Otavalo

Warum zieht der Mensch eine Brücke über einen Fluss, wenn dieser Fluss eine Grenze bilden soll?

Otavalo. Sofort ist mir die Erscheinung der Menschen aufgefallen. Ihr Teint ist deutlich dunkler, ihre Wangen scheinen sonnenverbrannt – das Haar schwärzer, glatter. Auffällig viele Männer tragen lange geflochtene Zöpfe und schwarze Filzhüte. Die Frauen bevorzugen Trachten, auf ihren Köpfen tragen sie umgelegte Tücher. Schwarz und weiß sind die dominanten Farben.

Am ersten Tag bin ich zu den Lagunas de Mojanda geradelt. Diese befinden sich 17 km von der Stadt entfernt. Zwischen Stadt und Lagune liegen 950 Höhenmeter. Ich fragte beim Frühstück die Besitzer des Hostels, ob das machbar ist. Der Mann sagte „Claro, das ist möglich.“ Die Frau, dem Alter nach seine Mutter, sagte „Nein, es geht 17 km lang nur aufwärts. Nimm ein Taxi.“ Ich glaube sportlich oder ehrgeizig sind nicht die richtigen Worte für mein Verhalten … Es ging wie erwartet nur aufwärts. Distanz und Höhenmeter aber waren nicht das Problem. Das Problem war das Kopfsteinpflaster. Ecuadorianisches Kopfsteinpflaster. Nach wenigen hundert Metern stieg ich ab und schob. Auf der Hälfte der Strecke habe ich in einem Jeep mitfahren können. Für einige Minuten. Danach schob ich weiter. Die Sonne brannte. Schließlich begannen die Höhenmeter zu nagen. Meine Unterschenkel verkrampften. Der Lenker wurde schwer. Mein Körper wurde stärker als ich. Er entschied, wo Energie gespart werden musste. Alles Geistige schien Energieverschwendung. Ich setzte mechanisch einen Fuß vor den anderen. Bekam Hunger. Äpfel und Orangen waren das einzige. Nüsse und Bananen habe ich auf dem Markt nicht finden können. Es wurde zunehmend stiller. Lediglich der fremde Gesang einiger Vögel durchbrach mein Schnaufen und das Knirschen unter den Schuhen. Nach fast vier Stunden Aufstieg kam ich erschöpft an. Es war längst kühl geworden. So kühl, dass meine klammen Hände nur mit Mühe die letzte Orange schälen konnten. Der See war lau. Nachdem ich wieder zu Kräften kam, entschloss ich, noch auf einen, direkt an der Lagune gelegenen, Hügel zu klettern. Der Hund der mich anfangs begleitete brach bald ab. Meine Pausen wurden häufiger. Nach jeder Rast dachte ich, dass es die letzte war. Wie sehr die Natur einen trügen kann. Ich habe keine zehn Schritte gemacht als meine Beine wieder schwach wurden. Immer öfters robbte ich auf allen Vieren, hielt mich an Grasbüscheln fest. Ich bekam Kopfschmerzen. Meine Rotze roch blutig. Vielleicht aber war das auch Einbildung. Als ich oben ankam, fiel ich nieder, glücklich es geschafft zu haben. Die Bergspitzen schlitzen die Wolken auf. Nebel lief aus. Ich hörte nur mein Atem und fliehendes Gras. Der blau schimmernde See schlief.

Abends trank ich Bier mit Diana aus Neuseeland. Mein Gesicht brannte. Ich schlief schlecht, trotz Erschöpfung.

An nächsten Tag besuchte ich mit Diana den Lago Cuicocha, einen Kratersee nahe des Vulkanes Cotacachi.


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