Ostertanztage in Hannover 2013, über die ich hier schon mehrfach berichtet habe - jetzt sind sie schon wieder zwei Wochen zu Ende. Über ein paar Punkte, die ich erleben durfte, möchte ich hier rückblickend in Kurzform berichten - natürlich, um Sie, um Dich zu motivieren, im nächsten Jahr dabei zu sein!
"Fliegeralarm und Puppenfee" war die begleitende Ausstellung überschrieben, mit der die Jahre 1939 bis 1945 beleuchtet wurden. über die es fast kein Material gab. Durch einen Glücksfall traten aber plötzlich unbekannte Dokumente zu Tage, die dann einen Grundstock für die Ausstellung bilden sollten - eine frühere Solistin des Balletts während der Kriegsjahre, Marlies Nation-Dixon, geb. Bethmann, meldete sich aus England und stellte ihre private Sammlung zur Verfügung. Auch ein Aufruf in der HAZ war erfolgreich; etwa 30 Zeitzeugen meldeten sich, erzählten und steuerten weiteres wertvolles Material bei. Die Künstlerin Gudrun Pätzold gestaltete zusammen mit den Ballettkennern Sylvia und Marita Kadlec die Ausstellung - es ist schon die fünfte Begleitausstellung der Ostertanztage. Sie erinnert auch an die Arbeit von Alice Zickler, die seinerzeit Ballettmeisterin war. Nach der Zerstörung des Opernhauses im Juli 1943 (folgendes Bild) wurde unter schwierigen Umständen nur noch im Galerietheater in den Herrnhäuser Gärten gespielt. Dokumentiert werden auch der Kriegsdienst der KünstlerInnen in Fabriken und ihre Aufgabe der Truppenbetreuung.
Ich wurde gefragt, wo die Ausstellungen bleiben - ob sie vielleicht im Theatermuseum archiviert werden. Leider konnte ich darauf keine Antwort geben. Auch ob die diesjährige Ausstellung noch über die Ostertanztage hinaus eine Weile zu besichtigen ist - verdient hätte sie es! -, konnte ich bisher nicht klären. Auch auf der Netzseite des Opernhauses gibt es keine Aussage darüber.
Über die Eigenproduktion von Jörg Mannes und Nils Christe habe ich hier bereits berichtet. In diesem Jahr gab es aber erstmals drei Gastspiele (bisher zwei), alle auf ihre Art sehr interessant.
Die Truppe Gauthier Dance / Theaterhaus Stuttgart gastierte mit "Poppea" - der Choreograph Christian Spuck hatte sich hier von Claude Monteverdis
letzter Oper "L'incoronacione di Poppea" (Krönung der Poppea) inspirieren
lassen. Die Geschichte von der Hochzeit Neros mit Poppea Sabina
fasziniert durch ihren sezierenden Blick auf Machtgier und Liebeswahn am
Hof des römischen Imperators. Alles beugt sich am Schluss der Urgewalt
einer provozierend amoralisch verstandenen "Liebe". Die sehr zügige und die Sinne beanspruchende Inszenierung arbeitete mit den verschiedensten Mitteln: Projektionsfläche an der Decke (auf der meist der aktuelle Tanz aus anderer Perspektive gezeigt wurde), erzählerische und schauspielerische Elemente, akustisch ein lautstarker Mix aus Monteverdi und moderner Musik, eine durchgehende erläuternde Erzählerinnenfigur, das Bühnenbild eher schlicht.
Die eigentliche Choreografie konzentrierte sich auf die neun TänzerInnen, ihre Interaktionen je nach den wechselhaften Beziehungen und Machtverhältnissen der Figuren: Poppea, Geliebte Ottones, heimliche Geliebte Kaiser Neros; Ottone, der in Drusilias Kleidern versuchen wird, Poppea zu ermorden; Ottavia, die Kaiserin, die Ottone befehlen wird, in Frauenkleidern Poppea zu ermorden; Seneca, Philosoph und Lehrer Neros, dem der Kaiser den Selbstmord befehlen wird; Drusilia, die eigentliche Verlassene Ottones, der erneut Liebesglück widerfährt; Nero, der mächtige Kaiser, der Ottone verbannen, Ottavia töten, Seneca zum Selbstmord zwingen und seine geliebte Poppea zur Kaiserin krönen wird - die damit ihr Ziel erreicht hat. Choreografie und Inszenierung haben in dieser sinnenbetäubenden Dichte zwar nicht meinen Geschmack getroffen, aber jüngere Menschen mögen das anders sehen.
Das Badische Staatsballett gastierte mit Tim Plegges "Momo" nach dem Roman von Michael Ende - der "seltsamen Geschichte von den Zeit-Dieben und von dem Kind, das den Menschen die gestohlene Zeit zurückbrachte". Sehr zeitgemäß! die "grauen Herren", die Zeitdiebe dürften inzwischen noch viel schlimmer geworden sein. Die frische und klare Choreografie, bei der die magischen Momente mit realem Bezug sehr schön herausgearbeitet wurden, hat mich sehr angesprochen.
Und dann gab es auch noch ein Gastspiel aus dem Ausland: Aterballetto zeigte "Casanova" in der Choreografie von Eugenio Scigliano.
"Casanova", so heißt es im Begleittext "– das klingt nach Verführung, Frivolität und Leidenschaft. Dabei war ein gewisser Venezianer namens Giacomo Casanova Chevalier de Seingalt, der 1725 geboren wurde und 1798 im tschechischen Dux starb, nicht nur Frauenheld und Abenteurer. Am Karsamstag, 30. März 2013 skizziert die renommierte, international gefragte italienische Compagnia Aterballetto (zuletzt 2007 zu Gast bei den Oster-Tanz-Tagen) im Ballettabend von Eugenio Scigliano Casanovas Leben in faszinierenden Bildern." Fürwahr, die Bilder hatten eine faszinierende Ausstrahlung. "75 Minuten zeitgenössisches Tanztheater von höchstem ästhetischen Raffinement" schreibt Alexandra Glanz in der HAZ.
Insgesamt viel versprechend für das nächste Jahr präsentierten sich die Ostertanztage im nahezu vollen Saal - hoffentlich sind Sie, bist Du beim nächsten Mal dabei!
Text und die beiden Bilder von der Ausstellung: Dr. Helge Mücke, Hannover, teils unter Verwendung der Presseunterlagen. Die weiteren Bilder wurden von der Staatsoper zur Verfügung gestellt und sind nicht frei verfügbar. Von oben nach unten: Momo - Badisches Staatsballett Karlsruhe © Jochen Klenk; Poppea//Poppea - Gauthier Dance/Theaterhaus Stuttgart © Regina Klenk; Casanova - Compagnia Aterballetto © Alfredo Anceschi