Vor 90 Millionen Jahren versank in der heutigen Wüste Gobi ein Trupp junger straußenähnlicher Saurier im Schlamm eines Seeufers – ein sensationelles Zeugnis von ihrem sozialen Leben.
Aus: Spektrum der Wissenschaft, Januar 2012
Ein zusammengekrampfter Fuß an dem Dinosaurierskelett brachte eine Mitarbeiterin des Grabungsteams auf die richtige Idee: Dieses Tier war im Morast eingesunken und hatte vergeblich um sein Leben gestrampelt. Offensichtlich ereilte damals eine Reihe Artgenossen am selben Ort das gleiche Schicksal. Über 25 versteinerte Skelette zeugen von einem urzeitlichen Drama.
Die Geschichte ihrer Entdeckung und Bergung erzählt der amerikanische Paläontologe Paul C. Sereno von der Universität Chicago jetzt in der Januar-Ausgabe von "Spektrum der Wissenschaft". Sie war abenteuerlich genug: In der Inneren Mongolei Chinas, mitten in der Wüste Gobi, fand sich ein Massengrab mit bestens erhaltenen fossilen Skeletten eines wie Strauße anmutenden Dinosauriers, der den wissenschaftlichen Namen Sinornithomimus dongi erhielt. Diese Urzeitechse zählt zu den "Vogelnachahmern", den Ornithomimiden.
An diesem Fund war Verschiedenes merkwürdig. Zum Beispiel wiesen die meisten Skelette ungefähr in dieselbe Richtung, als wären alle Tiere gerade nach Südosten gelaufen. Auch ragten Füße und Beine in tiefere Gesteinslagen als der Rest – während Fossilien sonst gewöhnlich plattgedrückt in ein und derselben Schicht liegen. Auch fehlten an den bemerkenswert kompletten Skeletten oft ausgerechnet Teile des Beckens.
Diese und diverse andere Indizien bezeugen nach Ansicht der Forscher, dass all diese Tiere gleichzeitig zu Tode kamen. Sie steckten an einem Seeufer tief im Schlamm fest. Raubtiere oder Aasfresser machten sich dann über sie her, und zwar über die frei liegende Rückenpartie.
Wahrscheinlich waren diese Dinosaurier als Trupp herumgezogen und dabei miteinander in die Falle geraten. Das schließen die Forscher auch aus dem Alter der Tiere, das sie später an den Knochen ablasen. Keiner der Saurier war erwachsen gewesen, und die meisten von ihnen wurden nur ein oder zwei Jahre alt. Dass Dinosaurier Brutpflege betrieben, ist schon länger bekannt. Die neue Fundstätte erhärtet nun die Vermutung, dass die Erwachsenen ihre älteren Jungen bald sich selbst überließen. Offenbar bildeten sich dann Jugendgruppen, die allein umherzogen. Sie mussten erst ihre eigenen Erfahrungen gewinnen – manchmal zu spät.