"Outlaw King" [GB 2018]


Würde sich HBO in dessen "GameofThrones"-Universum die Dienste des Briten David Mackenzie sichern, hätte der amerikanische Fernsehprogrammanbieter höchstwahrscheinlich einen Hauptgewinn gezogen. Mackenzie drosselt, wenn nötig, die Lautstärke, ist aber im weiteren Sinne fähig, aufgeweichte Schlammgruben zu betreten und deren Schlick in Richtung Kamera zu spritzen. Worauf es seit sieben, bald acht Jahren in der Dramaturgie von Westeros ankommt, liegt (nicht unwesentlich) in einem dialektischen Spannungsgefüge inmitten kleiner Beobachtungen, die große Entwicklungen zeitigen. Diese kleinen Beobachtungen – punktgenau zusammengekehrter, metaphorischer Zierrat – schmücken Mackenzies mittelalterlichen Netflix-Film "Outlaw King" aus. 
Ungeachtet der Glätte schablonenhafter historischer Rekonstruktion, die sein Film anfänglich evoziert, schulen die Werke David Mackenzies den Blick für das, was normalerweise ästhetisch konkret sich einprägt: so ein abgegessener Apfel, der mit dem Schwinden der Lebenskraft einhergeht, so eine Wagenladung Äpfel, die von herannahenden, feindlichen Pferden zertreten werden. Kann es ein geschmackvolleres, da aufmerksameres Bild für die Gewalt der Gewalten geben, die sich an den Entgrenzungen eines Landes Bahn brechen? Wie bereits Mackenzies letzter Film "Hell or High Water" (2016) steht auch "Outlaw King" Männern in ihrer altväterlichen Elegie gegen die Veränderungen der Zeit und die Antagonismen antimoderner Repressalien bei. 
In einer perspektivisch schwerpunktanderen "Braveheart"-Variation mimt Chris Pine den schottischen König Robert the Bruce, der seine Gefolgsleute im Kampf gegen die englischen Truppen anführt. In Pines perfektem Drei-Tage-Gesicht hat sich, diametral zu Mel Gibsons wahnhafter Schlachtenfratze, auf keinen Fall jenes entflammte Notwendigkeitspathos eingebrannt, das sich für die Narben des Einsatzes verantwortlich zeichnet. Chris Pine ist zu sehr Playboy und Katalogmodel in einer hautärztlichen Werbebroschüre, als dass der Dreck ihn tatsächlich verunstalten könnte. Aber zumindest darf Pine Po zeigen. An dieser Stelle offenbart der Film ohnehin – subtextuell gesehen – eine Mehrdeutigkeit in der Maskulinität seiner Charaktere.

Edward, der Prinz von Wales (Billy Howle), möchte seinem drakonischen Vater, dem König von England (Stephen Dillane), um jeden Preis ein starker Sohn sein, aber ihm fehlt es militärisch an Weitblick und königlich an Durchsetzung. Mackenzie persifliert diese geölte Selbstüberschätzung lakonisch – wir sehen ihn, den Prinzen von Wales, in einer Szene am Vorabend der Schlacht beim Verspeisen eines Hühnerbratens. Zaghaft, geschmeidig, mit Messer und Gabel, zerteilt er das Tier wie ein adretter Adliger. Dieser vorsichtige Mann wird auf dem Feld nicht überleben. Um auf dem Schlachtfeld zu überleben, muss ein Mann zur Bestie werden. Robert the Bruce geht den umgekehrten Weg mit List. Und siegt. 
Im Vergleich zu Mackenzies früheren Filmen "Hallam Foe – This Is My Story" und "Perfect Sense" kommt "Outlaw King" weniger entschleunigt, man könnte gleichfalls sagen: weniger nachdenklich, vielleicht weniger komplex daher. Die Geschichte wird unmittelbar in umso kürzeren dramatischen Handlungssprüngen actionreich erzählt, während sich die geschmeidigen Kreisfahrten der Kamera (Barry Ackroyd) Ordnung im Gewühl der Parteien zu schaffen versuchen. Der kleinere Bruder von "Game of Thrones" ist "Outlaw King" letztendlich – sowie ein Bewerbungsschreiben, sich für Westeros zu empfehlen, das das abgenutzte bis beschmierte Siegel der Serie bis nach Netflix trägt, aber begleitet wird von der Ambition kompetenter Eigengesetzlichkeit.

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