Ein kurzer Blick auf Ursachen und weitere Entfaltung des Ukraine-Konflikts
Streifzüge 62/2014
Winter is coming – und in der Ukraine wird er ungeachtet aller konkreten Witterungsbedingungen sehr hart ausfallen. Zwar ließ der scheidende EU-Kommissionspräsident Barrosso Ende Oktober anlässlich der vorläufigen Einigung zwischen der Ukraine und Russland über künftige Gaslieferungen verlauten, dass nun „niemand in Europa mehr frieren“ müsse, doch die Realität zwischen Lviv und Lugansk wird sich kaum dieser Beschwörungsformel fügen.
Wohl hat Kiew auch rund eine Million Tonnen Steinkohle aus Südafrika, größtenteils auf Kredit, erworben, die dem geschundenen Land über die kalte Jahreszeit helfen sollen. Aber angesichts der dennoch zu erwartenden Engpässe bei der Energieversorgung hat die Regierung in Kiew die vorgeschriebenen Raumtemperaturen in den Plattenbauten der Ukraine auf 16 Grad Celsius absenken lassen. Diese Energiekrise resultiert nicht nur aus der Unwilligkeit des aufständischen Donezker Kohlereviers, den Rest des auf Westkurs gebrachten Landes mit Kohle zu versorgen, sondern bei den monatelangen schweren Kämpfen ist in den abtrünnigen Volksrepubliken Donezk und Lugansk auch ein Teil der Förderkapazitäten und der industriellen Infrastruktur zerstört worden, mittels derer das zerrissene Bürgerkriegsland mit dem für die Heizperiode unabdingbaren Energieträger Steinkohle hätte versorgt werden können: Die Mehrzahl der Kohlebergwerke im Donezkbecken hat ihren Betrieb aufgrund der Verwüstungen einstellen müssen, während das Schienennetz durch zahlreiche Sprengungen und Sabotageakte stark beschädigt ist. Da polnische Steinkohle aus dem schlesischen Industrierevier sich zur Verfeuerung in den ukrainischen Kraftwerken nicht eignet, musste Kiew den Energieträger aus der südlichen Hemisphäre importieren – bei einem Transportweg von 10.000 Kilometern.