„Erinnerungen verschönern das Leben, aber das Vergessen allein macht es erträglich“, findet Honoré Balzac – Sabine Monzel sieht Erinnerungen lieber als Berufung: für ihre Erinnerungsbücher stöbert sie gemeinsam mit alten Menschen in deren Vergangenheit und taucht bei Gesprächen tief in persönlich Erlebtes ein.
Dabei hört sie manchmal „furchtbar trauriges“, oft genug auch lustige oder denkwürdige Anekdoten: „Einmal erzählte mir ein Mann von einer Italienreise, bei der er durch ein Missverständnis in den falschen Zug eingestiegen ist. Genau an diesem Tag kam es zu dem verheerenden Erdbeben von 1908, bei dem der ursprünglich gebuchte Zug vollständig im Meer versank“, so Sabine Monzel.
„Für mich ist das gelebte Leben eines Menschen wie ein Schatz, den es aufzubewahren lohnt. Dafür eignet sich ein Buch hervorragend“, sagt die Betreuungskraft, Hospizarbeiterin und Herausgeberin. Dabei komme es nicht darauf an, ob in einem langen Leben spannende Dinge passiert sind oder ob alles vollständig erinnert wird. Viel wichtiger seien Interesse und Wertschätzung: „Viele alte Menschen werden irgendwann auf ihre Rolle als Oma oder Opa reduziert. Dass Opa mal Ingenieur und in der ganzen Welt unterwegs war, wird dabei völlig vergessen.“
Besonders wichtige Kapitel sind für die Erzählenden fast immer Kindheit und Jugendzeit. Daran erinnern sich sogar Demenzkranke, die Sabine Monzel ebenfalls besucht. Dann heißt das Buch eben anders: „Was meiner Seele gut tut“. Denn für Sabine Monzel zählen auch bruchstückhafte Erinnerungen eines Menschen: “Sie sind wie Mosaiksteine einer Identität, die es zu schätzen und zu schützen gilt.”
Für Sabine Monzel ist es immer wieder erstaunlich zu hören, wie alte Menschen ihr Schicksal gemeistert haben. Vor allem wenn Lebenspläne zum Beispiel durch Krieg oder andere dramatische Ereignisse von außen völlig zerstört worden sind. “Trotzdem habe ich bei meiner Arbeit jedes Mal Menschen getroffen, die ohne Bitterkeit weiter leben. Und ich habe festgestellt: mit Humor lässt sich im Leben vieles leichter ertragen!“
Initialzündung für die Erinnerungsbücher war der 80. Geburtstag ihres Vaters: „Aus Fotos und aufgeschriebenen Erinnerungen habe ich ein Buch gemacht und ihm geschenkt. Er hat sich unglaublich gefreut und ist kurz darauf gestorben. Das hat mich tief berührt und ich dachte: wenn so ein Buch meinem Vater helfen konnte, Frieden mit seinem Leben zu schließen, können es auch andere schaffen“, erinnert sich Sabine Monzel.
Meist sind es Angehörige die bei Sabine Monzel ein Erinnerungsbuch in Auftrag geben. Zu einem runden Geburtstag etwa, „oder einfach, dass der ältere Verwandte nicht so einsam ist“, erzählt sie. Rund zehn mal besucht Sabine Monzel die „Hauptdarsteller“ für etwa eineinhalb Stunden, dann ist es oft traurig, dass „man sich nicht mehr sieht“. Was bleibt sind ein Buch, auf das alle stolz sind, spannende Rückblicke auf große Erfahrungsschätze und die Erkenntnis, dass es sich lohnt, „die eigene Grundhaltung ein Leben lang zu überprüfen“. www.wuerde-des-alters.de