“Was trödelst du schon wieder rum?! Jetzt zieh dich endlich an, gopfridstutz!”
“Perfekte Tochter, es ist Viertel vor acht. Wenn du jetzt nicht vorwärts machst mit Anziehen, bist du nicht bereit, wenn deine Freundinnen kommen.”
“Wenn ich sage, das Velo wird hier gestossen, dann wird es gestossen! Und wenn du jetzt nicht sofort absteigst, darfst du nie mehr mit dem Velo in den Kinderchor fahren!”
“Perfekter Sohn, ich habe Angst um dich. Es hat gerade so viele Autos, und die Fahrer sind müde kurz vor Feierabend. Und ich bin auch müde. Steig bitte vom Velo und schieb es bis zur Apotheke. Dann kannst du wieder fahren.”
“Hm? Was hast du gesagt? – Red nicht so laut! Und red mir vor allem nicht immer drein! – Ja, macht doch, was ihr wollt!”
“Kinder, mir geht es gerade nicht so gut. Ich muss immer an etwas herumstudieren und mag euch nicht so zuhören heute. Tut mir leid.”
Es lohnt sich, die nichtkursiven Sätze zu sagen.
Erstens weil es mir gut tut, kurz zu überlegen, worum es mir eigentlich geht, und was da gerade in mir hochkocht und mit so vielen Ausrufezeichen raus will. Die häufige Erkenntnis, dass ich gar nicht auf meine Kinder wütend bin und diese meine Wut deshalb auch nicht abbekommen müssen, tut der Familienstimmung gut.
Zweitens weil die Kinder dann wissen, worum es mir geht und entsprechend handeln können. Damit kann ich ihnen einen Teil der Verantwortung (oder gleich die ganze) abgeben.
Drittens weil ich meinen Kindern damit ein Vorbild bin. Ich habe es nämlich auch lieber, wenn sie mir sagen, was Sache ist, statt einfach rumzubrüllen oder um sich zu schlagen.
Auch wenn Erfahrung und Überzeugung mich zu einer Verfechterin der nichtkursiven Sätze machen, sage ich während eines Tages eine ganze Menge an kursiven. Einerseits weil ich auch in dem Punkt nicht perfekt bin, und andererseits weil sie tatsächlich auch Sinn machen in unserem Familienalltag.
Erstens ist die Familie der Ort, an dem wir sein dürfen, wie wir sind. Müde, wütend, traurig, verängstigt, abgelenkt – manchmal so sehr, dass es mit dem Reflektieren nicht klappt. Wir (er)tragen einander in diesen Momenten.
Zweitens wissen meine Kinder grundsätzlich, dass ich Gründe habe für meine Forderungen, und die müssen nicht jedes Mal und in jedem Fall wiederholt und dargelegt werden.
Und drittens besteht meine Vorbildwirkung in den Momenten darin, dass man seinen eigenen Ansprüchen nicht immer genügen kann und muss.