Overkill

Von Denkbonus

Es ist an der Zeit, an einen Begriff aus Zeiten des kalten Krieges zu erinnern, der offenbar etwas in Vergessenheit geraten zu sein scheint. Der nukleare Overkill ist dann erreicht, wenn das vorhandene Waffenpotential ausreicht, um den gesamten Planeten zu entvölkern. Wir haben einen zigfachen Overkill, könnten also jeden Menschen auf diesem Planeten mehrfach töten

Zu wenig Menschen auf der Erde

Bild - Wikipedia

Die Theologin Uta Ranke-Heinemann fasste diesen Irrsinn 1981 anlässlich einer Rede in Worte. Sie fragte, woher die aberwitzige Anzahl von 100 Milliarden (nicht Millionen) Menschen denn herkommen solle, so man diese denn umzubringen gedenke? An Waffen, so die Theologieprofessorin, bestände ja kein Mangel, vielmehr reiche die Zahl der zu vernichtenden Menschen offenbar nicht aus. Nach ihr hatte dies wohl nie wieder jemand so treffend auf den Punkt gebracht.

Der spaltbare Tod

Wer weiß eigentlich, was ein nuklearer Holocaust an der Menschheit tatsächlich bedeutet? Die einzigen, die es wissen, sind längst tot. Überlebende aus Hiroshima und Nagasaki sind heute nur noch schwer zu finden. Sie sind alle an Krebs gestorben. Hier ein kleiner Vorgeschmack:

Die Opfer wahnsinniger Atombombenwerfer sterben entweder durch Hitze, die Druckwelle oder die radioaktive Strahlung in eben dieser Reihenfolge. Nachdem im Explosionsblitz alles verbrannt ist, dazu zählen auch die Netzhäute jener, die das Pech hatten in den Blitz zu blicken, folgt eine ungeheuerliche Schockwelle, die alles im Umkreis von vielen Kilometern hinwegfegt. Zurück bleibt ein Vakuum, indem alles erstickt was noch lebt. Die Luft die in das Vakuum zurückströmt, fegt als zweite Schockwelle nochmals alles hinweg. Jetzt erst kommt mit dem Fallout die radioaktive Strahlung zum Zuge, die, falls tatsächlich noch irgendwo etwas leben sollte, zuverlässig ihren Dienst erfüllt.

Sehen wir uns das Nuklearpotential dieser wunderschönen, blauen und vor allem schwerbewaffneten kleinen Kugel einmal an.

Auf Platz drei, die Atomstaaten Frankreich mit 300 Sprengköpfen, China mit 240 und Großbritanien mit 185 Massenvernichtungswaffen, dicht gefolgt von Israel mit 80 Atomwaffen, Pakistan und Indien mit jeweils 60 nuklearen Sprengköpfen. Weit abgeschlagen am Schluss Nordkorea mit etwa 10 Bomben.

Es folgen auf Platz zwei die USA. Diese haben seit 1945 ungefähr 70 000 Kernwaffen in 70 unterschiedlichen Ausfertigungen produziert. Darunter ist von der kleinen, auch Mini-Nuke genannten Atommine, bis hin zur Wasserstoffbombe mit einer Sprengkraft von mehreren Megatonnen alles vorhanden. Derzeit verfügt die US- Army über etwa 9400 Sprengköpfe. Atomwaffen kann man nicht einfach vergraben und warten, ob man sie braucht. Sie müssen ständig kontrolliert und gewartet werden, was eine Menge Geld kostet. Ältere Modelle werden daher abgewrackt und wiederverwertet.

Der erste Platz geht mit großem Vorsprung an Russland. Die ehemalige Sowjetunion hat, seit sie 1949 ebenfalls zur Atommacht wurde, geschätzte 55 000 Atomwaffen hergestellt. In diesem Zeitraum hat sie mehr als 700 Atomwaffentest durchgeführt. Das Thorium, welches sie dabei in Umlauf gebracht hat, ist in den Knochen aller Menschen nachweisbar, die vor den siebziger Jahren geboren wurden. Dort ist auch das Thorium von Großbritanien, Frankreich und den USA nachweisbar. Heute verfügt Russland über 13 000 Gefechtsköpfe.

Wieviele Atomsprengköpfe es tatsächlich weltweit gibt, weiß kein Mensch. Es liegt jedoch eine Zahl vor. Laut der ‘Federation of American Scientists’ liegt die Zahl bei mehr als 23 300 nuklearen Sprengköpfen, verteilt über den gesamten Globus. Über die Höhe der Gesamtsprengkraft aller Gefechtsköpfe gehen die Zahlen auseinander. Sie liegt zwischen 7 500 und 20 000 Megatonnen. Bereits der untere Wert entspricht etwa einer Tonne TNT für jeden einzelnen Menschen auf diesem Planeten. Um einen Menschen in die Luft zu sprengen, genügt ein Gramm TNT: So gerechnet läge der tatsächliche Overkill auf diesem Planeten bei weit über 1000.

Doch damit nicht genug. Durch derart zahlreiche nukleare Explosionen würden ungeheuerliche Mengen Staub bis in die höchsten Luftschichten gewirbelt werden und sich wie eine Glocke um den Planeten legen. Das Sonnenlicht würde von dieser Abschirmung ins All zurückreflektiert werden. Das Klimaproblem wäre damit gelöst. Die Erde würde für Jahrzehnte, vielleicht sogar für Jahrhunderte unter einem meterdicken Eispanzer verschwinden. Keine Sorge, niemand bräuchte solange zu warten. Ohne Licht keine Pflanzen und ohne Pflanzen kein Leben. Sie sagen nicht viel, aber sie ernähren uns.

Winter ist blöd, daher hat das Pentagon Mini-Nukes erschaffen. In der Hoffnung, so keine unmittelbare nukleare Gegenreaktion zu provozieren, aber blöd genug, um nicht zu erkennen, dass nuklear nun eben nun einmal nuklear ist. Und das eine Atommacht nicht entsprechend antwortet, wenn auf ihrem Territorium eine fünf bis zehn Kilotonnen Mini-Nuke hochgeht, ist wohl eher auszuschließen. Tatsächlich jedoch ist der nuklearer Krieg bereits im Gange.

Ein hochgefährlicher Stoff

Erstaunlicherweise war es ein amerikanischer Stratege, der auf die Idee kam, man könne Atommüll auch nutzbringend einsetzen, indem man ihn zu Geschossen verpresst und dann damit auf Menschen schießt. Die Rede ist von Depleted Uranium (DU), also von abgereichertem Uran. Bei diesem Prozess wird Uran in eine Zentrifuge gegeben. Durch die Fliehkraft wandern die schwereren Anteile des Metalls nach außen, während die leichteren Anteile sich innen sammeln. Die leichtere Fraktion aus dem Bereich nahe des Drehzentrums ist das DU. Für die Produktion von Brennstäben ist es nutzlos. Es wiegt jedoch 1,8 soviel wie Blei und ist daher geeignet, um panzerbrechende Geschosse daraus zu fertigen. Diese Geschosse durchschlagen jede Panzerung, als sei sie aus Butter. Dabei zerplatzen sie in winzige Nanopartikel, wandern mit dem Wind und dem Regen und verseuchen so weite Landstriche. Die dortige Bevölkerung wird auf diesem Wege langfristig ausgerottet, da Miss- und Fehlburten die Folge sind. Diese völlig pervertierte Waffe hat es mittlerweile zum Standardmodell gebracht. So enthält jeder Tomahawk-Marschflugkörper zur Flugstabilisierung 3 Kilogramm DU in seinen Flügeln, bunkerbrechende Tomakawks sogar 400 Kilo. Hinzu kommt die kleinkalibrige DU- Munition, die beispielsweise von A-10 Thunderbolts und vermutlich auch von Helicoptern aus in riesiger Stückzahl verfeuert wird. Nicht nur die USA verwenden diese Munition. Auch Großbritanien und Frankreich haben DU-Munition in Libyen zuhauf verschossen. Über tausende dieser Raketen wurden auf zivile Ziele abgefeuert, das eigentlich große Sterben in Libyen hat noch gar nicht begonnen.

Die Organisation ‘Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges’, kurz IPPNW genannt, beruft sich auf das ‘Centre for Research on Globalization’. Dort arbeitende Wissenschaftler hatten in Libyen vor allem an Kraterrändern die verräterischen, radioaktiven Isotope gefunden, die auf einen NATO-Einsatz von Uranmunition zurückzuführen sind. Nun fordert die IPPNW eine unabhängige Untersuchung der Vorwürfe unter Einbeziehung kritischer Wissenschaftler durch das ‘Umweltprogramm der vereinten Nationen’ (UNEP). Sabine Farrouh, Vorstandsmitglied der IPPNW, erklärte ohne Umschweife: „Der mögliche Einsatz von Uranmunition widerspricht eklatant den angeblichen Zielen des Schutzes der Zivilbevölkerung. Über die tödliche Wirkung hinaus, führt der Einssatz zu langfristigen, schwerwiegenden Gesundheitsschäden. Daher muss Uranmunition geächtet werden.“ Bislang ist nichts von einer derartigen Untersuchung bekannt geworden. Offenbar soll in Libyen vertuscht werden, dass heutzutage keine einzelnen Menschen mehr ausgerottet werden, sondern ganze Staaten.

Anders sieht es im Irak aus. Dort sind die Folgen der radioaktiven Versuchung inzwischen unübersehbar. Einem Statement des ehemaligen britischen Verteidigungsminister Liam Fox zufolge, soll England während des Irakkrieges 1,9 Tonnen abgereichertes Uran eingesetzt haben. Und es kommt noch schlimmer. Allem Anschein nach wurde dort sogar angereichertes Uran eingesetzt. Bei der Zentrifugierung des Urans wandert das darin enthaltene U-235 nach außen und somit in den angereicherten Anteil hinein. U-235 ist in abgereichertem Uran nicht nachweisbar. Das ist es hingegen in Falludscha, einer Stadt im Herzen des Iraks. Dort muss also während der Angriffe angereichertes Uran verschossen worden sein, aus dem Kernbrennstoffe und Atombomben hergestellt werden und dies mit verheerenden Folgen für die dortige Zivilbevölkerung. Laut der deutschsprachigen, iranischen Nachrichtenagentur german.irib gibt es ohnehin schon mindestens eine Missgeburt in jeder irakischen Familie. In Falludscha hingegen sterben die Menschen aus. Von tausend Säuglingen sterben mehr als 80 und die Leukämierate ist dem englischen Wissenschaftler Dr. Christopher Busby zufolge knapp dreimal so hoch wie seinerzeit in Hiroshima.

In welche Abgründe wir in den Hirnen der Verantwortlichen blicken zeigt die Antwort des britischen Verteidigungsministers Liam Fox auf eine Anfrage des schottischen Abgeordneten Bill Wilson im Februar 2011, ob die britische Regierung auch weiterhin am Einsatz von Uran-Munition festhalte. Es sei, so Fox, auch „weiterhin die Politik der Regierung, dass DU in Waffen eingesetzt werden könne,“ und weiter „DU ist nicht verboten, die britischen Truppen setzen DU-Munition gemäß des internationalen humanitären Rechts ein. Es wäre sogar ein Fehler, wenn die britische Regierung ihren Soldaten diese legitime Möglichkeit vorenthalten würde, da diese ihnen den bestmöglichen Schutz während einer bewaffneten Auseinandersetzung bietet.“

Quellennachweis und weiterführende Links: