Hinter der Idee, den Bäumen dieser Welt ein ganzes Jahr zu widmen, steckt dieses Ziel: Bewusst zu machen, in welch vielschichtiger Weise die Wälder unser Leben prägen – und andersherum wir das Leben der Wälder. Über die Rolle der Korkeiche für Mensch und Umwelt ist jedoch nur wenig bekannt. Dabei sind allein mit dem portugiesischen Korkeichenwald 12.000 Arbeitsplätze in der Industrie und 6.500 in der Forstwirtschaft verbunden. Dazu kommen Tausende indirekte Stellen, die mit anderen Produkten der Korkeiche zusammenhängen, wie Viehzucht, Gaststättengewerbe oder Tourismus.
Als recycelbares Material erlebt Kork derzeit ein großes Revival. Immer mehr Designer entdecken den nachhaltigen Naturstoff für sich und machen zum Beispiel mit außergewöhnlichen Korkmöbeln auf sich aufmerksam, Hersteller von Korkböden wetteifern mit neuen Design-Ideen. Und Kork versteckt sich auch an weniger offensichtlichen Orten, an denen er Sicherheit und Komfort schafft. In Start- und Landebahnen auf Flughäfen sorgt er als natürlicher Stoßdämpfer für eine weiche Landung. In Schutzhelmen fängt das robuste, elastische Material Stöße sicher ab. Und am Arbeitsplatz schützt er als Boden- oder Wandbelag vor Schall und Vibration. Sogar ins All schafft es Kork: Die NASA nutzt ihn für den Wärmeschutzschild ihres Space Shuttle. Viele Gründe, um einmal nachzuhaken: Was ist das für ein Baum, der einen solchen Alleskönner hervorbringt?
Die Erfolgsgeschichte der Korkeiche beginnt nicht erst heute, sondern schon vor Millionen von Jahren, als sich die ersten Exemplare aus der Untergruppe der Zerreichen aus der Erde wagen. Ihre große Stunde schlägt vor etwa 10.000 Jahren: Mit dem Ende der Eiszeit erobert sie sich ihren heutigen Verbreitungsraum im mediterranen Raum – 2,2 Millionen Hektar. Zahlen wie diese sagen einiges über die Widerstandskraft und Lebenskraft eines Baumes aus, der imstande ist, Kälte- und Wärme-Perioden zu überstehen und mühelos ein Alter von über 200 Jahren erreicht. Das Geheimnis seines triumphalen Erfolgs: die bemerkenswerte Rinde.
Die Korkeiche ist der einzige Baum, der immer wieder eine neue Rinde bilden kann. Dafür fügt sie jedes Jahr über eine Reihe von Mutterzellen neue Zellen hinzu. Im Gegensatz zu den Mutterzellen anderer Bäumen bleiben die der Korkeiche ein Leben lang aktiv. Auch durch ihre Vielseitigkeit ist die elastische Korkrinde einzigartig. Sie schützt den Baum gegen Feuer und Hitze, Kälte und Feuchtigkeit, Gase und Schall. Vor allem ihre Hitzeresistenz sicherte bei Waldbränden im Laufe der Geschichte das Überleben der Korkeiche.
„Die Fähigkeit der Korkeiche, ihre Rinde zu regenerieren, macht die Ernte besonders nachhaltig. Dieser Baum wird geschält und nicht gefällt – beste Voraussetzungen also, um ein hohes Alter zu erreichen", sagt Tomas Cordes, Sprecher des Vorstands, Deutscher Kork-Verband. Die schonende Ernte ist eine Handwerkskunst, die seit Jahrhunderten in den Familien der Korkbauern von Generation zu Generation weitergereicht wird und den Fortbestand dieser Bäume sichert.
Von welcher Ernte kann schon behauptet werden, dass sie zum Klimaschutz beiträgt? Nur von dieser: Tatsächlich bindet eine beerntete Korkeiche bis zu viermal so viel Kohlendioxid wie eine ungeschälte. Jeder Baum dieser Erde nimmt bei der Fotosynthese CO2 auf, das in organisches Gewebe umgewandelt wird. Doch Korkeichen können sehr alt werden, so dass sie das Kohlendioxid über eine besonders lange Zeit einlagern. Die weltweiten Korkeichenwälder binden jährlich über 14 Millionen Tonnen CO2. Allein die Korkeichen Portugals, des größten Korkproduzenten der Welt, nehmen auf der Fläche von 736.000 Hektar in einem Jahr 4,8 Millionen Tonnen Kohlendioxid auf – so viel wie der Jahresausstoß von rund 1,6 Millionen PKW [1].
Tomas Cordes: „In Sachen Umwelt brechen die Korkeichen einen weiteren Rekord: Die Wälder sind Hotspots der Artenvielfalt – Anlass für die ‚Natura 2000', sie in ihren europaweiten Verbund von Naturschutzgebieten aufzunehmen." Das ausbalancierte Ökosystem der Korkeichenwälder ist in Europa einmalig. 15.000 bis 25.000 Pflanzenarten leben im Mittelmeerbecken, über die Hälfte davon gibt es – wie die Korkeiche – nur in dieser Region. Bis zu 135 Spezies gedeihen auf 1.000 Quadratmetern. Auch die Tierwelt fühlt sich in den Korkeichenwäldern wohl. Diese sind Heimat bedrohter Arten wie dem Iberischen Luchs und dem Kaiseradler sowie für mehr als 160 Vogelarten. Die Baumkronen bieten das ganze Jahr über – vor allem während der Brutzeit – einen wichtigen Schutz und Zufluchtsort für Vögel. Speziell die portugiesischen Korkeichenwälder, Montados genannt, beherbergen zudem Millionen von Zugvögeln aus Nordeuropa, einschließlich der gesamten Kranich-Population.
Es verwundert also kaum, dass ein so bedeutender und markanter Baum wie die Korkeiche in Ländern wie zum Beispiel Portugal Bestandteil der regionalen Identität ist. Dabei ist dieser Baum mehr als ein Symbol für Nachhaltigkeit und Vielseitigkeit: Er schafft mehr Lebensqualität für Mensch, Tier und Pflanzen.