die stunde der fundis hat geschlagen. alte verhaltensweisen geben geborgenheit den ängstlichen, suggerieren sicherheit den verunsicherten
ach, die guten vorsätze! wir alle kennen das. die vorhaben unter den schlagzeilen “wir werden”, “wir sollten” oder “wir müssten” sind im alltag schnell vergessen. in zeiten der sogenannten flüchtlingskrise, die in wirklichkeit eine ausgewachsene humanitätskrise ist, sind alle sonntagsreden und lippenbekenntnisse von einem tag auf den anderen nicht mehr viel wert. die stunde der fundis in allen erdenklichen lagern hat geschlagen. schnell werden alte muster wieder aktiviert. alte verhaltensweisen geben geborgenheit den ängstlichen, suggerieren sicherheit den verunsicherten.
konservative kleingeister finden die welt da draußen wohl schon seit der eigenen geburtsstunde bedrohlich. wie behaglich ist es da doch, unter der chiffre “gesetz und ordnung” wenigstens für nestwärme zu sorgen.
alte traditionen
“entzaubern” ist die umschreibung für den politischen selbstmord. vergessen all die wahnsinnigkeiten aus der schwarz-blauen bundesregierung, verdrängt die milliarden, die sowohl im bund als auch auf länderebene verschoben, eingesteckt und verspekuliert wurden. “entzaubern” ist der euphemismus für eigene konzeptlosigkeit, gähnende ratlosigkeit und die klammheimliche sympathie für alte traditionen. war ja nicht alles schlecht früher.
also rein in rot-blau in einem, in schwarz-blau in einem anderen bundesland. frauen sind nichts für die politik, da gehören richtige männer hin. schluss mit conchita-wurst-land, her mit dem guten alten alles-wieder-in-ordnung-land. gleichstellung von mann und frau? was? ende der diskriminierung von homosexuellen? wieso? burschenschaften als politschmiede? warum nicht? schule für alle? barrierefreiheit? soziale sicherheit? wen interessiert’s? fremdenhetze? geht doch auch ganz gut.
blauer anbiederungskurs
wurde in wien die övp von den wählerinnen und wählern noch für ihren blauen anbiederungskurs abgestraft, so scheint seither die paradoxe reaktion das rezept für so manche verantwortlichen in der övp zu sein. innenministerin johanna mikl-leitner will gegen jede rechtliche und politische vernunft die vorratsdatenspeicherung neuerlich einführen. so soll wieder ruhe einkehren in unserem vom terror durchdrungenen land, wo wir doch alle wissen, dass handydatenerfassung das sicherste mittel gegen anschläge ist. und sie will allen ernstes so schnell wie möglich eine “festung europa” bauen, wohl wissend, welches menschenbild sie damit vermittelt.
oberösterreichs landeshauptmann josef pühringer hat noch im september vor den schmutzkübeln der fpö gewarnt. trotzdem ist das ewig lange her. denn es war vor der wahl. nach der wahl sind die minuspunkte vergessen, es spricht nichts mehr gegen ein schwarz-blaues intimverhältnis.
zeitgemäß zu sein, das wäre anstrengend. der mief alter unsitten ist da viel gemütlicher. oh, du vernebeltes österreich. (bernhard jenny, derstandard.at, 23.10.2015)