Dienstag ist Pädagogik-Tag auf “Perfektwir”. Ich schreibe über ein Thema aus den Bereichen Bildung und Erziehung oder weise auf spannende Texte und Zitate hin.
“Blöder perfekter Bruder”, stand auf der Kinderschultafel, die genau vor der Treppe platziert war, sodass man nicht anders konnte, als über sie zu stolpern, wenn man in den oberen Stock wollte. Und zu lesen, was drauf stand.
Die Verfasserin des Textes sass seelenruhig am Pult und malte. Ich schob die Tafel genau so seelenruhig zur Seite, versorgte die Wäsche in den Schränken und ging wieder nach unten.
Was war passiert?
Der perfekte Sohn hatte sich nach dem Mittagessen zurückgezogen und ein ruhiges Spiel angefangen. Er musste am Nachmittag noch einmal in den Chindsgi, ich war froh, dass er sich noch etwas Ruhe gönnte vorher. Die perfekte Tochter hingegen wollte keine Ruhe. Sie wollte mit ihrem Bruder spielen und zwar genau auf die Art, auf die sie gerade Lust hatte. Er wollte das nicht. Es gab Geschrei und Gezanke.
“Lass ihn bitte ihn Ruhe”, bat ich, um einige Minuten später laut zu sagen: “Es ist mir wichtig! Er soll jetzt ein paar ruhige Minuten haben, bevor er wieder geht. LASS IHN IN RUHE!”
Sie schrie auf, fegte die Legoeisenbahn zur Seite und lief heulend in den oberen Stock.
Ich half dem ebenfalls heulenden Sohn, die Eisenbahn wieder aufzubauen, liess ihn weiterspielen und ging nach oben, um Wäsche zu versorgen.
Und sah die Tafel.
“Blöder perfekter Bruder”. Schriftlich festgehalten. Der Welt (oder doch zumindest der Mutter) kundgetan. Losgelassen. Sodass sie seelenruhig am Pult sitzen und malen konnte.
Ziemlich cooler Umgang mit Wut und Frust, fand ich.
Und doch hatte ich ein Ziel, als ich nach unten ging: Der perfekte Sohn sollte die Tafel nicht sehen. Ich fand es nicht nötig, ihm erneut Wut und Frust zu verschaffen deswegen.
“Perfekte Tochter!”, rief ich nach einer Weile, “wir spielen noch fünf Minuten das Drachenspiel auf meinem Handy. Wenn du die Tafel geputzt hast, kannst du runterkommen und mitspielen.”
Was sie beides machte.
Ich zitiere hier gern noch einmal Heinz Etter und weise auf meinen Pädagogischen Dienstag vom 23. Juni hin:
“Nur wenn wir die Frustration annehmen, können wir sie gestalten.”
(Heinz Etter, http://www.vertrauenspaedagogik.ch)
P.S. Dass die perfekte Tochter schon vor zwei Jahren ziemlich kreative Problemlösungsstrategien hatte, habe ich übrigens gerade hier nachgelesen!