orat.io – Positiv/Negativ Kommentarfunktion für Blogs

Das Startup orat.io versucht die Kommentarfunktion von Blogs weiterzuentwickeln. Ich habe Bernhard Hauser und David Pichsenmeister auf der re:publica 2014 in Berlin getroffen, mir das Startup kurz vorstellen lassen, ein paar Fragen gestellt und erstes Feedback gegeben. Seit heute läuft orat.io bei mir im Blog und wird die nächsten Wochen getestet werden.

Das Problem mit Kommentaren

Ich liebe die Kommentare in meinem Blog. Meistens. Es gibt nur sehr wenige Beiträge, wo die Kommentare aus dem Ruder laufen. Etwa wenn ich mich über Pick Up Artists aufrege, über rosa Überraschungseier beschwere oder erzähle, warum ich Facebook nicht für grundsätzlich böse halte. Anders formuliert: Es gibt einen Bekanntenkreis rund um mich und den Blog. Ein paar hundert bis tausend Menschen, die mich schon länger kennen, die nicht immer meiner Meinung sind, aber es bevorzugen gepflegt zu diskutieren, als mich oder andere Kommentator_innen zu beschimpfen. Deren Kommentare sind meistens hilfreich, sie ergänzen meine Artikel, stellen schlampig recherchiertes richtig und bringen neue Sichtweisen und Perspektiven. Schwieriger ist es bei den Beiträgen, die kontroverse Themen behandeln und über Social Media Kanäle Menschen erreichen, die weder mich, noch den Blog kennen und sich von meiner Meinung angegriffen fühlen. Oder davon genervt sind, dass mein Beitrag überhaupt verbreitet wird. Ein heterogeneres Publikum ohne direkter Verbindung. Dann fliegen schnell die Fetzen in den Kommentaren. Je größer die Blogs, desto eher trifft man auf dieses Problem. Bei Zeitungen und anderen Medien, wo der gefühlte Abstand zwischen Autor_innen und Leser_innen noch größer ist, ist es besonders häufig.

Ich empfehle hierzu den Vortrag ‘Burnout & Broken Comment Culture’ von Teresa Bücker sowie der zugehörigen Workshop-Session mit ihr und Ingrid Brodnig. Diese ist leider nur als Audio aufgezeichnet worden, aber die Folien mit etwas Begleittext gibt es in Brodnigs Blog.

orat.io Features

orat.io Testorat.io Test

Positiv/Negativ

Das orat.io Kommentarmodul teilt Kommentare in Positiv und Negativ ein. Somit muss sich die kommentierende Person bereits im Vorhinein überlegen, ob sie eine zustimmende oder ablehnende Haltung einnimmt. “Aber man kann doch auch eine differenzierte Meinung haben!”. Beim ersten Testen habe ich festgestellt, dass ich dazu neige auf beiden Seiten ein Kommentar zu schreiben. Das ist auch vollkommen in Ordnung. Die zustimmenden und ablehnenden Kommentare werden automatisch gezählt und über zwei Balken zu Beginn des Kommentarbereichs angezeigt. Es handelt sich also nicht um die Anzahl der Argumente, sondern um die Menge der Kommentare. Da man mehrere Kommentare abgeben kann ein nicht ganz sauberer Wert, aber um ein grundsätzliches Bild zu bekommen vollkommen in Ordnung. Je mehr Personen sich beteiligen, desto aussagekräftiger wird der Wert.

Maximal 200 Zeichen

Neben der Einteilung limitiert oratio Kommentare auf 200 Zeichen. Da scheint der Ursprung von orat.io als eigenständige Diskussionsplattform durch. Dadurch könnte erreicht werden, dass Argumente als einzelne Kommentare gepostet werden und man eher einen Kommentar hinterlässt, weil man schnell nach seiner Meinung gefragt wird und nicht das Gefühl hat einen kleinen Roman verfassen zu müssen. Das Format ist grundsätzlich von Twitter bekannt und sollte einfach verständlich sein.

Antworten auf Kommentare

Die meisten oratio Kommentare werden Argumente und/oder Meinungen sein. Zumindest gehe ich momentan davon aus. Die möchte man oft hinterfragen oder vielleicht etwas hinzufügen, das man nicht direkt als neues Argument sieht. Daher kann man orats (Ich nenne die Beiträge jetzt einmal so.) wiederum kommentieren. Durch diese Baumisierung entsteht eine aufgeräumtere Diskussion als wenn jeder Kommentar versucht sich in zwanzig Unterpunkten auf alle vorhergegangenen zu beziehen.

Favorisieren

Möchte man weder ein eigenes orat schreiben, noch eines kommentieren, kann man auch eines favorisieren. Mir persönlich wäre eine “Zustimm”-Button lieber. Favorisieren bedeutet für mich, dass etwas besonders schön ist und ich dies ausdrücken will und/oder es für später speichern. Vielleicht geht es aber auch darum. Man soll nicht nur orats favorisieren, denen man zustimmt, sondern solche, die besonders gut sind. Die sauber argumentieren.

Sortieren

Orats werden aufgrund der Anzahl an Favorisierungen sortiert. Somit sollten solche, die besonders gut sind und/oder denen viele zustimmen an höchster Stelle stehen.

Vernetzung

Alle Diskussionen werden auch auf orat.io angezeigt. Mit Link zum Artikel und allem. Darüber kann man ein anderes Publikum erreichen. Wie gut das funktioniert wird sich erst noch herausstellen. Auch ist es fraglich, ob es funktioniert, wenn andere sich in die Diskussion einmischen ohne den Artikel jemals gesehen zu haben.

Einbau in 3 Schritten

orat.io Einbauorat.io Einbau

  1. Anmelden
  2. Organisation erstellen
  3. Widget-Code einfügen

Sehr einfach. Allerdings momentan noch ohne jeglichen Anpassungsmöglichkeiten. Design passt bei mir überraschend gut in den Blog. Ich habe es vorerst oberhalb des Kommentarbereichs in die comments.php eingefügt. Grundsätzlich könnte man die normalen Kommentare auch entfernen, aber dafür ist es mir noch zu neu und unsicher. Außerdem mag ich die langen Kommentare in meinem Blog. Für diesen Beitrag habe ich sie testweise abgestellt.

Meine Wünsche an orat.io

  • Einfache Integration innerhalb des Artikels, damit man Meinungen zu bestimmten Punkten abfragen kann.
  • Am besten als WordPress Plugin
  • Ein großes Problem mit Drittanbierkommentarplattformen ist deren Veränderung und/oder verschwinden. Ich will alles irgendwie in meine WordPress-Kommentardatenbank gesynct haben. Sodass ich orat.io jederzeit abschalten könnte
  • Mehr Sortierfunktionen. Bei größeren Diskussionen möchte ich manchmal die aktuellsten Dinge zuerst lesen.
  • Ich möchte, dass man nur bei mir kommentieren kann und nicht in orat.io selbst. Weil ich glaube, dass es doof ist, wenn man den Artikel nicht gelesen hat.
  • ???

Andere Lösungsansätze

Disqus und Livefyre fallen sofort ein, wenn man an Kommentartools denkt. Diese setzen vor allem auf Threading, unterschiedliche Sortierfunktionen und Registrierung mit Social Network Accounts.

Ich mag auch den Ansatz von Medium, dass man direkt zu einzelnen Absätzen kommentieren kann, statt nur am Ende auf den gesamten Beitrag.

Fazit und eure Meinung

Ich finde den Ansatz spannend und glaube, dass es gerade bei Onlinezeitungen super funktionieren könnte. Ich glaube nicht, dass es klassische Kommentarfunktionen ersetzen kann, weil die Längenbeschränkung und Einordnung größere Gedankengänge und Diskussionen verhindert. Innerhalb von Artikeln kann ich es mir aber auch gut auf Blogs vorstellen. Oder als Alternative bei bestimmten Beiträge, die sich dafür eignen. Aber genug von mir, machen wir den Test:


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