Oui, je vais au Salon Français!

Pianistin und Veronique
“Parlez-vous français?” Ach nee, nicht wirklich. Auch sieben Jahre Schulfranzösisch konnten daran nichts ändern. „Schade eigentlich“, dachte ich mir, als ich die Ankündigung für den „Salon Français“ las. Die neue, zweimonatige Begegnung mit der französischen Künstlerszene in Deutschland machte mich neugierig. Mal Hand aufs Herz: Was wissen wir denn schon über frankofone Künstler? Und nun präsentiert die Schauspielerin und Sängerin Véronique Elling in einer brandneuen Reihe gleich mehrere Könner aus unterschiedlichen Sparten. Inklusive kurzer Talkrunden. Aber leider – auf Französisch. Sollte ich mich trotz schwacher Sprachkenntnisse zur Premiere des Salon Français in den Logensaal der Hamburger Kammerspiele trauen? Ok, die Ankündigung versprach Übersetzungen ins Deutsche. Und so hieß es schließlich: “Oui, je vais au Salon Français!” Ich habe es nicht bereut.

Von Kerstin Völling

Erst im vergangenen November heimste Véronique Elling brillante Kritiken ein, als sie mit einem Chansonabend Lieder der Sängerin Barbara (Monique Serf) präsentierte. Im Programm zum Salon Français lese ich, dass die 39-Jährige am 11. April 2015 einen ähnlichen Abend mit Liedern von Edith Piaf plant. „Oh, oh“, denke ich mir mit der einzigartigen Stimme der Piaf im Ohr, „den Vergleich halten nur wenige stand“. Aber ich habe Véronique eben noch nicht singen gehört. Gleich zu Anfang räumt die Wahl-Hamburgerin alle Bedenken mit “Coin de rue” von Charles Trenet aus dem Weg. Ihre Stimme muss sich auch hinter einer Piaf nicht verstecken. Véronique überzeugt sowohl durch ihre Ausstrahlung, als auch mit Professionalität: Schon im Alter von sieben Jahren geht sie auf das Musik-Konservatorium, macht Abitur am Musik-Gymnasium mit Auszeichnung, schließt die Universität der Künste in Montpellier mit einem Theaterbachelor ab und zieht nach Hamburg, um noch eine Ausbildung in Schauspiel und Gesang draufzusetzen.

Und eine gewisse Professionalität erwartet sie auch von ihren Gästen. „Ich wähle erst einmal aus, was mir gefällt“, wird sie nach der Premiere sagen. „Dabei erwarte ich aber auch schon einen gewissen Standard.“ Dass die Latte dafür nicht zu tief hängt, kann man sich ausmalen. Schließlich sang und spielte sie etwa schon in Paris, Avignon, Brüssel, Köln, Heidelberg, Berlin, Zagreb, Teheran oder in Beirut. Warum dann überhaupt ein Salon in Hamburg? „Mich haben Wohnzimmerkonzerte immer begeistert“, erklärt die Mutter zweier Kinder. „Aber ich habe kein so großes Wohnzimmer, dass ich Künstler und Gäste unterbringen könnte.“ So sei sie froh, dass sie nun den Logensaal für ihren Salon Français nutzen dürfe.

Die Intimität eines Wohnzimmerkonzertes lässt der Raum nicht missen. Rund 70 Gäste lauschen gespannt an ihren Tischen, als Véronique an diesem Abend fünf Künstler im rund zweistündigen Programm vorstellt.

Pianistin

Aurélie Namont

Aurélie Namont nimmt an einem knallroten Piano Platz. Gut, dass es schräg zum Publikum steht. Denn es ist ein Genuss, mit welcher Hingabe die 38-Jährige über die Tasten gleitet. Klingt nach Klischee. Ist aber die Wahrheit. Freunde Klassischer Musik sollten nicht verpassen, ihre Interpretationen von etwa „Jardins sous la pluie“ (Claude Debussy) oder „Suite en la“ (Jean-Philippe Rameau) live zu erleben. Im Logensaal ist es mucksmäuschenstill, als sie die Hände kreuzt und kurz pausiert, um zum nächsten Takt anzusetzen.

Professor Evgeni Koroliov, Dozent an der Musikhochschule Hamburg, war der Grund, warum die Virtuosin einst nach Hamburg zog. „Ich hörte ihn spielen und wusste: Von dem möchte ich noch etwas lernen“, sagt die heute 38-Jährige. Auch ihren Kindern, dreieinhalb Jahre und vier Monate alt, würde sie ihre Liebe zur Klassik gern vermitteln. Ihre ältere Tochter nimmt sie manchmal schon zu Kinder-Konzerten mit und singt viel mit ihr. Die Resonanz sei unterschiedlich: „Manches geht, manches eben nicht.“ Sie selbst habe auch erst mit zehn Jahren angefangen, Klavier zu spielen. „Das hatte gesundheitliche Gründe“, erklärt sie. Und sie betont, dass sie sich auf keinen Komponisten und keine Musikepoche in ihrem Repertoire festlegen möchte: „Da entscheidet rein die künstlerische Affinität.“

Talkrunde

Véronique Elling (links) und Aurélie Namont im Gespräch.

Der nächste Gast auf dem Podium ist der Fotograf Fréderic Mougenot. Er hat ein Auge für Menschen mit einem „gewissen Etwas“. Erst recht, wenn er sie in skurrilen Momenten erwischt. Man kann kaum glauben wenn er behauptet, dass er eigentlich gar nicht der Typ sei, der locker auf andere zugeht. „Angefangen habe ich deshalb als Konzert-Fotograf“, sagt er, „denn die Leute stehen ja auf der Bühne, um fotografiert zu werden.“ Heute fragt er seine lebendigen Motive vorab nicht. Den 80jährigen Seemann in einem Hamburger Café zum Beispiel, den er mit seiner Rolex ablichtete: „Ich glaube, der hat mich gar nicht gesehen“. Oder den Hipster neben dem Obdachlosen, die er beide just in dem Moment einfing, als sie zeitgleich über Handy telefonierten: „Was für ein sozialer Unterschied“, sagt Mougenot, „und doch verfügen beide über die gleiche Kommunikationstechnik!“

Fotograf

Frédéric Mougenot

Im Internet sind viele seiner Fotografien zu bestaunen. Deshalb gibt es hier nur eine kurze Auswahl, und die auch nur in absichtlich lausiger Qualität. Denn man soll seine Kunstwerke schon über seine Homepage ansehen und am besten kaufen. Gespannt sein darf man auch auf seine erste Ausstellung in Hamburg. Die wird es im Februar 2015 geben.

alter Seeman

Der alte Seemann in Hoheluft. Rechte: Frédéric Mougenot

Marx und Engels

Marx und Engels vor dem Riesenrad. Rechte: Frédéric Mougenot

Handytelefonieren

Handytelefonie verbindet…irgendwie. Rechte: Frédéric Mougenot

New Yorker

New Yorker in New York. Rechte: Frédéric Mougenot

Eigentlich hat Frédéric Mougenot Deutsch und deutsche Literatur studiert. Originell, wie er zur Fotografie kam:“Ich bin Vater geworden. Das hat mir eine neue Identität verschafft“, erklärt er. Literatur und Fotografie hätten schließlich auch einiges gemeinsam, etwa dass beide das Humanistische eines Zeitgeistes konservieren könnten. „Ich fotografiere sowohl digital als auch analog und entscheide erst hinterher, ob ich Farbe oder Schwarz-Weiß für das jeweilige Foto wähle.“ Hinsichtlich der Orte gibt es für ihn keine Exklusivität. Sowohl in Metropolen wie Paris, Rom oder Hamburg als auch in der Provinz begibt er sich auf Suche nach Motiven. So hat er beispielsweise auch eine Szene beim Erntefest in Sasbadwalden fotografiert.

Buchvorstellung

Micheline Sauriol

Micheline Sauriol liest Passagen aus ihrem ersten Buch vor. Das heißt „Passion et Devotion“ („Leidenschaft und Hingabe“). Es beschreibt einen Bruch im Leben einer 40jährigen Frau, die beim Abschlussball eines Kongresses in Schweden die große Liebe findet, die sexuelle Befreiung erlebt und gleichzeitig nach dem Sinn ihres Lebens sucht. Die Autorin hält ihre „unmögliche Liebesgeschichte“, wie sie sie nennt, bewusst in einfachen, bestechenden Sätzen. „Der Stil sollte transparent, aber auch experimentell sein“, erklärt sie. Sie habe sich dabei an Herta Müller orientiert. Was dieses Buch besonders spannend macht: Die Kanadierin beschreibt das Leben einer 40-Jährigen mit der Lebenserfahrung einer über 70-Jährigen. Warum hat sie erst jetzt ihr erstes Buch veröffentlicht? „Ich habe mein ganzes Leben lang schon geschrieben“, sagt die Übersetzerin und Mutter von drei Kindern. „Aber ich brauchte bisher ein Freiheitsgefühl beim Schreiben. Wenn mich jemand unter Druck setzt – etwa durch einen Abgabetermin – dann habe ich dieses nötige Freiheitsgefühl nicht mehr.“ „Passion et Devotion“ wird gerade ins Englische übersetzt. Für deutsche Ausgabe sucht Micheline noch Übersetzer.

Choreo3

Julie Pequet

Den quirligsten Auftritt des Abends legt Julie Pecquet hin. Man sieht es in ihren Augen, man hört es in ihrem hochemotionalen Sprachstil: In dieser Frau steckt Leidenschaft pur. „Énergique“ ist ihr meist gebrauchtes Wort. Kaum überraschend also, dass die Tänzerin und Choreografin Gefallen an einer anderen Frau mit sehr viel Energie gefunden hat: An Camille Claudel (1864 – 1943). Die Bildhauerin übte ihren Beruf in einer Zeit aus, in der die französische Gesellschaft noch glaubte, Frauen könnten so etwas gar nicht. Da sie auch noch die Liebhaberin des deutlich älteren Bildhauers Auguste Rodin wurde, musste sie mit vielen Anfeindungen kämpfen. „Sie ist dann von ihrer eigenen Mutter und ihrem Bruder in die Irrenanstalt gesteckt worden“, sagt Julie entrüstet.

Camille Arbeit

Camille Claudel bei der Arbeit.

Als Tribut an diese außergewöhnliche Frau möchte Julie Pecquet ein interdisziplinäres Projekt mit Tanz, Schauspiel und Live-Musik auf die Beine stellen. „Camille et le Dragon vert“ (“Camille un der grüne Drache”) soll es heißen. „Der grüne Drache ist die grüne Tonerde, mit der die Bildhauerin ihre schöpferische Kämpfe ausfechtet“, erklärt die Deutsch-Französin. Im übertragenen Sinn müsse sie die rohe Materie bezwingen, um ihr Werk zu kreieren.

Deshalb würde Julie Pecquet auch gern eine Bildhauerin auf der Bühne performen lassen.

Camille

Eine der Arbeiten von Camille Claudel heißt “La Vague” (“Die Welle”): Drei Bronzefiguren “tanzen arglos” auf einer Riesenwelle aus Marmor.

Julie Pecquet wollte eigentlich einen fünfminütigen Tanzfilm mit einen ersten Entwurf ihrer Choreographie zeigen. Doch da macht ihr ungeborenes Kind einen Strich durch die Rechnung: Die 41-Jährige musste das Tanzen wegen vorzeitiger Wehen absagen. Eine Diashow vermittelt aber einen nicht minder ausgewöhnlichen Eindruck ihrer Pläne.

Choreo2

Ralf Böckmann rundet das Programm als letzter Künstler des Abends ab. „Böckmann“ klingt deutsch. Und Ralf Böckmann ist auch Deutscher. Ende der 60er Jahre studierte der heutige Professor französische Sprache und Literatur in Frankreich. „Damals haben alle Studenten Chansons von Georges Brassens gehört“, sagt er. Auch ihn ließen die Chansons gerade aus jener Epoche nicht mehr los, und so steht er seit über 30 Jahren selbst auf der Bühne. An diesem Abend singt er mit seinem wohlklingenden Bass Lieder wie „La première fille“ von Georges Brassens, „Le premier bonheur du jour“ von Françoise Hardy oder „L’ Infinitif“ von Gilbert Laffaille – ein Lied, dass tatsächlich (fast) nur aus Infinitiven besteht.

Saenger

Ralf Böckmann wird von Véronique Elling (rechts unten) bestaunt.

Zum Abschluss darf das Publikum mitsingen: „La biche, le loup et le chevalier“ von Henri Salvador und Maurice Pon. Wer das Lied nicht kennt, kann den Text von Flyern ablesen, die flugs verteilt werden. Ist dann wirklich schon Schluss? Ja, das ist dann wirklich der letzte Programmpunkt, ganz so wie das letzte kleine Stück in einem bunten Kaleidoskop. Ein schöner Abend.

Draußen vor der Tür des Logensaals hätten sich einige Besucher noch ein paar mehr Übersetzungen ins Deutsche gewünscht. Gelobt wird aber die Möglichkeit, selbst mit den Künstlern zu sprechen. Und auch der ein oder andere „Übersetzer“ könnte sich ja nach der Veranstaltung sicher noch finden lassen…

Die nächsten Termine des Salon Français, jeweils um 20.15 Uhr im Logensaal der Hamburger Kammerspiele:

Samstag, 31. Januar 2015: Salon Français zum deutsch-fanzösichen Festival Arabesques.

Samstag, 28. März 2015: Literatur, Klassik und Chanson.

Samstag, 6. Juni 2015: Literatur, Klassik und Chanson.



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