Was für ein Wochenbeginn. Weltmeisterlich. Wahrlich. Und so voller journalistischer Weltmeisterleistungen. Christian Eichler von der »Frankfurter Allgemeinen« zum Beispiel, der schrieb über den »deutschen Gladiator«, der mit »Blut im Gesicht« auch »für die Brasilianer gespielt« habe. Und weil er noch mehr metaphysische Vergeistigungen des Kicks vorrätig und Tinte übrig hatte, schrieb er noch etwas vom deutschen »Schauwert [...] und der Haltung bei Sieg und Niederlage«, die nun zum »von aller Welt bewunderten Maßstab geworden« sei. Mensch, der deutsche Maßstab für die Welt ist doch das Mindeste. Das ist ein teutonisches Naturrecht.
Arnulf Baring sah das in der »Bildzeitung« ganz ähnlich. Und weil der Mann keine Ahnung vom Fußball hat, macht er, was alle machen, die keine Ahnung vom Fußball haben: Sie interpretieren Sportereignisse um und machen eine Art politische Botschaft daraus. Zwangsläufig folgt daraus ein Wust an Erbauungssatzbausteinen: Wir alle könnten uns nämlich ein Beispiel an »Schweinsteiger, Müller und die anderen« nehmen. Ich werde daran denken, wenn ich mich am Montag wieder ausbeuten lasse. Und dann wurde Baring noch mal traurig: »Deutschland ist wenigstens im Fußball wieder eine Großmacht.« Schade, oder? Nur noch beim Kicken. Verräterisch, wenn ein oller Geschichtenerzähler gleich mit Wörtern wie »Großmacht« um sich wirft. Das kann man auch nur machen, wenn man Fußball wie Politik und Krieg wie die Fortführung der Politik mit anderen Mitteln wahrnimmt.
Das Meisterstück schlechthin in Sachen »Transzendierung eines Fußballturniers« hat sich jedoch die »taz« und ihr Sinnsucher Deniz Yücel geleistet. »Höflich, sachlich, dominant« sei die DFB-Elf aufgetreten, die ein modernisiertes Land symbolisiere, »ohne großkotzig zu wirken«. Der gesamte Text liest sich wie eine küchensoziologische Betrachtung. »Deutschland wurde Weltmeister, weil es sich modernisiert hat. Weil dieses Land ein anderes, ein besseres ist.« Alles klar. Selten so gelacht. Ich werde kommende Woche vielleicht noch mal eine Replik dazu liefern. Und natürlich musste die »taz« dann scheinheilig fragen, was Beckenbauer nach dem Titel 1990 schon so selbstsicher verkündet hat: »Über Jahre hinaus unschlagbar?« Warum soll so ein solcher Streich nur über Jahre gelingen? Wieso bitte nicht gleich ein tausendjähriger Streich?
»Heroischer Kampf«, »Schlacht von Maracanã« und »der goldene Krieger« liest man im »Focus«. So eine Sprache hat man zuletzt im »kleinen Hobbit« gehört. »Sie treten und sie schlagen ihn blutig« und deswegen werde Schweinsteiger in die »Fußballüberlieferung [gemeißelt]«. Soll diese schwülstige Wortwahl die »höfliche, sachliche« Dominanz aus der Fassung bringen, mit der diese Elf laut »taz« auftrat? Vielleicht hat der für diesen Text verantwortliche Pierre Winkler auch einfach nur zu viel »Age of Empires« gespielt. Da wird dann aus einem Sportbericht leicht mal ein mediävistisch angehauchter Minnesang.
Dagegen liest sich der Text von Jens Maier fast schon wie eine große Fußball-Analyse, wenn er von der »Schlandtasche« schreibt: »Angela Merkel erschien mit einer schwarz-rot-goldenen Handtasche zum WM-Finale. Wo sie sowas herkriegt und warum alle vom Schick der Kanzlerin schwärmen.« Der Mann hat es drauf, der hat das Spiel verstanden. Es geht bei der Inszenierung von Weltmeisterschaften um Mode, Accessoires, um den Bund zwischen grauer Politik und matschbraun verschmierten Fußballer. Deswegen generierte es beim »Stern« ja auch einen Wirbelsturm im Schnapsglas, weil eine Linke diesen Kult um das »Wir« und die Verweltmeisterlichung von allen Deutschen angriff. Gefruchtet hat es. Bei Facebook habe ich mal verfolgt, wie sich die Leute dort ausließen. So gut wie alle waren sauer auf die Linke. Selbst Leute, die sich selbst als Linke sehen. Was die Frau da machen, las ich öfter, sei einfach nicht mehr links. Links ist dann wahrscheinlich, wenn man sein Land so sehr liebt, dass keine wie auch immer geartete Kritik mehr erlaubt ist. Lass die Idioten mal ihr Land lieben, ich liebe meine Frau.
Man kann Löws Taktik kritisieren. Nicht jetzt freilich. Momentan ist er heilig. Sakrosankt. Bis es mal nicht mehr klappt, dann haben sie es »immer schon gesagt«. Man kann die FIFA anfeinden. Nicht jetzt. Im Augenblick hat man ihr Turnier gewonnen. Aber an die Substanz, an die Wurzel, die Systemfrage quasi, die darf man nicht stellen: Özil ist Weltmeister wie der Bäcker um die Ecke, Lahm ist Titelträger wie ich. »Wir sind Deutschland.« Habt ihr mich nicht gesehen, wie ich am Sonntagabend über den Platz lief? Wie ein junger Gott. Bis mich die Ordner einfingen und aus dem Stadion trugen. Aber das ist ja eine andere Geschichte.
»Konquistadoren aus Alemanha« sah die »Süddeutsche« im Auftreten des DFB-Teams. Aha. Da kann man aber froh sein, dass kein Cortés dabei war, der Tenochtitlán niederbrennen ließ. »Aber siehe da, die neuen Konquistadoren entpuppten sich als nette, weltoffene Menschen.« Herr Burghardt, wie viele Caipirinha hatten sie da schon intus? Normal ist so ein Text ja nicht. »Jetzt sieht es so aus, als seien viele Latinos gerne ein bisschen deutsch.« Hören Sie mal, ist das noch Suff oder einfach nur dieser typische Alemanismo, den vielleicht die Spieler nicht an den Tag legten, dafür aber Leute wie Sie? Und dann diese Verbrämung: Schweinsteiger tanzte mit den Indianern. Ja, vielleicht hat er das. Keine Ahnung. Und daraus dann eine Mär von den »weltoffenen Konquistadoren« basteln, das ist schon dreist. Ich habe ein Foto gesehen, auf dem Spieler des DFB mit Soldaten zu sehen waren, die Maschinengewehr trugen und darunter twitterte einer dieser Geistesgrößen dann, dass sie zumindest sicher seien in Brasilien. Gemeint war damit wohl: Der Mob, der mehr Partizipation forderte, blieb draußen und notfalls würden die netten Soldaten wohl auch schießen. Diese Naivität kann man den Kerlen nicht zum Vorwurf machen. Es sind halt nur Sportler. Keine Philosophen. Also mache man bitte aus ihnen auch nichts anderes als das, was sie sind.
Dieses Thema von den Protesten haben all diese schwülstigen, pathetischen und theatralischen Berichte verbreitenden Gazetten nach dem Turnier auch wieder aufgegriffen. Nicht aggressiv, sondern so zögerlich wie vorher auch. Jetzt fragen sie allesamt, wer jetzt die Rechnung für die Weltmeisterschaft trage. Und dann zeigen sie Bilder aus den Favelas. Während des Turniers schwieg man sich aus. Es lief ja die »Mission: Titelgewinn«, da brauchte man keine Störung. Und nun sind die Leute zu besoffen, um auch nur ein Fünkchen Interesse an solchen negativen Themen zu haben. Und nach dem Rausch flüchten sie dann wieder in ihr offenbar so tristes Leben zurück, sodass sie diese kritischen Meldungen gar nicht mehr mitnehmen. Irgendwann muss ja dann auch mal ein Ende sein mit Fußball, nicht wahr? Dann geht der Ernst des Lebens wieder los und die Favelas sind doch irgendwas mit der FIFA, oder so.
Oh ja, ihr seid wirklich Weltmeister. Allesamt. Fast ausnahmslos. Weltmeister im Scheißelabern. Weltmeisterliche Schwätzer. Titelreif in Schwulst und Bombast. Für diese Weltklasseleistung gibt es keine metallene Trophäe. Eure Trophäe ist der Abstand zum Zeitgeschehen, den ihr euch von Berufsethos her hättet bewahren müssen und der nun wie ein ausgestopfter Tigerkopf an eurer Wand hängt.
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Arnulf Baring sah das in der »Bildzeitung« ganz ähnlich. Und weil der Mann keine Ahnung vom Fußball hat, macht er, was alle machen, die keine Ahnung vom Fußball haben: Sie interpretieren Sportereignisse um und machen eine Art politische Botschaft daraus. Zwangsläufig folgt daraus ein Wust an Erbauungssatzbausteinen: Wir alle könnten uns nämlich ein Beispiel an »Schweinsteiger, Müller und die anderen« nehmen. Ich werde daran denken, wenn ich mich am Montag wieder ausbeuten lasse. Und dann wurde Baring noch mal traurig: »Deutschland ist wenigstens im Fußball wieder eine Großmacht.« Schade, oder? Nur noch beim Kicken. Verräterisch, wenn ein oller Geschichtenerzähler gleich mit Wörtern wie »Großmacht« um sich wirft. Das kann man auch nur machen, wenn man Fußball wie Politik und Krieg wie die Fortführung der Politik mit anderen Mitteln wahrnimmt.
Das Meisterstück schlechthin in Sachen »Transzendierung eines Fußballturniers« hat sich jedoch die »taz« und ihr Sinnsucher Deniz Yücel geleistet. »Höflich, sachlich, dominant« sei die DFB-Elf aufgetreten, die ein modernisiertes Land symbolisiere, »ohne großkotzig zu wirken«. Der gesamte Text liest sich wie eine küchensoziologische Betrachtung. »Deutschland wurde Weltmeister, weil es sich modernisiert hat. Weil dieses Land ein anderes, ein besseres ist.« Alles klar. Selten so gelacht. Ich werde kommende Woche vielleicht noch mal eine Replik dazu liefern. Und natürlich musste die »taz« dann scheinheilig fragen, was Beckenbauer nach dem Titel 1990 schon so selbstsicher verkündet hat: »Über Jahre hinaus unschlagbar?« Warum soll so ein solcher Streich nur über Jahre gelingen? Wieso bitte nicht gleich ein tausendjähriger Streich?
»Heroischer Kampf«, »Schlacht von Maracanã« und »der goldene Krieger« liest man im »Focus«. So eine Sprache hat man zuletzt im »kleinen Hobbit« gehört. »Sie treten und sie schlagen ihn blutig« und deswegen werde Schweinsteiger in die »Fußballüberlieferung [gemeißelt]«. Soll diese schwülstige Wortwahl die »höfliche, sachliche« Dominanz aus der Fassung bringen, mit der diese Elf laut »taz« auftrat? Vielleicht hat der für diesen Text verantwortliche Pierre Winkler auch einfach nur zu viel »Age of Empires« gespielt. Da wird dann aus einem Sportbericht leicht mal ein mediävistisch angehauchter Minnesang.
Dagegen liest sich der Text von Jens Maier fast schon wie eine große Fußball-Analyse, wenn er von der »Schlandtasche« schreibt: »Angela Merkel erschien mit einer schwarz-rot-goldenen Handtasche zum WM-Finale. Wo sie sowas herkriegt und warum alle vom Schick der Kanzlerin schwärmen.« Der Mann hat es drauf, der hat das Spiel verstanden. Es geht bei der Inszenierung von Weltmeisterschaften um Mode, Accessoires, um den Bund zwischen grauer Politik und matschbraun verschmierten Fußballer. Deswegen generierte es beim »Stern« ja auch einen Wirbelsturm im Schnapsglas, weil eine Linke diesen Kult um das »Wir« und die Verweltmeisterlichung von allen Deutschen angriff. Gefruchtet hat es. Bei Facebook habe ich mal verfolgt, wie sich die Leute dort ausließen. So gut wie alle waren sauer auf die Linke. Selbst Leute, die sich selbst als Linke sehen. Was die Frau da machen, las ich öfter, sei einfach nicht mehr links. Links ist dann wahrscheinlich, wenn man sein Land so sehr liebt, dass keine wie auch immer geartete Kritik mehr erlaubt ist. Lass die Idioten mal ihr Land lieben, ich liebe meine Frau.
Man kann Löws Taktik kritisieren. Nicht jetzt freilich. Momentan ist er heilig. Sakrosankt. Bis es mal nicht mehr klappt, dann haben sie es »immer schon gesagt«. Man kann die FIFA anfeinden. Nicht jetzt. Im Augenblick hat man ihr Turnier gewonnen. Aber an die Substanz, an die Wurzel, die Systemfrage quasi, die darf man nicht stellen: Özil ist Weltmeister wie der Bäcker um die Ecke, Lahm ist Titelträger wie ich. »Wir sind Deutschland.« Habt ihr mich nicht gesehen, wie ich am Sonntagabend über den Platz lief? Wie ein junger Gott. Bis mich die Ordner einfingen und aus dem Stadion trugen. Aber das ist ja eine andere Geschichte.
»Konquistadoren aus Alemanha« sah die »Süddeutsche« im Auftreten des DFB-Teams. Aha. Da kann man aber froh sein, dass kein Cortés dabei war, der Tenochtitlán niederbrennen ließ. »Aber siehe da, die neuen Konquistadoren entpuppten sich als nette, weltoffene Menschen.« Herr Burghardt, wie viele Caipirinha hatten sie da schon intus? Normal ist so ein Text ja nicht. »Jetzt sieht es so aus, als seien viele Latinos gerne ein bisschen deutsch.« Hören Sie mal, ist das noch Suff oder einfach nur dieser typische Alemanismo, den vielleicht die Spieler nicht an den Tag legten, dafür aber Leute wie Sie? Und dann diese Verbrämung: Schweinsteiger tanzte mit den Indianern. Ja, vielleicht hat er das. Keine Ahnung. Und daraus dann eine Mär von den »weltoffenen Konquistadoren« basteln, das ist schon dreist. Ich habe ein Foto gesehen, auf dem Spieler des DFB mit Soldaten zu sehen waren, die Maschinengewehr trugen und darunter twitterte einer dieser Geistesgrößen dann, dass sie zumindest sicher seien in Brasilien. Gemeint war damit wohl: Der Mob, der mehr Partizipation forderte, blieb draußen und notfalls würden die netten Soldaten wohl auch schießen. Diese Naivität kann man den Kerlen nicht zum Vorwurf machen. Es sind halt nur Sportler. Keine Philosophen. Also mache man bitte aus ihnen auch nichts anderes als das, was sie sind.
Dieses Thema von den Protesten haben all diese schwülstigen, pathetischen und theatralischen Berichte verbreitenden Gazetten nach dem Turnier auch wieder aufgegriffen. Nicht aggressiv, sondern so zögerlich wie vorher auch. Jetzt fragen sie allesamt, wer jetzt die Rechnung für die Weltmeisterschaft trage. Und dann zeigen sie Bilder aus den Favelas. Während des Turniers schwieg man sich aus. Es lief ja die »Mission: Titelgewinn«, da brauchte man keine Störung. Und nun sind die Leute zu besoffen, um auch nur ein Fünkchen Interesse an solchen negativen Themen zu haben. Und nach dem Rausch flüchten sie dann wieder in ihr offenbar so tristes Leben zurück, sodass sie diese kritischen Meldungen gar nicht mehr mitnehmen. Irgendwann muss ja dann auch mal ein Ende sein mit Fußball, nicht wahr? Dann geht der Ernst des Lebens wieder los und die Favelas sind doch irgendwas mit der FIFA, oder so.
Oh ja, ihr seid wirklich Weltmeister. Allesamt. Fast ausnahmslos. Weltmeister im Scheißelabern. Weltmeisterliche Schwätzer. Titelreif in Schwulst und Bombast. Für diese Weltklasseleistung gibt es keine metallene Trophäe. Eure Trophäe ist der Abstand zum Zeitgeschehen, den ihr euch von Berufsethos her hättet bewahren müssen und der nun wie ein ausgestopfter Tigerkopf an eurer Wand hängt.
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