen sich erste Anzeichen von Gefährlichkeit und Gewalt direkt vor der Haustüre. Ich bin gerade damit beschäftigt, die Uhrzeit ins Spanische zu übersetzen (halb 11) als Yudith aufsteht und sagt, die Rowdys wären schon wieder da. Bevor ich mir das übersetzen kann wird die Tür geschlossen und die Szene ist schon wieder vorbei. Als alle weg sind, wird auf die Straße gegangen und mit Nachbarn das eben erlebte wiedergegeben und aufeinander abgestimmt. Endlich verstehe auch ich, dass eine Gruppe junger Männer (der Jüngste dürfte allerdings ein Kind gewesen sein) einen Radfahrer seines fahrbaren Untersatzes erleichtern wollten. Alle sind erstaunt, als keine zwei Minuten später eine Motorradstreife vorbeikommt, normalerweise dürfte es länger dauern.

Überdies werden heute – Mittwoch – Mittag zwei Geschäfte in der Nähe des Basketballplatzes überfallen und ausgeraubt. Bisher war es immer ausgesprochen ruhig, da kommen diese beiden Ereignisse beinahe unerwartet.

Diese Woche überwiegt außerdem eine neue Form der Müdigkeit. Inzwischen bin ich nicht mehr Zeitzonenopfer, sondern leide ganz klassisch an den Problemen des Spätschlafengehens. Es gibt hier nämlich ganz nette Fernsehsender aus Amerika, manche auf Englisch, manche auf Spanisch, die ziemlich frische Blockbuster spielen. So habe ich schon Roland Emmerichs 2012 gesehen, den ich ganz gut verstanden habe. Ich glaube allerdings, den hätte ich auch auf Finnisch, Ungarisch oder Türkisch verstanden :P

Heute allerdings hat Eneri, der kleine Hurrikane im Haus, die Fernbedienung in Wasser versenkt. Niemand weiß, wie lange sie ihr Bad genießen durfte, jetzt geht sie jedenfalls nachweislich nicht mehr.

Und das ist auch der Grund, warum ich die letzten Tage einfach keine Zeit für einen neuen Eintrag hatte: Immer müde oder arbeiten (fernsehen ist auch arbeiten, weil ich spanisch lerne – oder englisch :D ). Und das wars für heute auch schon wieder, ich gebe zurück an die Arbeit, die Schule oder das reguläre Leben, sollte es sowas geben ;)



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