Pädagogischer Dienstag: Lernen ist (auch) üben

“Wenn wir etwas Neues lernen, so müssen wir darauf zunächst einige Mühe verwenden. In unserem Gehirn sind die optimalen Verarbeitungsstrukturen nicht von Anfang an verfügbar, sondern diese ergeben sich erst nach verschiedenen Versuchen. Die optimale Strategie wird beibehalten und durch viele Wiederholungen gefestigt, so dass sie immer leichter verfügbar wird.”

Aus “Buchner, Christina – Der Räuber Thalamus und andere Geschichten”

Lernen und üben. Wiederholen und festigen. Aktuelle Themen bei uns, denn die perfekte Tochter hat zurzeit Einiges zum Üben:

  • Lesen (um den goldenen Mittelweg zu finden aus stockendem Erlesen und grosszügigem Überfliegen der einzelnen Buchstaben)
  • Flöte spielen (damit aus den Noten auf dem Blatt die richtigen Töne werden)
  • Das Einmaleins (weil der Lehrplan es so will und die Erwachsenen in ihrem näheren Lernumfeld es praktisch finden, wenn man es kann)

2016-03-29 10.27.39

Wir machen unterschiedliche Erfahrungen mit dem Üben:

Am Einfachsten ist es mit dem Flötespielen. Die Flötenlehrerin gibt der perfekten Tochter eine Aufgabenmenge, die sie bewältigen kann, und nach einer Woche kann sie überprüfen, ob das Üben erfolgreich war. Nach einem guten halben Jahr als Flötenschülerin weiss die perfekte Tochter, dass sie regelmässig üben muss (d.h. an fünf oder sechs Tagen in der Woche je eine Viertelstunde) , dass sie sich auf Fortschritte verlassen kann (d.h. nicht panisch werden muss, wenn es am zweiten Tag noch nicht gut tönt), und dass sie ihrer Lehrerin gefahrlos sagen kann, wenn sie zu wenig geübt hat oder die Stücke zu schwierig waren. Es macht nicht immer Spass, es gibt manchmal Frustanfälle, doch im grossen Ganzen ist es ein lustvolles und erfolgreiches Üben.

Lesenüben ist schwieriger. Erstens ist es eine Aufgabe, die wir Eltern der perfekten Tochter gestellt haben und die niemand überprüft, und zweitens ist der Erfolg weniger messbar. Am besten ging es, als der perfekte Ehemann (der diszipliniertere Elternteil) regelmässig mit ihr übte, doch als der spannende “Räuber Hotzenplotz” fertig war, fielen sie gemeinsam in ein Motivationsloch. Nach einer Übungspause habe ich nun wieder Anlauf genommen, mit der perfekten Tochter zu lesen, und stelle mit Freuden fest, dass Papi und Hotzenplotz viel Schwung in die Sache gebracht haben. Dass die Lehrerin der perfekten Tochter anfängt, sanft Druck zu machen, mehr mit “Antolin” (ein Leseförderungsprogramm am Computer) zu arbeiten, hilft zusätzlich, am Thema dran zu bleiben. Sehr hilfreich ist auch der Einsatz der Bibliothekarinnen in unserer Dorfbibliothek – wenn sie neue Bücher haben, die zur perfekten Tochter passen könnten, teilen sie ihr dies sofort mit.

Das Üben des Einmaleins ist ganz schwierig, trotz des grossartigen Erfolgs im Garten (Der erste Frühlingstag). Die perfekte Tochter weigert sich, freiwillig zu üben und hält es mit Pippi Langstrumpf, die “Plutimikation” komplett unnötig findet. Ich würde sehr gern spielerisch mit ihr Malrechnen, bin aber kein bisschen motiviert, sie dazu zu nötigen. Wahrscheinlich sind wir auch da darauf angewiesen, dass die Lehrerin irgendwann sanften Druck macht (oder dass schlechte Mathenoten unsanften Druck machen). Und vielleicht ist es nicht die Zeit zum Matheüben, und irgendwann kommt die Motivation von selber (das gibt es!).

Ich kann meinem Kind das Üben nicht abnehmen, sein Gehirn muss die Leistungen selber erbringen. Ich kann es aber dabei unterstützen, indem ich:

  • es erinnere, zu üben, oder mit ihm Erinnerungshilfen suche
  • es motiviere
  • mit ihm durchhalte
  • mit ihm Erfolge feiere
  • auch kleine Erfolge wahrnehme
  • mit ihm ausprobiere, wie, wo und wann das Üben am besten geht
  • das “Übungsfuder” nicht überlade
  • Fehler und Rückschläge als Teil des Lernprozesses ansehe
  • ihm Verantwortung übergebe
  • sein Lernen nicht zu meinem mache
  • jemand anderen als Lernunterstützung hinzuziehe
  • es ermuntere, Pausen zu machen

Es war vor zwei Wochen, da musste die perfekte Tochter als Hausaufgabe Einmaleins-Aufgaben lösen. Viele Aufgaben. Sie arbeitete vor dem Nachtessen und nach dem Nachtessen, ich griff tief und tiefer in die pädagogische Trickkiste, und schliesslich merkte ich: Es reicht jetzt! Die Mutter in mir hatte genug davon, dass die Plutimikation unser ganzes Abendprogramm bestimmte, und die Lehrerin in mir warnte davor, Lerninhalte mit negativen Gefühlen wir Frustration und Streit mit der Mutter zu verknüpfen. Wir schrieben einen Zettel für die Lehrerin, auf dem wir versprachen, die perfekte Tochter würde am nächsten Tag weiterrechnen. Was wir dann im Garten taten.

Dazu noch einmal ein Zitat aus Christina Buchners “Räuber Thalamus und andere Geschichten”:

“Wir lernen und arbeiten besser und erfolgreicher, wenn wir mit unserer Tätigkeit…

positive Gefühle verknüpfen,

wenn sie uns interessant und abenteuerlich vorkommt,

Freude und Anerkennung vermittelt,

unsere Position in der sozialen Gemeinschaft stärkt,

uns vielleicht sogar Liebe und Zärtlichkeit einbringt

wenn wir uns ihr in Geborgenheit, Sicherheit und Ruhe widmen können.”

Wir üben weiter. Die perfekte Tochter Lesen, Flöte spielen und das Einmaleins, und ich, wie ich mein Kind durch sein Lernen begleiten kann.

Erinnerungshilfe!

Erinnerungshilfe an der Zimmertür



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