Im Fallen lernst du manchmal erst, wo deine wahre Stärke wohnt. Und zwischen Schnee, Risiko und Nähe findet dein Herz den Mut, wieder zu schlagen.
Cover von On Edge – Finde die Balance
Manchmal braucht es einen Sturm, um endlich wieder atmen zu können.
Wenn Kontrolle zur Last wird – Es gibt Geschichten, die nicht mit einem Knall beginnen, sondern mit einem feinen Zittern unter der Haut. Einem inneren Brennen, das uns ahnen lässt, dass etwas im Gleichgewicht fehlt. „On Edge – Finde die Balance“ von Lara Jay ist genau so eine Geschichte. Sie erzählt von dem Versuch, alles zusammenzuhalten, während man im Inneren längst brennt. Von Kontrolle, die zu einer Illusion wird – und von der schmerzhaften Erkenntnis, dass fallen manchmal der einzige Weg ist, wieder aufzustehen.
Der Roman beginnt mit einem Satz, der direkt ins Herz trifft: Du bist so mit Kontrolle beschäftigt, dass du gar nicht merkst, wie sehr sie dich auffrisst. Dieser Gedanke zieht sich wie ein goldener Faden durch die gesamte Geschichte und wird zu einem leisen, aber kraftvollen Echo, das noch lange nachhallt. Wenn du jetzt neugierig geworden bist, dann nehme ich dich gerne mit auf eine Lesereise. Auf geht’s…
Der Weg einer Tänzerin – Elena zwischen Glanz und Leere – Elena ist eine dieser Figuren, die dich sofort spüren lassen, wie dünn die Schicht aus Perfektion sein kann, hinter der man sich versteckt. Auf der Bühne makellos, diszipliniert bis in die Haarspitzen, getragen vom Rhythmus, der ihr Leben strukturiert – und gleichzeitig vollkommen ausgebrannt. Lara Jay zeichnet ihr Innenleben mit einer Feinheit, die unter die Haut geht: Da ist der Ehrgeiz, der sie trägt, aber auch der Druck, der sie zerreibt. Da ist der Applaus, der sie feiern soll, aber nur noch als Echo verhallt.
Und da ist der Schmerz, der sich leise ausbreitet, bis sie selbst kaum noch erkennt, wer sie ohne ihr Tänzerinnen-Ich eigentlich ist. Dass sie eine Auszeit braucht, ist unausweichlich. Doch die Dolomiten sind weit mehr als ein Rückzugsort: Sie werden zum Wendepunkt. Zum Raum zwischen Stillstand und Aufbruch. Zwischen dem Mädchen, das funktionieren wollte – und der Frau, die neu lernen muss, wie man lebt.
Luca Della Rosa – Rebellion, Verletzlichkeit und ein Herz unter Schnee – Luca tritt in Elenas Leben wie eine Schneelawine: laut, ungefiltert, kantig. Ein Ex-Skirennfahrer, der scheinbar alles verloren hat, was ihm einst Halt gab. Er ist Reizexplosion und Schutzmauer zugleich. Ein Mann, der sich in seiner eigenen Unruhe eingerichtet hat, weil Stille ihn zu sehr an das erinnert, was er verdrängt. Und gerade deshalb ist es so faszinierend, wie Elena und Luca aufeinandertreffen: wie zwei Menschen, die auf ganz unterschiedliche Weise gefallen sind – und dennoch etwas im anderen finden, das sie wieder aufrichtet. Lara Jay gelingt das seltene Kunststück, die Dynamik zwischen ihnen nicht überreizen zu lassen, sondern sie mit feinen Zwischentönen aufzuladen. Mit Blicken, die mehr sagen als Worte. Mit Schweigen, das manchmal schmerzt und manchmal rettet. Mit Funken, die nicht laut knistern, sondern tief brennen.
Der Deal – Spiel oder Rettungsanker? Dass Luca Elena vorschlägt, seine Freundin zu spielen, wirkt zunächst absurd – und genau darin liegt die Kraft dieses Moments. Zwei Menschen, die beide Kontrolle verloren haben, versuchen sie durch einen fragwürdigen Deal zurückzuerlangen. Ein Spiel, das harmlos beginnt und doch mehr Schichten freilegt, als ihnen lieb ist. Der Freeride-Aspekt wird zu einer wunderschönen Metapher: Fürs Loslassen. Fürs Vertrauen. Fürs Fallen. Lara Jay zeigt eindringlich, wie gefährlich es werden kann, wenn man glaubt, jede Abfahrt, jede Emotion, jeden Schritt kontrollieren zu können. Und wie befreiend es sein kann, wenn man erkennt, dass Mut im Kontrollverlust liegt – nicht in der Perfektion.
Die Dolomiten – ein Setting, das atmet – Selten schafft es ein Roman, die Natur so unmittelbar spürbar zu machen. Die Dolomiten sind nicht nur Kulisse, sondern Mitspieler: der kalte Atem des Winters, der in jede Szene fließt, die Weite der Berghänge, die Elena zum ersten Mal wieder Raum zum Atmen geben, und das tiefe Schweigen, das Luca und sie miteinander teilen. Dieses Setting ist Schnee, Licht und Kante – und gleichzeitig Wärme. Ein Ort, der wehtut und heilt. Ein Ort, der Grenzen sichtbar macht und Horizonte öffnet.
Schreibstil – klar, emotional und voller Zwischentöne – Lara Jays Stil ist wie der erste Atemzug nach einer zu langen Nacht: klar, frisch und ehrlich. Sie schreibt nicht in großen Gesten, sondern in leisen, schneidenden Bildern. In Momenten, die unaufgeregt beginnen und mit voller Wucht treffen. Ihre Figuren sprechen wenig über das, was sie fühlen – und doch fühlt man jede Bewegung in ihnen. Jeder Dialog trägt Gewicht. Jede Stille Bedeutung. Der Roman ist emotional ohne Überladenheit, intensiv ohne Kitsch, tief ohne Pathos. Genauso liest sich moderne Winter-Romance im besten Sinne.
FAZIT: Eine Geschichte über Mut, Verlust, Balance und die Kraft, sich selbst wiederzufinden – Dieser Roman bekommt von mir eine absolute Leseempfehlung. „On Edge – Finde die Balance“ ist weit mehr als eine Liebesgeschichte. Es ist ein Roman darüber, wie schmerzhaft es ist, das eigene Fundament zu verlieren – und wie ungeahnt schön es sein kann, ein neues zu bauen. Lara Jay führt ihre Figuren nicht in ein leichtes, glitzerndes Wintermärchen, sondern in eine stille, ehrliche Auseinandersetzung mit sich selbst. Der Roman zeigt, dass Kontrolle nicht Sicherheit bedeutet. Dass Perfektion niemals Liebe ersetzt. Und dass Fallen nicht Scheitern ist – sondern manchmal die einzige Möglichkeit, den eigenen Schwerpunkt wiederzuentdecken. Elena und Luca erzählen eine Geschichte über Mut, Nähe und Verletzlichkeit, die wie kalte Winterluft klar und scharf durch die Brust fährt – und gleichzeitig ein warmes, leuchtendes Echo hinterlässt. Für mich ist dieser Band ein Auftakt voller Gefühl, Tiefe und einer ganz besonderen Wintermagie. Ein Roman, der noch lange nach dem letzten Satz in einem weiterklingt.
Persönliches Schlusswort – Ich habe diesen Roman mit einem wachsenden Knoten im Bauch gelesen – und mit einer Wärme, die sich leise, aber beharrlich ausgebreitet hat. Vielleicht, weil ich mich in Elena wiedergefunden habe. In ihrem Versuch, alles zu kontrollieren, um ja nicht zu fallen. Vielleicht auch in Luca, der hinter seiner Wildheit mehr Schmerz trägt, als er zeigen will. Ganz sicher aber in dem Moment, in dem beide erkennen, dass man manchmal genau dann am stärksten ist, wenn man nicht mehr perfekt funktionieren muss. „On Edge – Finde die Balance“ hat mich daran erinnert, wie wichtig es ist, das Leben nicht festzuhalten, sondern es zu fühlen. Wie befreiend es ist, Kontrolle loszulassen.
Und wie heilsam ein Mensch sein kann, der trotz aller Schichten sieht, wer man darunter wirklich ist. Es ist ein Buch, das mich nicht nur unterhalten, sondern bewegt hat – und mich mit einem Gefühl zurücklässt, das ich besonders liebe: dem sanften, stillen Wissen, dass Heilung immer möglich ist. Auch im tiefsten Winter. Mir bleibt jetzt nur noch dir eine schöne Lesereise zu wünschen, denn das ist ein Buch, das genau dort ansetzt, wo viele selbst nicht hinschauen wollen: am Punkt, an dem die Kontrolle zur Fessel wird – und das Loslassen zur Freiheit.
Wieder lege ich ein sehr tolles Buch beiseite und freue mich schon, euch bald den zweiten Band dieser Reihe vorzustellen. Bis es so weit ist, schau ich auf meinem Reader, was ich finde. Dort warten noch viele interessante Bücher. Bleibt also neugierig und bis bald 
