Von Lutz Hausstein
Die gerichtlich angeordnete Neuberechnung der verfassungswidrig zustandegekommenen Hartz-IV-Regelsätze versinkt im Vermittlungsausschuss in den Tiefen parteipolitischen Taktierens und wird somit endgültig zur Farce
Als das Bundesverfassungsgericht am 09. Februar 2010 die Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze als verfassungswidrig einstufte und die Bundesregierung zur transparenten Neuberechnung bis Ende 2010 aufforderte, bezeichneten dies die politischen Oppositionsparteien als „schallende Ohrfeige für die Regierung“ und lasen sofort im Kaffeesatz des Urteils, auf welchen Betrag daraufhin zu erhöhen sei. Hierbei stellten sie Beträge in den Raum, welche gleichfalls dem gerade gefällten Urteilsspruch widersprachen, da sie weder transparent noch bedarfsgerecht ermittelt wurden.
Ein geschlagenes Jahr später ist man kaum vorangekommen. Die Bundesregierung mauschelte sich in völliger Missachtung des BVerfG einen neuen – nur geringfügig höheren – Betrag zusammen, indem sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit solange an den Berechnungsgrundlagen herumexperimentierte, bis der schon zuvor feststehende Betrag von 364 Euro herauskam. Völlig unverfroren bezeichnete die zuständige Minsterin von der Leyen dies als transparent, bedarfsgerecht sowie als notwendiges Existenzminimum. Doch keinem einzigen dieser Kriterien werden Berechnungsmethode oder Ergebnis gerecht. Die im Bundesrat notwendige Zustimmung der Oppositionsparteien blieb somit zurecht versagt.
Die Suche nach einer Lösung im Vermittlungsausschuss, welche den Kriterien des BVerfG entspricht, ist jedoch schon von vornherein zum Scheitern verurteilt, sofern die Bundesregierung unnachgiebig auf ihrer Haltung besteht. Dies hätten auch die Oppositionsparteien, von den Grünen bis zur Linkspartei, von Beginn an so einschätzen können und müssen. Denn Politik beruht prinzipiell, sofern keine absoluten Machtverhältnisse vorliegen, auf der Fähigkeit zu Kompromissen. Wie sollte aber in diesem Fall ein Kompromiss aussehen? Als Mittelweg zwischen „verfassungswidrig“ und „verfassungsgemäß“ – „ein bisschen verfassungswidrig“? War es dies, was das BVerfG der Politik als Aufgabe gestellt hatte? Wer diese Möglichkeit für einen gangbaren und sachgerechten Weg hält, für den stellt auch die Option des „ein bisschen schwanger“ keinen unauflösbaren Widerspruch mehr dar.
Doch genau so gestalten sich schon seit Wochen die Positionen der verschiedenen Parteien im Vermittlungsausschuss. Die erste, von den Grünen und der SPD ins Spiel gebrachte, Forderung nach einem Mindestlohn in der Zeitarbeitsbranche ist sicherlich dringend nötig. Die unumgängliche Diskussion darüber, ob es nicht realitätsnäher wäre, einen allgemeinen Mindestlohn einzuführen, kann an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden. So sehr also die Forderung nach einem Mindestlohn berechtigt ist, muss doch hinterfragt werden, inwiefern eine Einführung desselben die Verfassungswidrigkeit des neuen Hartz-IV-Regelsatz beseitigen sollte. Denn der Mangel eines nichtbedarfsdeckenden Hartz-IV-Regelsatzes wird unter keinen Umständen durch die Einführung eines Mindestlohns abgeändert.
Der angestrebte Kompromiss im Vermittlungsausschuss zur Höhe des Regelsatzes muss ebenfalls kritisch hinterfragt werden, da hierin ja die eigentliche, vom BVerfG aufgegebene Aufgabe bestand. Dabei zeigen schon die verschiedenen, jeweils unterschiedlich hohen Forderungen der einzelnen Parteien, welche sich auf immer andere Grundlagen und Statistiken berufen, dass letzten Endes hinter verschlossenen Türen nur ein politischer Kuhhandel abgewickelt wird. Egal, ob eine 5-Euro-Erhöhung, ein um 17 Euro höherer Regelsatz, oder eine weitere der Vielzahl von Forderungen in den Ring geworfen wird. All dies basiert eben gerade nicht, so wie vom BVerfG gefordert, auf der Grundlage einer bedarfsdeckenden Analyse. Somit kann eine Kompromisslösung aller Forderungen diesem natürlich umso weniger gerecht werden.
Nichtsdestotrotz versuchen die Politiker der verschiedenen Parteien seit Wochen der Öffentlichkeit den Eindruck zu vermitteln, dass am Ende des Vermittlungsausschusses ein fach- und sachgerechtes Ergebnis stehen würde, welches den Vorgaben des BVerfG-Urteils entspräche. Stattdessen jedoch findet ein politisches Feilschen ganz in Form eines orientalischen Basars statt, das genau das zuverlässig ausschließt, was als Kernforderung des Urteils vom 09. Februar 2010 allen Parteien bekannt ist: transparente Berechnung und Bedarfsdeckung. Dass dieses Handeln die bewusste Ignoranz gegenüber dem Urteil der höchsten gerichtlichen Instanz der Bundesrepublik Deutschland bedeutet, welche als letztes innerstaatliches Korrektiv gegen politischen Missbrauch agiert, stellt offenbar nicht den geringsten Hinderungsgrund dar. Dies darf keinem demokratisch denkenden Staatsbürger gleichgültig sein.
Die gerichtlich angeordnete Neuberechnung der verfassungswidrig zustandegekommenen Hartz-IV-Regelsätze versinkt im Vermittlungsausschuss in den Tiefen parteipolitischen Taktierens und wird somit endgültig zur Farce
Als das Bundesverfassungsgericht am 09. Februar 2010 die Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze als verfassungswidrig einstufte und die Bundesregierung zur transparenten Neuberechnung bis Ende 2010 aufforderte, bezeichneten dies die politischen Oppositionsparteien als „schallende Ohrfeige für die Regierung“ und lasen sofort im Kaffeesatz des Urteils, auf welchen Betrag daraufhin zu erhöhen sei. Hierbei stellten sie Beträge in den Raum, welche gleichfalls dem gerade gefällten Urteilsspruch widersprachen, da sie weder transparent noch bedarfsgerecht ermittelt wurden.
Ein geschlagenes Jahr später ist man kaum vorangekommen. Die Bundesregierung mauschelte sich in völliger Missachtung des BVerfG einen neuen – nur geringfügig höheren – Betrag zusammen, indem sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit solange an den Berechnungsgrundlagen herumexperimentierte, bis der schon zuvor feststehende Betrag von 364 Euro herauskam. Völlig unverfroren bezeichnete die zuständige Minsterin von der Leyen dies als transparent, bedarfsgerecht sowie als notwendiges Existenzminimum. Doch keinem einzigen dieser Kriterien werden Berechnungsmethode oder Ergebnis gerecht. Die im Bundesrat notwendige Zustimmung der Oppositionsparteien blieb somit zurecht versagt.
Die Suche nach einer Lösung im Vermittlungsausschuss, welche den Kriterien des BVerfG entspricht, ist jedoch schon von vornherein zum Scheitern verurteilt, sofern die Bundesregierung unnachgiebig auf ihrer Haltung besteht. Dies hätten auch die Oppositionsparteien, von den Grünen bis zur Linkspartei, von Beginn an so einschätzen können und müssen. Denn Politik beruht prinzipiell, sofern keine absoluten Machtverhältnisse vorliegen, auf der Fähigkeit zu Kompromissen. Wie sollte aber in diesem Fall ein Kompromiss aussehen? Als Mittelweg zwischen „verfassungswidrig“ und „verfassungsgemäß“ – „ein bisschen verfassungswidrig“? War es dies, was das BVerfG der Politik als Aufgabe gestellt hatte? Wer diese Möglichkeit für einen gangbaren und sachgerechten Weg hält, für den stellt auch die Option des „ein bisschen schwanger“ keinen unauflösbaren Widerspruch mehr dar.
Doch genau so gestalten sich schon seit Wochen die Positionen der verschiedenen Parteien im Vermittlungsausschuss. Die erste, von den Grünen und der SPD ins Spiel gebrachte, Forderung nach einem Mindestlohn in der Zeitarbeitsbranche ist sicherlich dringend nötig. Die unumgängliche Diskussion darüber, ob es nicht realitätsnäher wäre, einen allgemeinen Mindestlohn einzuführen, kann an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden. So sehr also die Forderung nach einem Mindestlohn berechtigt ist, muss doch hinterfragt werden, inwiefern eine Einführung desselben die Verfassungswidrigkeit des neuen Hartz-IV-Regelsatz beseitigen sollte. Denn der Mangel eines nichtbedarfsdeckenden Hartz-IV-Regelsatzes wird unter keinen Umständen durch die Einführung eines Mindestlohns abgeändert.
Der angestrebte Kompromiss im Vermittlungsausschuss zur Höhe des Regelsatzes muss ebenfalls kritisch hinterfragt werden, da hierin ja die eigentliche, vom BVerfG aufgegebene Aufgabe bestand. Dabei zeigen schon die verschiedenen, jeweils unterschiedlich hohen Forderungen der einzelnen Parteien, welche sich auf immer andere Grundlagen und Statistiken berufen, dass letzten Endes hinter verschlossenen Türen nur ein politischer Kuhhandel abgewickelt wird. Egal, ob eine 5-Euro-Erhöhung, ein um 17 Euro höherer Regelsatz, oder eine weitere der Vielzahl von Forderungen in den Ring geworfen wird. All dies basiert eben gerade nicht, so wie vom BVerfG gefordert, auf der Grundlage einer bedarfsdeckenden Analyse. Somit kann eine Kompromisslösung aller Forderungen diesem natürlich umso weniger gerecht werden.
Nichtsdestotrotz versuchen die Politiker der verschiedenen Parteien seit Wochen der Öffentlichkeit den Eindruck zu vermitteln, dass am Ende des Vermittlungsausschusses ein fach- und sachgerechtes Ergebnis stehen würde, welches den Vorgaben des BVerfG-Urteils entspräche. Stattdessen jedoch findet ein politisches Feilschen ganz in Form eines orientalischen Basars statt, das genau das zuverlässig ausschließt, was als Kernforderung des Urteils vom 09. Februar 2010 allen Parteien bekannt ist: transparente Berechnung und Bedarfsdeckung. Dass dieses Handeln die bewusste Ignoranz gegenüber dem Urteil der höchsten gerichtlichen Instanz der Bundesrepublik Deutschland bedeutet, welche als letztes innerstaatliches Korrektiv gegen politischen Missbrauch agiert, stellt offenbar nicht den geringsten Hinderungsgrund dar. Dies darf keinem demokratisch denkenden Staatsbürger gleichgültig sein.