Pädagogischer Dienstag: Wut und Frust annehmen und gestalten

Dienstag ist Pädagogik-Tag auf “Perfektwir”. Ich schreibe über ein Thema aus den Bereichen Bildung und Erziehung oder weise auf spannende Texte und Zitate hin.

2015-06-23 10.24.15

“Nur wenn wir die Frustration annehmen, können wir sie gestalten.”

(Heinz Etter, www.vertrauenspaedagogik.ch)

“Lass dieses Buch in Ruhe. Es gehört nicht mir, ich habe es nur ausgeliehen.”

“Ich mues nume schnäll…” blätter, blätter, blätter,…

“Hör auf! Du knickst die Seiten!”

“Jo-ho! I mues nume no schnäll…” blätter,…

“Was genau hast du nicht verstanden an meiner Aufforderung, das Buch in Ruhe zu lassen?!!!”

“Nüüt. I mues ebe no schnäll…”

Innerhalb kurzer Zeit folgten zwei weitere ähnliche Szenen, und die dritte liess mich zu Rumpelstilzchen werden. Ich riss dem perfekten Sohn das Buch (ein anderes) aus der Hand, rief, er solle doch gopfridstutz einfach einmal tun, was ich sage, ohne “no schnäll” das Gegenteil zu machen, und stampfte mit dem Fuss so hart auf, dass dieser mir das noch mehrere Stunden lang übel nahm. Dann rauschte ich – immer noch schimpfend – mit dem Buch davon.

Peinlich? Klarer Fall von Überreaktion? Schon möglich. Unbeherrscht auf jeden Fall.

Der perfekte Sohn fing verständlicherweise an zu weinen, und nachdem er sich ein wenig beruhigt hatte, warf er mir schluchzend vor, ich hätte doch gesagt, er dürfe mich nicht anschreien, und nun hätte ich genau das gemacht!

“Stimmt. Weil ich so wütend bin!”

“Aber wenn ich dich nicht anschreien darf, darfst du das auch nicht!”

“Ja! Ich bin wütend! Deshalb habe ich geschrien! Geh und zieh das Pyjama an, nachher habe ich mich sicher beruhigt und wir können Frieden machen.”

Er ging nicht einfach so. Es gab wieder etwas, das er unbedingt noch “musste”, dann war das Pyjama am falschen Ort, und seine Wut hätte beinahe noch zu einem kaputten Spielzeug geführt, aber schliesslich war es so weit. Er war im Pyjama, und meine Wut war verraucht.

“Für mich ist es wieder gut”, sagte ich und nahm ihn in den Arm.

“Für mich auch. Ich weiss auch nicht, warum ich noch weine.”

“Weine du nur, bis du fertig bist. Frieden?”

“Ja.”

Ich weiss nicht, ob Herr Etter an solche Szenen gedacht hat, als er obiges Zitat formulierte, aber für mich passt es.

Ich habe gelernt, dass ich im Familienalltag nicht ohne Frustration und Wut auskomme. Manchmal übermannen sie mich. Anstatt “professionell beherrscht” darauf zu reagieren und sie zu verdrängen, bis es nicht mehr geht (und irgendwann geht es sowieso nicht mehr!), nehme ich sie lieber in dem Moment an, in dem sie auftauchen.

“Hallo Frust, wo kommst du denn jetzt her?”

“Hey Wut, auf dich habe ich gewartet!”

Manchmal gelingt es mir, sie zu begrüssen, anzunehmen und wieder loszulassen, ohne dass mein Umfeld viel davon merkt.

Manchmal brauche ich eine Cola.

Manchmal brechen sie sich heftig Bahn. Das ist meistens nicht schön und wirkt von aussen betrachtet wohl gern ziemlich übertrieben. Egal. Ein verschleppter Frust und eine unterdrückte Wut brechen sich irgendwann noch viel heftiger Bahn, und was dann folgt, löst sich meistens nicht so schnell und vergleichsweise unkompliziert wie die Sache vorgestern.

Ich weiss unterdessen: Verdrängte und vernachlässigte Gefühle führen zu viel heftigeren und schmerzhafteren Szenen, als ein spontaner, “peinlicher” Ausbruch meinerseits.

Wahrscheinlich meint Herr Etter mit “die Frustration gestalten” nicht unbedingt einen Auftritt als Rumpelstilzchen.

Selber meine ich auch, dass es noch konstruktivere Gestaltungsmöglichkeiten geben müsste.

Wir sind alle Lernende…



wallpaper-1019588
Ninja to Koroshiya no Futarigurashi: Manga erhält eine Anime-Adaption
wallpaper-1019588
[Manga] H.P. Lovecrafts Der leuchtende Trapezoeder
wallpaper-1019588
Gemüsebeet in Mai: Diese 10 Gemüse kannst du jetzt pflanzen
wallpaper-1019588
Faszination Las Vegas – Tipps und Reiseempfehlungen