Pädagogischer Dienstag: „Mutter sein“ statt „Handeln wie eine perfekte Mutter“ – Link zu Gordon Neufeld

Von Perfektwir

Heute – weit unten auf der Seite – der Link zu einem Interview mit Gordon Neufeld, Entwicklungspsychologe und „führende Autorität auf dem Gebiet kindlicher Entwicklung“ (www.neufeldinstitute.de/prof-dr-gordon-neufeld). Sein grosses Thema ist die Bindung zwischen Eltern und Kindern, und ich finde, er sagt in untenstehendem Interview eine Menge kluge und hilfreiche Sachen dazu.

Ich habe mir in den letzten Wochen immer wieder Gedanken gemacht darüber, wie viel Elternpräsenz Kinder brauchen, resp. von welcher Art diese Präsenz sein soll. Oder etwas konkreter: Wie viel Präsenz und Aufmerksamkeit von mir tut meinen Kindern gut? Was brauchen sie? Was ist zu viel? Was passiert, wenn sie nicht genug davon haben? Wie viel vom „Must have“ der Kinder an Aufmerksamkeit kann jemand anders als ich übernehmen (Papi, Grosseltern, Gotti/Götti, Lehrerin, Gspänli,…)? Wie viel davon SOLL jemand anders übernehmen? Was passiert, wenn ich mehr gebe, als ich eigentlich mag? Wie merke ich den Unterschied zwischen Aufmerksamkeit-Geben und Helikoptermami-Sein?

Fragen, die mich nicht umtreiben, weil es ganz schlecht läuft bei uns, sondern weil es ganz gut läuft. Ich möchte gern festhalten können, was gut läuft. Was es ausmacht, dass wir uns gerade alle vier grundsätzlich wohl fühlen in der Familie (diese Aussage ist von mir, ich habe bei den anderen Familienmitgliedern nicht konkret nachgefragt…). Auch wenn ich weiss, dass es kein Rezept für ein befriedigendes Familienleben gibt, wäre es schön, in ein paar Sätzen sagen zu können, was uns zurzeit zufrieden macht. Was mich zufrieden macht.

Gordon Neufeld sagt im Interview nicht nur ein paar Sätze. Er sagt viele Sätze zu Bindung, Beziehung, Hierarchie, Entwicklung. Dabei  sagt er einen Satz, der ganz besonders zu meinen obenstehenden Gedanken passt:

So wandelte sich die Idee der Elternschaft, der «parenthood», in ein Konzept des «parenting», des elterlichen Handelns. Aus einem Sein wurde ein Tun.

Mir geht es gut, wenn ich BIN. Wenn ich mir nicht überlege, was jetzt die ideale Mutterhandlung wäre, sondern wenn ich überlege und spüre, was mir jetzt wichtig ist. Dabei spielt es für meine Überlegungen und Gefühle natürlich eine Rolle, dass ich die Mutter der Kinder bin.

So kann ich den Kindern am einen Tag stundenlang vorlesen, weil es geniesse, Zeit mit ihnen und dem Vorlesebuch zu verbringen, und an einem anderen Tag höre ich nach zwei Kapiteln auf. Weil mir eine Pflicht im Nacken sitzt, die ich erledigen möchte. Oder weil ich die Nähe von zwei kuschelnden Kindern nicht länger geniesse. Oder weil ich lieber in meinem eigenen Buch weiterlese. Und wenn die Kinder meine Entscheidung nicht akzeptieren, kann ich nachgeben oder auf meinem Nein beharren – so, wie es für mich als Mutter und als Mirjam gerade passt. Ohne mich zu hintersinnen, ob jetzt „konsequent sein“ oder „auf die Wünsche der Kinder eingehen“ pädagogisch richtig ist.

Nicht mütterlich handeln, sondern Mutter sein. Damit fühle ich mich gut, und – eben – ich behaupte, auch die Kinder fühlen sich gut so.

Gordon Neufeld führt natürlich noch viel genauer aus, welche Folgen diese Haltung für die Beziehung zu den Kindern hat. Und vielleicht wird euch ja etwas ganz anderes wichtig aus dem Interview mit ihm. Auf jeden Fall empfehle ich, es zu lesen:

Der Bund vom 7. Oktober 2016: „Es gibt eine Epidemie von Alphakindern“ – Entwicklungspsychologe Gorden Neufeld kämpft dafür, Eltern die Autorität und Kindern die Elternliebe zurückzugeben.

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