Mit Bekanntwerden der Schwangerschaft stellt sich für viele Paare die Frage, ob der werdende Vater seine Partnerin in den Kreißsaal begleiten wird oder nicht. Ein Thema, das für die meisten Paare jedoch scheinbar leicht lösen ist: Fast 100% der werdenden Väter sind bei der Geburt ihres Kindes dabei. Interessanter als die Frage ob ja oder nein, ist aber, wie sie dabei empfinden. Welche Erwartungen an das Erlebnis haben sie im Vorfeld, welche möglichen Ängste beunruhigen sie? Mit diesen Fragen hat sich eine Studie an der Berlin Charité („Geburtserleben und Sexualität der männlichen Partner“; O. Awad, K. J. Bühling ) beschäftigt.
Mittels eines anonymen Fragebogens wurden die Partner stationär liegender Wöchnerinnen zu ihren persönlichen Erfahrungen vor, während und nach der Geburt befragt. Ziel der Studie war es unter anderem herauszufinden, ob das Beisein bei der Geburt möglicherweise Folgen für die Männer hatte, insbesondere hinsichtlich ihres Sexuallebens.
Der Studie zufolge stand für fast 80% der werdenden Väter von vornherein fest, die Geburt miterleben zu wollen. Als Gründe dafür gaben die befragten Männer Folgendes an:
• 63% hoffen, einen positiven Einfluss auf ihre Partnerin zu haben,
• 38% möchten aus Interesse am Geburtsvorgang anwesend sein,
• für 30% ist es wichtig, die schwierige Situation gemeinsam zu bewältigen,
• 28% wollen durch ihre Anwesenheit ihre Beziehung zum Kind festigen,
• 27% befürchten, bei möglichen Komplikationen abwesend zu sein,
• 23% begleiten ihre Partnerin auf deren Wunsch hin,
• 22% sagen, dass eine Geburt nicht nur Frauensache ist,
• 18% möchten durch das gemeinsame Erlebnis die Beziehung zu ihrer Partnerin festigen.
Die meisten werdenden Väter (drei Viertel der Befragten) bereiteten sich gezielt auf die bevorstehende Geburt vor. Dafür zogen sie Bücher und Zeitschriften, aber auch Medien wie Fernsehen und das Internet heran. Viele nutzten auch Gespräche mit der Partnerin, Freunden und Bekannten sowie Ärzten und Hebammen, um sich vorzubereiten.
Werdende Väter befürchten im Vorfeld vor allem Komplikationen während der Geburt und das Gefühl, ihrer Partnerin nicht genug Beistand leisten zu können
Ängste und Befürchtungen der werdenden Väter drückten sich im Vorfeld hauptsächlich durch die Sorge um das Wohlergehen von Mutter und Kind aus. So wurde als häufigste Befürchtung das Auftreten von Komplikationen während der Geburt angegeben. Auch Versagensängste spielten bei vielen Männern eine große Rolle. Sie befürchteten, in Ohnmacht fallen zu können oder möglicherweise sogar zu stören. 16% der Befragten hatten Angst, während der Geburt den Raum verlassen zu müssen. Aber auch Optimisten waren vertreten: fast 17% der Männer gaben an, gar keine Befürchtungen zu haben.
Im Nachhinein haben sich allerdings nur wenige Sorgen der werdenden Väter als begründet erwiesen. So berichteten fast alle, das Gefühl gehabt zu haben, ihrer Partnerin behilflich gewesen zu sein und keiner bereute im Nachhinein, bei der Geburt dabei gewesen zu sein. Im Gegenteil: 99% gaben an, ihre Partnerin bei einer weiteren Geburt wieder begleiten zu wollen.
Als schönsten Moment während der Geburt nennen die Meisten den ersten Schrei ihres Kindes
Hinsichtlich ihrer Sexualität rechneten im Vorfeld 7% der werdenden Väter mit einem negativen Einfluss durch das Miterleben der Geburt. Als Grund dafür wurde vor allem die Befürchtung genannt, ihrer Frau beim Geschlechtsverkehr Schmerzen zufügen zu können. Auch hatten viele Männer die Vorstellung, ihre Partnerin nach der Geburt möglicherweise weniger attraktiv finden zu können.
Auffallend ist, dass die werdenden Väter, welche Befürchtungen hinsichtlich ihres späteren Sexuallebens äußerten, tendenziell auch öfter negative Erfahrungen während der Geburt machten. Nichtsdestotrotz gaben auch diese Männer an, ihre Partnerin bei weiteren Geburten begleiten zu wollen.
Entgegen der Erwartung, das Erlebnis der Geburt könnte zu einer sexuellen Beeinträchtigung führen, berichten viele Paare davon, dass sich ihre Beziehung sogar gefestigt habe. Eine positive Erfahrung bei der Geburt scheint sich also auch positiv auf die Partnerschaft auszuwirken. Infolgedessen konnten viele Paare sogar eine Verbesserung ihres Sexuallebens feststellen.
Eine Verschlechterung nach der Entbindung war hingegen meist auf das geringere Verlangen der Frau zurückzuführen. Dies kann daran liegen, dass manche Frauen in der Beziehung zum Neugeborenen eine Art Ersatzbefriedigung erfahren. Dadurch kann es zu Spannungen in der Partnerschaft kommen. Wichtig ist dabei jedoch, genau zu unterscheiden, welche Probleme möglicherweise bereits zuvor bestanden und diese nicht fälschlicherweise in Zusammenhang mit der Entbindung zu bringen.
In Anbetracht ihrer Ergebnisse raten die Verfasser der Studie dem Personal in Kreißsälen eindringlich dazu, werdende Väter in den Geburtsverlauf einzubeziehen. Ihrer Studie zufolge können dadurch aufkommende Ängste abgebaut und so dafür Sorge getragen werden, dass die Geburt zu einem positiven Erlebnis für beide Elternteile wird.