Amor-Trilogie, Band 2: Pandemonium
Autor: Lauren Oliver
Originaltitel: Pandemonium
Übersetzer: Katharina Diestelmeier
Erscheinungsdatum: 1.November 2012
ISBN-13: 978-3551582843
Verlag: Carlsen
Gebundene Ausgabe: 352 Seiten
Klappentext:
Die angepasste Lena von früher gibt es nicht mehr. Die glaubte, was man ihr sagte, und sich gegen die Liebe heilen lassen wollte. Dieses alte Ich hat Lena zurückgelassen auf der anderen Seite des Zauns, über den sie mit Alex geflohen ist. Hier, in der Wildnis, schließt sie sich dem Widerstand an. Ein Auftrag führt sie erneut in die Stadt. Und tief in ihrem Innern gibt sie die Hoffnung nicht auf, dass Alex doch noch am Leben ist. Sie muss ihn finden. Denn in ihrem Herzen lodert immer noch die Liebe.
Was für ein schönes Cover. Es gefällt mir noch besser als das des ersten Teils. Das liegt sicher an der Farbe. Dieses Blau/Türkis sagt mir persönlich viel mehr zu. Dieses Mal kann man über und über das Wort Kampf lesen. Ein Jahr habe ich auf die Fortsetzung gewartet und es hat sich gelohnt. Pandemonium ist besser als Delirium. Die Autorin hat tatsächlich eine Steigerung geschafft.
Erster Satz: Alex und ich liegen nebeneinader auf einer Decke im Garten der Brooks Street 37.
Lena schlägt sich durch die Wildnis und trifft auf Widerständler, denen sie sich anschließt. Sie kämpft mit sich selbst, denn Alex ist tot. Es kann gar nicht anders sein. Das Leben im Stützpunkt verhärtet Lena. Der ständige Überlebenskampf zerrt an ihr und feilt eine neue Lena. Sie nimmt an einer Undercovermission teil, bei der Lena wieder in das geregelte Leben der Geheilten eintaucht. Sie schließt sich zum Schein einer Organisation an, die den verfrühten Eingriff befürwortet. Der Sohn des Anführers der VDFA, Julian, will sich dem Eingriff stellen. Als Opfer, denn er wurde schon oft wegen Tumoren operiert und der Eingriff kann ihm den Tod bringen. Bei einer öffentlichen Kundgebung kommt es zu einem Überfall der Schmarotzer, einer radikalen Widerstandsgruppe, die selbst Jagd auf Lena Leute machen. Julian und Lena werden durch einen Zufall gemeinsam entführt. Der Systemgläubige Junge und das invalide Mädchen. Steckt sich Julian bei Lena an? Und schafft Lena es, den Verlust von Alex zu verkraften?
Idee: Grundsätzlich hat mich das Thema schon bei Delirium gereizt. Die Fortsetzung für sich habe ich so nicht erwartet und deshalb gefällt mir die Idee sehr gut. Aber ich will nicht spoilern, deshalb erkläre ich das nicht näher.
Plot: Jedes Kapitel wechselt in der Zeit. Es gibt “jetzt” und “damals”, wobei “damals” direkt an die Ereignisse nach dem Ende des ersten Teils anknüpft. Den Wechsel fand ich in den ersten 100 Seiten sehr gewöhnungsbedürftig, obwohl ich so was mag. Dann kam ein regelrechter Sog auf. Es wechselte teilweise recht schnell, aber so passend aufeinander abgestimmt, dass ich diese Art des Erzählens richtig toll fand. Dann flogen die Seiten dahin und es war schwer aufzuhören. Richtig gut war dabei die Einflechtung der Entwicklung von Lena, parallel zum Fortgang der Geschichte. Allerdings geht die in Bahnen, die man nicht erwartet hat. Wo man denkt: Och nö! Wieso? Dennoch hat es mir gefallen, das die Geschichte anders, als erwartet weitergeht.
Schreibstil: Beim Lesen dachte ich die ganze Zeit: Lauren Oliver hat sich gesteigert. Sofort ist mir wieder ihre tolle Bildsprache aufgefallen. Die Vergleiche mit Dingen, die man so nicht voraussieht und meist eine Metapher ergaben. Erzählt wird in der ersten Person im Präsens. Das ist man natürlich vom ersten Teil schon gewöhnt. Ein wunderschöner Stil, mit dem sich die Autorin in meinem Herzen festhält. Sicher wird die Amor-Trilogie nicht das Einzige bleiben, was ich von Frau Oliver lesen möchte.
Charaktere: Ich werde mich hier sehr auf Lena beziehen. Schon bei Delirium hat mir gefallen, dass die Protagonistin nur schwer aus ihren alten Mustern herausgetreten ist und lange mit sich rang, ob sie nun krank sei oder ob es die Deliria gar nicht gibt. In Pandemonium habe ich die, für mich, beste Charakterentwicklung seit Langem gelesen. Wenn nicht sogar die Beste überhaupt. Lenas Verzweiflung und den Kampf geht man mit ihr zusammen durch. Es fällt mir gar nicht leicht das richtig in Worte zu fassen, was da mit ihr passiert. Auch wenn mir teilweise nicht gefallen hat, was sie macht, so habe ich es doch voll nachvollziehen können. Tragisch ist vielleicht das beste Wort um es irgendwie zu beschreiben. Lena ist nicht unbedingt ein Charakter, den man mögen muss, aber dennoch ein wirklich sehr gut gelungener, sehr eigenständiger Charakter. Ihre Gefühlswelt kann man erlesen und ihr Handeln tolerieren. Ich hätte sie so gerne einfach mal gedrückt und gesagt, dass alles gut wird. Gleichzeitig war ich von ihrer Stärke beeindruckt.
Julian ist mir hingegen etwas farblos, verwirrt und naiv in Erinnerung geblieben. Die letzen Eigenschaften sind sicher so gewollt aber er war definitiv nicht so präsent wie Lena. Seine Entwicklung ist vorhersehbar, aber diese Tatsache ist klar und stört keinesfalls.
Die Nebenfiguren waren ebenfalls nicht so sehr präsent. Was schön war, das Hana immer wieder in Lenas Gedanken auftaucht. Die Erinnerungen an Alex waren eher schmerzhaft. Raven, in diesem Teil eine Art Mutterfigur für die Hauptprotagonistin spielt, sticht von den Nebencharakteren wohl am meisten heraus. Sie ist rau und hart wie die Wildnis, stellenweise skrupellos, aber auch ein Mensch mit viel Herz.
Hintergrund: Wie schon bei der Rezension für Delirium finde ich es immer noch komisch, wie sich der Glaube der Menschen so schnell verändern kann. Denn es ist ja wirklich so, als wäre es eine Verschmelzung von Religion und Wissenschaft. Das Buch Psst ist die neue Bibel. Erst vor dreiundvierzig Jahren wurde das Heilmittel gefunden. Vor vierundsechzig Jahren Liebe als Krankheit deklariert. Immer noch suche ich nach den Leuten, die das „Davor“ noch kennen und mit in die Geschichte einfließen lassen. Wenn man aber für diesen Band den Hintergrund bedenkt, ist es natürlich von Vorteil einen so kurzen Zeitrahmen zu haben. Da kann man sich gut vorstellen, dass es Widerständler gibt und Menschen, die immer in der Wildnis lebten. Auch das Einbringen der verschiedenen Gruppen, den doch radikalen VDFA-Anhängern innerhalb der Gesellschaft und den verschiedenen Gruppen von Widerständlern. So wird nicht nur schwarz-weiß gemalt. Es gibt nicht nur gut und böse. Das macht das Ganze für mich authentischer und bringt den Leser näher an die Welt.
Fazit: Viel besser als Delirium, was schon ein gelungener Auftakt war. Einer Fortsetzung sehe ich immer skeptisch entgegen, was hier absolut unnötig war. Man vermisst zwar die Auszüge aus dem Buch Psst, aber dass Frau Oliver ihren Stil doch steigern konnte, hatte ich nicht erwartet. Wer auf eine herzzerreißende Liebesgeschichte hofft, wird enttäuscht sein. Es gibt Liebe in Pandemonium, aber für mich war es eher ein Buch, in dem es um Lenas Entwicklung ging. Pandemonium ist spannend, brutal, verzweifelnd und ein Kampf. Wer mit Lena diesen inneren Kampf durchstehen möchte, muss sich auf was gefasst machen. Auch das Ende, die letzten zwei Sätze sind gemein. Ich hatte es erahnt, es dann aber zu lesen … Das hört sich jetzt vielleicht nicht unbedingt empfehlenswert an, aber das ist es! Ein so tolles, wunderbares Buch. Trotz allem Schmerz. Ich bin so auf Teil 3 gespannt. Was wird Frau Oliver aus diesem Ende machen?