Oslo / Utoya

Ich gebe zu: Eine gewisse Häme konnte ich mir nicht verkneifen, als aus den bereits von allen Seiten ausgemachten islamistischen Tätern von Oslo plötzlich ein christlicher, rechtskonservativer blonder Jüngling wurde. Vor allem den Kommentatoren dabei zuzusehen, wie sie wild rudernd von Geifern und Grölen gegen Muslime, Einwanderer und alles Linke und Grüne in vollem Lauf umsteuern mussten, war eine kleine Entschädigung und vor allem willkommene Ablenkung.

Und ablenken muss man sich angesichts eines Typen, der eine Bombe legt, sich eine Polizeiuniform überstreift und die allgemeine Unsicherheit ausnützt, um ein Feriencamp voller Jugendlicher mit der Unerbittlichkeit eines Terminators anzugreifen.

Vielleicht wird man eines Tages nachvollziehen können, welche Sicherung da durchgebrannt ist – und das muss schon vor einiger Zeit passiert sein. Der Planungsaufwand der ganzen Aktion schließt Affekt aus und verletzt damit viele ungeschriebene Regeln klassischer Amokläufe. Dass der Mann allerdings völlig wahnsinnig ist, kann man bereits jetzt ohne weitere Zweifel feststellen – wenn er es denn wirklich war. Um die unvermeidlichen Analysen, Anschuldigungen und politischen Schnellschüsse abzugeben, sollte man zumindest warten, bis man darüber Klarheit hat; was immer man allerdings noch in Erfahrung bringen kann, wird aller Voraussicht keineswegs so leicht in Schubladen zu stecken sein, dass man irgendetwas fordern oder auch nur schlussfolgern könnte.

Eine gewisse Häme habe ich verspürt, wie gesagt – aber damit letztlich nur aus einer anderen Perspektive genau den gleichen Unsinn gedacht wie alle, die vorher für ein paar Stunden lang genau wussten, was das heißt, was das aussagt über Multikulti, über den Islam, über Einwanderung, über liberales Denken. Der Täter sagt nicht aus, dass derjenige, der Angst vorm islamistischen Terror hat, Angst vor den falschen Leuten hat. Schon dass sich sogar ein paar irre Dschihad-Wegbereiter bereitgefunden haben, sich zu dem Anschlag zu bekennen, obwohl sie es nicht waren, ist da ein deutlicher Hinweis. Wir müssen auch in Zukunft weder mehr noch weniger Angst haben vor Computerspielen, Christen, Nationalisten oder Waffenbesitzern. Und der Täter gibt niemandem Recht, er stellt auch niemanden ins Unrecht, schon mal gar nicht politisch.

Terror ist weder links noch rechts. Attentate und Bombenanschläge sind weder islamisch noch christlich. Und ganz bestimmt müssen wir deswegen nicht mit weiteren Gesetzen unsere Freiheit weiter beschneiden, was diese Leute nur einfallsreicher macht und niemanden sicherer. Noch müssen wir – dann mit den entsprechenden Debatten – den Unfrieden weiter vertiefen, der in ganz Europa herrscht und dessen einzig mögliche Frucht eben solche Katastrophen sind, labile Menschen, die durchdrehen, ob alleine oder in Gesellschaft. Anders Behring Breivik macht keine Punkte für irgendjemanden, sondern ist ein Tritt in die Eier der Gesellschaft – der gesamten Gesellschaft. Er ist kein Triumph gegen Rechte und kein Argument gegen Islamkritiker, sondern das Ergebnis eines Klimas, in dem niemand schuldig oder unschuldig ist, und einer persönlichen Biografie, über die wieder einmal merkwürdig wenig geredet werden wird.

Dies könnte eine Gelegenheit zur Mäßigung sein. Ich rede nicht einmal von Beileid, so sehr es auch in einen Beitrag zu dem Thema gehören mag; ich bin nicht betroffen, und ich leide auch nicht. Ich habe aber Mitgefühl für diejenigen, die nicht so glücklich sind und wünsche ihnen die Kraft, die sie brauchen. Was sie ganz sicher nicht brauchen, ist eine Instrumentalisierung für irgendwas, vor allem politische Anliegen.

Wer jetzt meint, sie als Rammbock gegen unerwünschte Gruppierungen, Aktivisten oder auch nur Menschen mit zweifelhaften Hobbys benutzen zu können, gehört eigentlich öffentlich gedemütigt. Stattdessen werden solche Gestalten das Sommerloch füllen.

Von hier daher nur Wetter.

Kommentare


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