Oh Vodafone: Plädoyer für einen Kurswechsel

Erstellt am 24. Oktober 2013 von Hrgajek

Das älteste deutsche private Telekommunikationsunternehmen (und der zweite Mobilfunkanbieter in Deutschland nach Telekom (D1) startete 1991/92 als Mannesmann D2. Schnell war man Marktführer. Nun droht der Absturz auf den letzten Platz. Ein Plädoyer für einen Kurswechsel.

Vodafone – ein Netz für Profi-Telefonierer?

Der erste Eindruck sei immer der prägendste, sagt man. Die Pressedame, die mir 1992 eine Testkarte in Aussicht stellte (aber nie zuschickte), die Vertriebsdame, die im superschicken dunkelblauen Kostüm auf meine einfachen Fragen nur “Wird sind doch privat, D2 Privat” näselte.

Meine ersten “Gehversuche” fanden 1992 mit einer D2-SIM-Karte statt. Kristallklare Sprachqualität, aber es ging noch nicht überall. Deswegen entschied ich mich 1993 für D1, verglich aber immer wieder mit D2. Die Meßlatte, die eigene Wohnung: Sowohl mit D1 als auch D2 nicht wirklich gut versorgt. Immer wieder stellte ich mir die Frage, was ein Netzwechsel bringen könnte.

D1 baute um die Ecke zuerst eine GSM-Station (heute mit HSPA), D2 erweiterte später mit einer reine UMTS-Zelle (inzwischen auch HSPA).

1994 ging E-Plus an den Start, später kam VIAG Interkom (heute o2) dazu. Vier Karten in vier Netzen waren für den wahren Fan Pflicht.

Wenn es um mobile Daten in Deutschland ging, war Mannesmann D2 lange führend. Eine spezielle e-mail Adresse, die per SMS auf dem D2-Handy signalisiert wurde, als erster der aktive Versand  (SMS-MO) von Kurznachrichten, eine Sprachmailbox, die auch Faxe empfangen und e-mails vorlesen konnte und das per SMS alarmierte, das war wegweisend und Mannesmann D2 führend.

D2 Privat galt als das Netz für professionelle Mobiltelefonierer, die ein Mobiltelefon als Werkzeug benötigen, was immer und überall funktionieren sollte.

Folgerichtig peilte Mannesmann Geschäftskunden und ambitionierte Privatkunden an, die einen besseren Service als bei der “Behörden-Telekom” wollten und dafür auch bereit waren, ein paar Mark oder Euro mehr auszugeben. Geleitet von Jürgen von Kuczkowski, mit weissen Haaren, einem ruhigen “elder statesman”, der das Unternehmen lange Jahre erfolgreich steuerte. Tarifinnovationen der Bonner Konkurrenz wurden von D2 meist übernommen, aber mit einem gewissen Pfiff “veredelt”.

D2 eröffnete im längst vergessenen Online-Dienst “Compuserve” ein D2PRIVAT Forum. Lange bevor man das Wort “Facebook” überhaupt “denken” konnte, gab es da ein Kundenforum, wo schnell und unkompliziert Probleme gelöst und Kunden zufrieden gestellt wurden.

Doch eines Tages war dieses Forum zu. Einfach so – ohne Vorwarnung.

Erst nach intensiver Recherche war inoffiziell zu erfahren, daß es einigen Mitmenschen im D2-Vertrieb “unheimlich” geworden sei, daß hier ein schneller und effizienter Kundenservice an allen Dienstwegen vorbei, etabliert worden war. Das durfte nicht sein.

Aus England kam die Vodafone plc und übernahm für sehr viel Geld die Mannesmann Mobilfunk. Spätestens jetzt schlichen die deutsch-britischen Kostenrechner durch die Flure, die jeden Mitarbeiter und alle Angebote und Dienstleistungen permanent in Frage stellten. Das Netz war ja “eh da”, der Kunde sollte um jeden Preis “optimiert” werden, sprich der ARPU (durchschnittlicher Umsatz) gesteigert werden, koste es was es wolle: Hier noch eine Karte, da noch eine Option, aber möglichst wenig Ausgaben zu Gunsten des Kunden (z.B. Netzausbau), da im weltweiten Vodafonekonzern dringend Geld für Zukäufe und Investitionen in neue Märkte zu finanzieren waren und die Rendite durfte auch nicht aus den Augen verloren werden.

Zunächst fiel das kaum auf. Wenn ein Kunde auf das neueste Handy “scharf” war, ging er in einen Vodafone-Laden und kam nicht nur mit dem Wunschhandy, sondern oft auch mit weiteren Verträgen und ihm oft unbekannten zusätzlichen neuen Rufnummern wieder heraus, die monatliche Rechnung sank dabei nicht, sondern stieg.

Weitere Beispiele: Ein Kunde, der ein neues Handy brauchte, wurde von der Hotline barsch abgekanzelt: “Sie haben doch gerade erst ein neues Gerät bekommen!” Nach massiven Beschwerden stellte sich heraus, dass entweder in einem völlig unbekannten Shop ein “Versehen” vorlag oder ein Shopmitarbeiter dort meinte, die hohen Anforderungen an seine Kartenschaltungs-Umsatzziele nur durch “kreative Kartenfreischaltung” erfüllen zu können.

Den von E-Plus vorgelebten Trend zum Discount-Tarif sah man bei Vodafone in Deutschland lange sehr skeptisch – durchaus zu Recht. Doch irgendwann gab Vodafone Deutschland seinen  Widerstand auf. Millionen discounthungriger Kunden buchten Flatrates für dieses und jenes und surften und saugten wie die Weltmeister, für möglichst wenig Geld.

Linderung konnte der BlackBerry für Prepaidkunden bringen, aber bis zur Realisierung dauerte es rund 2-3 Jahre. Nur bis zu den Shops an der Straßenecke hat sich die Möglichkeit, die bis heute einzig und alleine Vodafone in Deutschland bietet, nicht herumgesprochen.

Nun also Discount bei D2 zum Tiefstpreis. Viele Kunden, denen Daten bisher zu teuer gewesen waren, surften los. Das Datennetz von Vodafone ging in die Knie. In der Region ohne UMTS-Abdeckung, wo EDGE eher mit “Extremes Datenschleichen bis an die Grenze des Erträglichen” übersetzt werden muss, sind Datenraten von 0 (null) einigen Kunden ofters untergekommen. Auch UMTS (3G) ging punktuell in die Knie, denn ab einer gewissen Nutzerzahl in einer Funkzelle tritt bei 3G prinzipbedingt der unschöne Effekt auf, daß auf einmal kein einziger Nutzer mehr Daten bekommt, weil das Netz mit sich selbst beschäftigt ist.

Die Hauptabteilung Technik hatte das bei vodafone schon lange kommen sehen. Doch deren vorsichtigen Prognosen wurden lange intern nicht geglaubt, während die Kunden draußen die Netze fluteten. Lange Jahre focht die deutsche Filiale in Düsseldorf mit der englischen Zentrale heiße Gefechte aus: “Gebt uns mehr Geld für den Netzausbau!” “Wozu?”

Irgendwann, als es gar nicht mehr anders ging, wurden die Rufe endlich erhört. So schnell geht der Netzausbau nicht, die Komponenten müssen bestellt, produziert und geliefert werden und draußen explodieren die Datenmengen weiter. Was heute noch die Daten-Autobahn ist, kann morgen schon der Datenfeldweg sein.

Längst ist vodafone dabei, sein komplettes Netz komplett auf den Kopf zu stellen: Eine Operation am offenen Herzen. Da werden Stationen tageweise abgeschaltet, die Antennen und weitere Hardware getauscht und danach arbeitet dort ein Stück Software, das wahlweise GSM, UMTS, HSPA oder LTE “sprechen” kann, jede Station kann danach jede mögliche Übertragungstechnik aus einer Kiste, der Fachmann spricht von “Single RAN” oder “Pizzabox”. Grob die Hälfte aller Stationen dürfte Vodafone bereits ausgetauscht haben, aber es gibt noch viel zu tun.

Bei Netztests ist Vodafone vom langjährigen ersten Platz verschwunden. Zwar halten sie oft noch Position 2, bei einer aktuellen Umfrage des Branchennachrichtendienstes Teltarif.de rutschte Vodafone soeben ganz klar auf Rang 3 ab, hinter E-Plus! Alten Mannesmann/Vodafone Kämpfern dürfte fast das Herz stehen geblieben sein.

Der Sparzwang

Durch sinkende Einnahmen von der Kundenseite stieg der extreme Sparzwang weiter. Alles, was die Kostenrechner für “überflüssig” hielten, wurde geopfert.

Technik und Wartung? Kostet Geld. Lagern wir aus. Soll doch der langjährige Hauptlieferant “Ericsson” aus Schweden das Netz warten und am Laufen halten. Netzkontrolle? Nach Rumänien bitte. Ist viel günstiger. Wie, falls überhaupt, Störungsmeldungen des Kunden über die Hotline zur Netzkontrolle gelangen? Wir können es nur vermuten.

IT – sprich Datenbanken und Informationssysteme? Lagern wir aus, beispielsweise nach Indien oder mindestens an externe Dienstleister in Europa.

Datenschutz? Nun ja… ab und zu kamen ein paar Kundendaten abhanden, aber wo gibt es heute noch umfassenden Datenschutz? Telefoniert nicht auch Angela M. aus Berlin mit Vodafone? Sie hat sich jetzt bei Präsident Obama massiv beschwert.

Die Vodafone-Hotline? Kostet uns viel zu viel.

Die Prepaid-Kunden betreuen wir von Kairo aus, für einen Bruchteil des Preises. Vertragskunden? Deutschsprachige Hotliner finden wir auch in…. Rumänien. Dort leben die Nachfahren einer deutschsprachigen Volksgruppe.

Es kam was kommen mußte: Ansprüche und Mentalitäten der genervten Kunden prallen auf die Welt eines einsamen weit entfernten Hotliners, der oder die froh ist, einen Job zu haben aber nur das tun kann, was vorher erklärt und erlaubt wurde. Echte Kundenorientierung wird da schwierig, besonders wenn wacklige VoIP Verbindungen zur Hotline den “Service” torpedieren. “W.. aben S. g.agt? Hallo?”

Die verbliebenen Mitarbeiter in Deutschland sind frustriert, wenn ihnen immer mehr Leistung für immer weniger Geld abverlangt wird, viele sind in andere Jobs gewechselt (wenn möglich) oder haben innerlich aufgegeben und machen nur noch Dienst nach Vorschrift.

Anrufe bei der Hotline ähneln einem Lotteriespiel. “Wichtige” Kunden kommen schnell durch, Kunden, die als “problematisch” oder “unwichtig” angesehen werden, landen in endlosen Warteschleifen, der Kunde weint sich stattdessen gut sichtbar im Internet aus.

Das ungeliebte Festnetz

Vodafone kaufte irgendwann den privaten Festnetz-Pionier Arcor, war sich aber lange nicht im klaren, was man damit anfangen sollte. Arcors Startschwierigkeiten im Festnetz waren immens gewesen, ungeklärte Pannen, Zuständigkeiten und kleine Nadelstiche durch die Deutsche Telekom machten das Leben eines privaten Festnetzanbieters schwer. “Weg damit”, schlugen die Briten vor, doch am Ende konnte Technik Chef Hartmut Kremling überzeugen, dass ein eigenes Festnetz bitter notwendig ist, schließlich müssen die Sendestationen und Vermittlungsrechner miteinander verbunden werden. Per Richtfunk ist das machbar, aber über Kabel oder Glasfaser viel robuster und leistungsfähiger.

Nun hat Arcor in den seltensten Fällen einen direkten (Kupfer)Draht zum Endkunden und die letzte Meile bei der Telekom zu mieten, ist eigentlich viel zu teuer, wenn die Kunden eine Telefon und Daten-Flat für maximal 20 Euro/Monat erwarten.

Da hatte Vodafone Chef Fritz Joussen die geniale Idee, den Kabelfernsehnetzbetreiber Kabel Deutschland zu kaufen. Der hatte schnelle Leitungen zu den Kunden und auch ein Verbindungsnetz. Verlangter Kaufpreis so um die 2 Milliarden.

Doch Joussens Chef Vittorio Colao traute sich nicht. Als neues Ziel wurde die Mobilfunktechnik LTE auf den Schild gehoben. Man müsse nur bundesweit flächendeckend LTE auf und ausbauen, dann ginge alles wie von selbst. Die Kunden aber hatten vielleicht gerade erst ein UMTS fähiges Telefon erstanden, zumal LTE als “Premium”-Produkt monatlich extra Gebühren kosten sollte. Und das Kultobjekt “iPhone” konnte zunächst nur LTE auf 1800 MHz, was hierzulande nur der Erzrivale Telekom anbietet, Vodafone aber nicht. Schwierig.

Joussen wechselte zur TUI, ein Branchenriese der Reisetouristik, die übrigens eine preiswerte Reise-SIM-Karte (von Vodafone) verkaufen.

Sein Nachfolger wurde Jens-Schulte Bockum, ein graduierter Master of Economics der Universität in Chicago. Der hatte Erfahrungen bei der Unternehmensberatung McKinsey gesammelt, organisierte Vodafone NL um und arbeitete lange in der Vodafone-Konzernzentrale im britischen Bradbury. Der erste Eindruck: sympathisch.

Schulte-Bockum durfte – besser mit seinem Chef vernetzt – Kabel Deutschland (KDG) kaufen, jetzt aber für 11 Milliarden. Das Kartellamt winkte überraschenderweise durch.

Die Idee: KDG übernimmt den kompletten Festnetz-Privatkundenbereich und “motiviert” die Kunden, allerlei Zusatzdienste wie Fernsehprogrammpakete zu nehmen, die bei jüngeren Kunden wohl ankommen, von älteren Kunden oder Menschen mit beschränktem Budget eher abgelehnt werden.

Interne Kritiker lehnen den KDG-Deal bis heute kategorisch ab. Der Kaufpreis sei viel zu hoch. Keiner wisse, wie stabil der Backbone der KDG für die Anschaltung der Sendestationen wirklich sei, ausserdem stehen viele Sender gerade dort, wo es keine Leitung von KDG gibt. Bei weitem nicht alle Vodafone- Festnetzkunden seien auch per TV-Kabel erreichbar. Wie lange dauert die Integration der verschiedenen Strukturen und wieviele Arbeitsplätze müssen geopfert werden. Was werden die Kunden sagen?

Bitterböse Kritiker schlagen sogar vor, ihren Chef http://youtu.be/iZFQt8Knxh4” target=_blank”>”Jens outzusourcen”</a> Immerhin konnten ihm Gewerkschaften und Betriebsrat eine separate Service-Gesellschaft mit schlechteren Sozialleistungen und Gehältern ausreden, aber die Einstiegsgehälter wurden radikal gekürzt.

Probleme wohin man schaut

Netzprobleme, Hotline-Ärger, frustrierte Mitarbeiter: Irgendwan reißt den geduldigsten Kunden der Geduldsfaden. Die Kundenzahlen sinken dramatisch im Millionenbereich, nachzulesen im jeweiligen Jahresbericht.

Schulte Bockum ließ die Lage im Vertrieb analysieren. Die vom Lebensmittelhändler Tengelmann zu Vodafone gekommene CRM-Managerin Susan Hennersdorf hatte schnell erkannt, daß die Kunden ein Problem damit haben, einen Handyladen aufzusuchen, lieber gehen sie zum zahnarzt. Man wisse ja nicht, was man im Handyshop verkauft bekomme, was es kostet und selbst wenn man “nein” gesagt habe, gaben Kunden zu Protokoll, seien Optionen trotzdem geschaltet worden.

Eine brilliante und durch und durch zutreffende Analyse. Problem erkannt. Was würde sich ändern?

Ja: Ein schicker Flagship Store in Köln als Versuchslabor und Vorbild für künftige Shops, doch kaum sind die Chefs weg, gerät der ratsuchende Kunde in Köln in Vergessenheit, die gepredigte neue Kundenorientierung scheint schon verpufft? Schade.

Im Zeitalter von Social Media melden sich frustrierte Kunden sofort zu Wort, etwa auf Facebook. Natürlich an einem Wochenende, wo Pressestellen und Social-Media Abteilungen (soweit es sie schon gibt) u.U. nicht arbeiten. Da entsteht schnell ein Shitstorm.

Bei Vodafone hat man reagiert und ist seitdem social sehr aktiv. Versucht aber mit allerlei Gewinnspielchen, Promotion-Aktionen die Kunden, die ernsthafte Probleme haben, zum Kauf von neuen Produkten zu bewegen, anstatt die gefühlten oder tatsächlichen Probleme zu lösen. Vielleicht weil eine schnelle Lösung oft gar nicht möglich ist.

Ein Twitter-Account “@beingVodafone” wird rotierend an Mitarbeiter vergeben, die ein bischen aus ihrem Leben erzählen sollen, da kommt viel banales rüber, auch Dinge, die nichts mit Mobilfunk zu tun haben. Fragt man die Nutzer dieser Accounts, bekommt man teilweise interessante Antworten, aber viel information kann nicht fließen, weil vieles – nachvollziehbar – Geschäftsgeheimnis wäre. Auch bei Gesprächen mit Mitarbeitern schwingt oft eine “Angst” mit, allzugute Kontakte zur Öffentlichkeit könnten die berufliche Zukunft “beschädigen”.

Schließlich wurde die “Generation Upload” entdeckt. Passende Datentarife? Verständlichere Tarife? Fehlanzeige. Die teure Aktion verpuffte und sorgte für Spott im Netz.

Offizielle Kontakte des Hauses zur kritischen ungefilterten Basis, etwa bei Barcamps? Damit tun sich die Düsseldorfer extrem schwer. Haben sie Angst vor konkreten Fragen, die sich nur schwer beantworten lassen oder fundamentale Grundsätze betreffen? Kürzlich gab der Social Media Spezialst von Vodafone seinen Ausstieg bekannt und in seiner Abschiedsmail war die Wehmut deutlich spürbar.

Gewiss: “kreative” Vertriebsmitarbeiter, Netzlast und überforderte Hotlines, sind ein “Problem” der gesamten Branche, aber bei Vodafone ist es im Moment am deutlichsten zu spüren.

Seit etwa 2-3 Jahren sind die Kundenzahlen bei vodafone im Sinkflug. Immer wieder 4 Millionen Karten weniger pro Jahr, das gibt einem schon zu denken. Wieviele waren echte genutzte Karten? Wieviele Werbegeschenke, Zweit, Dritt- oder Viertkarten? Nun ist die Zahl der geschalteten Karten kein wirkliches Kriterium, längst sind Kennzahlen wie Service-Umsatz oder ARPU (Durchschnittsumsatz pro Kunde) wichtiger, aber viele Manager schielen nach wie vor auf hohe Kartenzahlen.

Vodafone leidet an einer weit verbreiteten Branchenkrankheit, die ihre Manager befallen hat: Es zählen nur noch Wachstum, Wachstum, Rendite steigern und Kosten senken. Das kommt nicht von ungefähr.

Lange galt der Mobilfunk als extrem rentabel, aus Kundensicht jedoch überteuert. Die ersten Preisbrecher vermittelten den Kunden den Eindruck, das geht alles auch viel günstiger, sagen aber nicht, daß man dafür genügend Kunden braucht, welche weiter brav die hohen Preise bezahlen.

Was ist passiert? Diese Vielzahler-Kunden haben schnell gelernt und sind extrem preissensibel geworden. Teure Verträge werden immer öfters “entsorgt”, man reduziert seine monatlichen Handykosten von einst 40-50 Euro oder mehr auf 10-20 Euro und bei einer Prepaidkarte kann man jederzeit aussetzen oder ganz aussteigen. Jetzt fehlt das Geld in den Kassen der Anbieter.

Vodafones neue Zukunft: Als Challenger?

Es kommt noch schlimmer: Mit der hochwahrscheinlichen Fusion von o2 und E-Plus wird Vodafone nach Kartenzahlen auf Platz 3 landen. Vodafone muss sich dann frisch definieren.

- Soll Vodafone ein Anbieter für professionelle Telefonierer bleiben, für Kunden, die bereit sind, für eine spürbar exzellente Netzqualität und einen spürbar exzellenten Kundenservice auch etwas mehr auszugeben?

Dann muß – wie schon begonnen -

- das Netz weiter intensiv ausgebaut werden und darüber geredet werden.

- Der Kundenservice muß persönlicher und individueller werden. Agenten, die Zeit haben, die Bescheid wissen und denen “erlaubt” wird “kundenorientiert” zu handeln und die dafür gut bezahlt werden.

Das bedeutet, Auslagerungen zurücknehmen (“insourcen”), investieren, investieren, investieren in eigenes gut motiviertes und ausgebildetes Personal und neueste flächendeckende Technik.

Der langfristige Lohn: Zufriedene Kunden, die sich wohl fühlen und dann mehr konsumieren, als andere. Wers nicht glaubt, schaue auf die Kaffeekapseln von Nespresso. Da wird mit einem unheimlich guten Marketinggefühl das Kilogramm Kaffee für rund 60 Euro an den Mann und die Frau gebracht. Eine Tüte Kaffeebohnen (Vollautomat) könnte man auch für unter 10 Euro bekommen. Warum soll das bei Mobilfunk nicht auch gehen?

Demnächst George Clooney im Handyshop? Who knows?

Oder

- sieht sich Vodafone künftig als “Challenger” (Herausforderer), der für (möglichst) wenig Geld noch möglichst viel Gegenleistung bietet, aber auch Schwächen hat, also im Prinzip das, was die grünen Düsseldorfer (sprich E-Plus) die ganze Zeit erfolgreich vorgemacht haben. Das bedeutet Abschied von attraktiven imagefördernden Geschäftskunden, die Wert auf absolute Performance legen, die Kundenzahlen dürften zunächst erst einmal weiter sinken, bis sich die Lage stabilisiert hat.

Schlägt Vodafone diesen Challenger Kurs ein, könnte “o2-plus-eplus” künftig die bisherige Rolle von Vodafone als Premium-Anbieter einnehmen wollen. Ob die teilweise extrem preissensiblen o2-Stammkunden mitspielen, ist ein anderes Thema. Es dürfte damit ein Kundenaustausch stattfinden, wie Wechselwähler, die vielleicht zum ersten Mal etwas anderes wählen. Dabei sind Bestandskunden wertvoll, die Manager schielen aber immer nur auf Neukunden, die es im Prinzip kaum noch gibt.

Und AT&T?

Gerüchte wollen wissen, daß der amerikanische Telekommunikationsriese AT&T ein Auge auf Vodafone (weltweit) geworfen habe. Solange Vodafone an der amerikanischen Konkurrenz Verizon beteiligt waren, ging das nicht, jetzt aber schon.

Nur: Würde ein Verkauf an die amerikanische AT&T die Lösung aller Probleme bringen?

Wohl kaum. Bis die Amerikaner das europäische speziell das deutsche Geschäfts verstanden haben, könnte viel Porzellan zertrümmert worden sein.

So oder so:

Vodafone muss dringend etwas tun! Die Verbesserung von Netz- und Service-Qualität zügig umsetzen.

Vodafone braucht eine neue Unternehmenskultur: Fehler und Probleme offen kommunizieren, Vodafone zum Anfassen, bei jeder möglichen Gelegenheit. Vertrauen in die eigenen Leute, wenn die ihren eigenen Laden gut finden, spricht das auch beim Kunden herum.

Dazu muss man den Druck aus dem Kessel nehmen, mehr kundennahes Personal einsetzen, das dem Kunden wirklich helfen und ihn beraten darf, aber keine Vorgaben hat, ihm mit aller Gewalt irgendeine Option, eine Karte oder einen Dienst verkaufen zu müssen. Ganz klar: Dieses Personal ist nicht zum Discount-Tarif zu haben.

Das wird für die Kostenrechner ein Tal der Tränen, denn das wird zunächst einen Rückgang des Umsatzes pro Kunde und spürbare Mehrkosten für mehr Personal mit besserer Ausbildung und höheren Einkommen bedeuten. Bis sich diese Kundenzufriedenheit in erneut höheren Einnahmen wiederspiegelt, könnten die Kostenrechner längst die Nerven verloren haben.

Doch eine Alternative gibt es kaum: Beim trotzigen “Weiter so” werden die Kundenzahlen weiter erodieren, auch die Einnahmen sinken weiter, am Ende ist damit nichts gewonnen. Viel Zeit bleibt nicht, denn auch die Konkurrenz baut fleißig aus.

Schlagwörter: Challenger, D2, Kundenorientierung, Kurswechsel, Mannesmann, Outsourcing, Stragie, Vodafone