Pädagogischer Dienstag: Frühzeitige Einschulung JA und doch NEIN, Teil 5

Im letzten Teil meiner Serie zu frühzeitiger Einschulung kommt noch einmal ein neuer Aspekt dazu. Die Eltern, deren Antworten ihr heute lesen könnt, beantworteten die Frage nach einer frühzeitigen Einschulung ihrer Tochter mit ja. Und dann kam es dennoch anders.

Die beiden sind Freunde von mir und Eltern von drei Kindern.

2015-11-03 10.55.11

Anstoss

  1. Aus welchen Gründen wurde die frühere Einschulung eures Kindes ein Thema?

Weil sich unsere Tochter nach drei Wochen im 2. Kiga dermassen langweilte, dass wir dachten, dass dies ein Weg wäre, der Langeweile abzuhelfen.

  1. Wer hat das Thema zuerst angesprochen (Eltern, Kindergärtnerin, Kind, aussenstehende Person, Fachperson wie Schulpsychologe, Heilpädagogin,…)?

Das Kind, wir haben aber dann erfahren, dass es bei den Kindergärtnerinnen bereits vor den Sommerferien ein Thema war, worüber wir aber nicht informiert wurden.

  1. Zu welchem Zeitpunkt wurde die frühere Einschulung ein Thema?

Drei Wochen nach den Sommerferien im 2. Kiga.

Entscheidungsfindung

  1. Welche Aspekte habt ihr bei der Entscheidung berücksichtigt (z.B. in den Bereichen Entwicklung, Umfeld, Zeitpunkt,…)?

Es ging besonders um den Zeitpunkt. Wir als Eltern konnten es uns nicht vorstellen, unsere Tochter noch EIN JAHR mit langweiligem Alltag auszuhalten.

  1. Wer wurde alles in die Entscheidungsfindung miteinbezogen?

Kindergärtnerin, Heilpädagogin, Schulleitung, Schulpflege

  1. Bei wem habt ihr euch Rat geholt?

Schulinspektorat, andere Berufskollegen, Supervisorin, Freunde.

  1. Habt ihr das Kind in die Entscheidungsfindung miteinbezogen? Wenn ja, wie?

Wir haben mit ihr die verschiedenen Wege diskutiert und wollten ihre Meinung dazu haben.

  1. Was sprach aus eurer Sicht für eine frühzeitige Einschulung?

Sie kann lesen, hat sich die Uhrzeit selbst beigebracht und hat angefangen zu schreiben. Ausserdem zeigt sie grosses Interesse, was ihr älterer Bruder da so lernt in der ersten Klasse.

  1. Was sprach dagegen?

Dass ihr Bruder soeben mit der ersten Klasse gestartet war und sich alle darum sorgten, dass es ein Konkurrenzverhalten gäbe, wenn diese beiden Kinder miteinander in dieselbe Klasse gingen. Was aus unserer Elternperspektive jedoch nicht so gewichtet wurde, resp. wir der Meinung waren, dass wir dies zuhause auffangen könnten.

Die Schule sah dies anders. Sie wollten unsere Tochter in die Parallelklasse stecken. Dies war aber von unserer Seite her ein absolutes „No Go“, da wir mit der Familie dieser Lehrperson sowohl privat wie auch beruflich verbunden sind, auf eine Art und Weise, die eine professionelle Distanz schwierig oder evt. sogar unmöglich gemacht hätte. Dieses Risiko waren wir nicht bereit, auf uns zu nehmen.

  1. Wir wurdet ihr unterstützt durch Kindergarten und Schule?

Bezüglich frühzeitiger Einschulung ohne Probleme, bezüglich Lehrperson und Klassenwahl kam kein Verständnis.

  1. Habt ihr etwas vermisst, das euch die Entscheidung leichter gemacht hätte?

Nein, es war eine interessante Erfahrung, einmal in die Schulmühle Einblick zu nehmen. Und dass in Ausnahmefällen, wie es bei uns einer war, halt doch keine Risiken eingegangen werden, sondern die schulinternen Entscheidungen so ausfallen, dass es möglichst keinen Schaden gibt. Dies entspricht nicht ganz unserer Philosophie. Wir vertreten eher die Ansicht: den Mutigen gehört die Welt. Und dazu macht es auch Sinn, manchmal einen anderen Weg einzuschlagen als den, der möglichst wenig Schwierigkeiten verspricht.

Die Entscheidung

  1. Gab es ein bestimmtes Kriterium, das den Ausschlag für die Entscheidung gegeben hat? Wenn ja, welches?

Wir sind mit der Lehrperson und deren Familie privat wie beruflich so verbandelt, dass wir uns eine Eltern-Lehrerrolle nicht noch aufbürden wollten. Das Bauchgefühl hat auf ROT geschaltet. Und aus beruflichen Gründen wäre dies absolut unprofessionell gewesen.

  1. Falls es kein bestimmtes Kriterium gegeben hat: Welche Summe an Kriterien haben zum Entscheid geführt?

  1. Wart ihr euch als Eltern einig?

Ja.

  1. Waren Eltern, Kindergärtnerin und andere Fachpersonen sich einig?

Bezüglich der Einschulung war alles klar, jedoch bei der Wahl der Lehrperson überhaupt nicht.

  1. Wer hat den definitiven Entscheid gefällt?

Wir. Nachdem die Schulpflege entschieden hatte, dass unsere Tochter doch zur mit uns zu sehr verbandelten Lehrperson eingeteilt wird, haben wir nochmals das Gespräch gesucht mit dem Schulpflegepräsidenten. Worauf es nochmals in eine neue Runde ging bei der Schulpflege – diese jedoch bei ihrem Entscheid blieb.

Nun hätte es noch eine Möglichkeit gegeben, Rekurs einzulegen vor dem Schulrat des Kantons. Diese Idee haben wir aber verabschiedet, da es eine Woche vor den Herbstferien war und wir das Bedürfnis hatten, entspannt in die Ferien zu gehen. Ausserdem gewichten wir als Eltern die schulische Entwicklung weniger als die emotionale und mentale. Daher verspürten wir keinen Drang, es doch noch „durchzuboxen“.

Nach der Entscheidung

  1. Wie geht es eurem Kind jetzt?

Tipptopp.

  1. Welche positiven Auswirkungen seht ihr aufgrund des Verbleibes im Kindergarten?

Sie kann noch ein Jahr entspannen und sich ihrer emotionalen/mentalen Entwicklung widmen, die da heisst: wie gehe ich um mit den nervigen Zickereien unter Mädchen? Heute beste Freundin und morgen die dümmste Kuh. Ausserdem lernt sie gerade damit umzugehen, wie es ist wenn ihre Freundin wegzieht und die tolle Kindergärtnerin für zwei Monate Urlaub macht. Und dies ist aus unserer Perspektive definitiv das lebensnahere und prägendere Lernen als Rechnen, Schreiben und Lesen etc.

Zuhause sind wir mehr engagiert, damit sie da ihre Herausforderungen hat, wie zum Beispiel Projekt „Meerschweinchen“.

  1. Welche negativen Auswirkungen seht ihr?

Dass wir möglicherweise in einem Jahr wieder am selben Punkt stehen werden. Nur wird es dann darum gehen, in die zweite Klasse zu wechseln. Oder eine andere Schulmöglichkeit zu entdecken.

  1. Das Thema „frühzeitige Einschulung“ wurde aus bestimmten Gründen aktuell (s. Punkt 1). Hat sich in diesen Punkten etwas geändert?

Nein, ausser dass sie sich selber nun auch noch rechnen beibringt.

  1. Wenn ihr zurückschaut: Gibt es einen Aspekt, den ihr aus heutiger Sicht stärker berücksichtigen würdet?

Wir würden uns anders auf ein Gespräch mit der Schulleitung vorbereiten.

  1. Gab es im Gegenzug Aspekte, denen ihr zu viel Gewicht eingeräumt habt?

Uns wurde klar, dass Schulstoff nicht alles ist. Es gibt schliesslich noch andere Herausforderungen zu meistern, die einen Menschen wachsen und sich entwickeln lassen, nämlich emotional und mental. Und dies gewichten wir grundsätzlich mehr als Lesen, Schreiben und Rechnen. Und dass ein bisschen Langeweile auch enorme Kreativität hervorbringt, da das Kind (der Mensch) für sich neue Ideen entwickeln „muss“, denn in einem allzu-lange-langweilig-Zustand hält es niemand aus :-). Und da dies im Kindergarten noch gut möglich ist, bringt dies doch einen grossen Mehrwert für unsere Tochter.

Verschiedenes

  1. Ist euer Kind ein Mädchen oder ein Junge?

Mädchen ( Prinzessin und Göre :-) )

  1. Wo steht das Kind in der Geschwisterfolge?

Sandwich, Zweitgeborene.

  1. Waren eine frühere Einschulung oder das Überspringen einer Klasse ein Thema während der Schulzeit von einem oder beiden Elternteilen?

Ja, der Papa hatte einen Eintrag im Zeugnis „auffälliges Verhalten“, da es ihm sehr langweilig war in der ersten Klasse. Die Mama ist immer mit einem Jahrgang älter als sie in die Klasse gegangen, 1984 mit 1983.

  1. Habt ihr in eurem Umfeld Kinder, die übersprungen haben?

Leider nein, da unser Umfeld noch keine schulpflichtigen Kinder hat.

  1. Wir reagierte euer Umfeld auf das Thema?

Das haben wir gar nicht so sehr involviert. Die Groseltern sind beide Pädagogen und haben dies sehr entspannt gesehen. Ausser der Warnung, unsere Kinder nicht in dieselbe Klasse zu stecken, hörten wir nicht viel dazu.

  1. Was möchtet ihr unbedingt noch sagen?

Chillt sie mal! Leisten und Pflicht erfüllen können die Kinder noch ein Leben lang – mit Freude lernen, so wie es sich gut anfühlt und in einem eigenen Tempo, mit Themen die sie begeistern, ist leider in der Volksschule nicht im Trend. Lebendiges und effektives Lernen fürs Leben lernen unsere Kinder nicht durch das Vermitteln von Schulstoff – leider.

Herzlichen Dank für eure offenen Antworten. Ich wünsche eurer Tochter ein kreatives Kiga-Jahr und weiterhin viel Freude beim Selberlernen!

Mit diesem Beitrag beende ich die Reihe “Frühzeitige Einschulung, ja oder nein”. Ich hoffe, die Interviews haben interessierten Eltern und Lehrpersonen einen Einblick gegeben, welche Kriterien für den Entscheid eine Rolle spielen können und wie wichtig es ist, individuell vorzugehen und zu entscheiden.

Hier noch einmal die Links zu den anderen vier Teilen:

Teil 1: Frühzeitige Einschulung ja oder nein, Einführung

Teil 2: Frühzeitige Einschulung JA oder nein

Teil 3: Frühzeitige Einschulung ja oder NEIN

Teil 4: Frühzeitige Einschulung JA oder nein von Mädcheneltern



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