Paracas – glücklich sein

Von Konradek

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Der Atem von Marihuana dringt in meine Lungenflügel, erwärmt sie, öffnet sie wie ein Vogel. Es kribbelt in den Muskeln, sie werden leicht, taub. Mein Kopf fällt in den Nacken. Und ich falle auf den Rücken. Die Sterne, sie sind so weit weg. So weit weg, dass jeder Stern dem anderen gleicht. Erst, wenn wir sie als Sternenbilder begreifen, werden sie unterscheidbar, können wir sie benennen. Wie der Mensch: Erst in Beziehung zu anderen Menschen wird der Mensch, Mensch.

Als ich klein war, wollte ich Astronaut werden.‹
hahaha …wirklich?‹
Ja, wirklich.‹
Und?‹
Stattdessen bin ich Sozialarbeiter geworden und schreibe Gedichte für die Schublade … hahaha …‹
Alma goss die Becher nochmal voll.
Ich kann mich erinnern: Es muss in der 5. Klasse gewesen sein, wir saßen im Schulbus, ich hab mit ‘nem Freund gewettet – mit dem ich seit nun fast 20 Jahren befreundet bin! – dass ich Astronaut werd’.‹
Und?‹
Hm, er meinte schon damals, dass ich das nich’ schaff’. Ich war damals ziemlich dick …‹
Du? Kann man sich gar nicht vorstellen …‹
Ich weiß. Sagt jeder. Hm, also er sagte, dass man sportlich sein muss. Und schlau in all diesen Fächern, in denen ich nie schlau war.‹
Hm.‹
Komisch. Oder?‹
Was?‹
Naja, wir waren Kinder. Zehn, elf Jahre alt … und er war damals schon so … hm … so rational? Rational! Ist das, das Wort?‹
Ja, rational. Hm. Und was ist er geworden?‹
Ach … der wollt Sportjournalist werden, hat damals immer seine Fußball-Zeitung mitgehabt. Der wusste immer alles, Namen, Trikotnummern, Spielergebnisse, Trainer … naja … heute arbeitet er im Marketing. Manchmal frage ich mich, ob er sich das so vorgestellt hat.‹
Ich glaub Du bist trotzdem ein Astronaut. Du reist zwar nicht zu den Sternen. Aber durch die Welt.‹
hahaha … ja, stimmt.‹
Und, worum habt ihr gewettet?‹
Weiß nich’ … ich glaub ums Recht … später wollte ich zur Feuerwehr. Aber ich hab Angst vor Leitern.‹

Sarah lag wie erschossen im Sand, sie hielt sich den Bauch. ›Das Meer ist der Himmel.‹ Ich und Alma teilten uns die dritte Tüte. Immer wieder musste sie lachen, weil mich dieses Marihuana so durchdrang. Wie die Magma eines Vulkanes schwappte Euphorie über mich, brannte meinen Körper hinunter, verfestigte sich zu einem seligen befriedeten Lächeln. Kind of blue, Coltranes Saxophon schlich aus den Boxen. Sanft, fast schon von verletzlicher Schüchternheit, als traue es sich nicht allein in das Schwarz der Nacht. Als ich klein war in den Keller musste, Vorräte holen, summte ich immer eine Melodie, an der ich mich festhielt. Musik ist wie eine Narbe – Punk hat mir etwas genommen: Seine messerscharfen Akkorde haben die makellose, damals noch junge, Oberfläche, aufgeschnitten und all ihre Ideen hineingestreut. Und diese Ideen, das einzig Ehrliche in einer unehrlichen Welt, haben mich aufgekratzt, und eine Frau sagte mir damals ›du machst es Dir immer so schwer‹ und ich dachte wütend ›nein, du machst es dir nur einfach‹. Geblieben ist eine verwachsene Narbe, inzwischen nur noch von schwachem Rosa. Sie entstellt mich aber nicht, sie ist nicht hässlich. Sie ist da. Sie ist Charakteristikum, ein Fanal.

Kleine Wachstropfen kullerten die Kerze hinab, wie Tränen eine Wange. Und als ich wieder zu beiden hinüberschaute, lagen sie eingemurmelt im Schlafsack. Sarahs Lotosblüte auf dem Nacken bewegte sich. Der Lotus, der aus Schlamm erwächst – ich mag dieses Symbol. Die Flasche Rum neben ihnen. Ausgetrunken, benutzt und hingeworfen. Welch Glück, welch kaum mit Worten zu beschreibendes Glück: Den ganzen Tag, wie Natur uns geschaffen hat – nackt, diese verlogene Scham abgestreift, wie eine schlecht sitzende Maske. Die Elemente spürend: Die Kälte des Ozeans, den brütend heißen Sand, die weiße Sonne, das Salz in der Luft. Welch Glück, umarmt vom Meer und Sand. Umarmt, beschützt.

Und als wir an den Klippen spazierten, die Falten von Mutter Erde befühlten und Steine in sie fallen ließen, Möwen und Geiern folgten, Muscheln, Federn und Knochen auflasen, die Kadaver von Seelöwen und Pinguinen bestaunten, schien mein Körper vor Worten fast zu bersten. Ich warf meine Worte in den Wind. ›Die Natur spricht durch dich‹ sagte Sarah. Wie wahr. Der Dichter, das bin nicht ich, das ist die Natur. Ich bin nur ihre Feder.

Und der Typ von der Security, der uns am Nachmittag noch davor warnte hier zu campen, und mein Motorrad so weit abgestellt zu haben, schien so albern. Es geschähen hier soviel Raubüberfälle und man hat schon ›Pferde vor Apotheken kotzen sehen‹. Und ihr Herren in Uniformen, ihr möchtet uns helfen, uns schützen, aber ihr jagt nur Angst und Schrecken ein, mit Euren hässlichen Geschichten, mit Euren sinnlosen Werkzeugen des Todes. Im Grunde demonstriert ihr nur eure Position, die feinsinnigen Menschen nicht imponiert. Nennt mich naiv, lebensmüde. Oder friedensuchend.

Die Kerze wurde schwach, sie begann zu flackern. Und doch erhellte sie die beiden riesigen Felsen vor uns. Ich legte mich zu den beiden. Und der Wind legt seine Zudecke über uns.