Offline in Paris

Offline in Paris


Veröffentlicht am 19 Mai 2014 - Tags: Freiheit Leben

Die Aussicht über Paris von der Terrasse des Institut du Monde Arab

Die Aussicht über Paris von der Terrasse des Institut du Monde Arab

Habt ihr es bemerkt? Eine ganze Woche habe ich nicht gebloggt oder gepostet. Na gut, wahrscheinlich ist es niemandem aufgefallen. Ich erzähle trotzdem, warum dies so war. Der Grund ist nämlich, ich war in Paris, und obwohl ich mir extra ein Hotel mit WLAN gesucht hatte, war ich mehr oder weniger offline, denn das WLAN im Hotel funktionierte nicht. Da dachte ich mir, das könnte vielleicht ein Wink des Schicksals sein, und ihr wisst, ich liebe Winke des Schicksals. Vielleicht sollte ich Paris offline erleben? Eine Herausforderung.

Alleine und kein Französisch

Als ich vor einigen Wochen die Entscheidung getroffen habe, zum zweiten Mal ein paar Tage nach Paris zu fahren, löste dies zu gleichen Teilen Vorfreude und ein eher mulmiges Gefühl in mir aus. Schließlich hatte ich vor, vier Tage alleine durch die Stadt der Liebe zu kreuzen, ohne dass ich über nennenswerte Französischkenntnisse verfügte und mit der großen Wahrscheinlichkeit, tagelang mit niemandem reden zu können. Dies mag für andere nicht nachvollziehbar sein. Für mich ist es eine Herausforderung, der ich mich aber bewusst stellen wollte. Der Gedanke, wie beim ersten Mal auf meinem Blog von meinen aktuellen Erlebnissen berichten zu können (siehe Vera in Paris), verringerte das Unbehagen und gab mir Halt. Doch dann war dieser Halt dahin. Anscheinend sollte die Herausforderung diese Mal größer werden.

Paris erleben

Paris ist eine Stadt, die einen sofort gefangen nimmt. Es war schon so, als ich um 10 Uhr am Dienstag auf dem Vorplatz des Gare du Nord trat. Dieses Mal hatte ich mich für die Fahrt mit dem Thalys entschieden. Ich musste zwar sehr früh starten, aber kam entspannt in Paris an. Das Hotel war fußläufig nur einige Minuten vom Bahnhof entfernt im 10. Arrondissement. Das Treiben vor dem Bahnhof und auf dem Weg zum Hotel hatte fast etwas Afrikanisches. Auf jeden Fall sehr deutlich Multi-Kulti. Fremdländischer hat das Ankommen nicht sein können. Natürlich konnte ich mein Zimmer noch nicht in Empfang nehmen, so deponierte ich meinen Koffer und machte mich auf den Weg. Zuerst wollte ich zur nächsten Metrostation und mich mit Tickets eindecken. Dann wollte ich meinen ersten Cafe Creme in Paris trinken und einen Plan machen, wie es weitergehen sollte. In einem Bistro direkt an der Metro-Station tat ich dies dann auch. Dabei versuchte ich, meine über einen CD-Sprachkurs erworbenen, rudimentären Französischkenntnisse anzuwenden und möglichst eloquent meinen Cafe zu bestellen. Es funktionierte und noch begeisterter war ich, dass ich beim Bezahlen aus dem Kauderwelsch des Obers sofort den richtigen Betrag erkennen konnte. Es konnte also losgehen.

Natürlich Blasen

Städte muss man zu Fuß erobern. Ich mag es, durch die Straßen zu spazieren und die Stimmung in mich aufzunehmen. Ich hatte mir extra neue Sneakers zu diesem Zwecke gekauft. Dabei hätte ich wissen müssen, dass man zu solchen Gelegenheiten niemals nagelneue Schuhe tragen sollte. Ich hatte mich entschlossen, zuerst das direkte Umfeld um mein Hotel zu erkunden. Vielleicht würde ich ja wieder ein „Stammcafé“ finden oder ein schönes Restaurant für den Abend. Allerdings löste die Umgebung eher zwiespältige Gefühle in mir aus. Ich marschierte weiter zum naheliegenden „Place de la République“ kurz „République“ genannt. Von dort ging es durch diverse Querstraßen. Ich schlenderte über einen dieser so typischen Märkte in Paris und beobachtete interessiert, wie der Fischhändler gerade einige Tintenfische für eine Kundin einpackte oder wie die lebenden Langusten angepriesen wurden. Als ich dann wieder beim Hotel ankam, spürte ich das Malheur schon überdeutlich: die neuen Schuhe hatten ihren Tribut gezollt. Immerhin war ich dieses Mal gewappnet und hatte Pflaster dabei. Nachdem ich im Hotel festgestellt hatte, dass es mit dem WLAN nichts werden würde, machte ich mich auf den Weg, ein geeignetes Restaurant für das Abendessen zu finden. Ich fand schließlich eines, das mir angenehm erschien. Es war zwar recht touristisch ausgerichtet, man reichte mir zu meiner Enttäuschung auch sogleich die englische Karte, aber das Essen war in Ordnung, wenn auch, wie generell in Paris, recht teuer. Als ich mich beim Bezahlen mit den Zahlen traise (13) und trente (30) vertat, was zur Erheiterung beim Kellner beitrug, wusste ich, dass ich noch viel zu lernen hatte. Dennoch war der erste Tag ein hoffnungsvoller Auftakt.

Paris Greeter

Einer der typischen Hinterhöfe

Einer der typischen Hinterhöfe

Eine Freundin hatte mir den Tipp gegeben und so hatte ich eine Woche vor Antritt der Reise über die Website parisgreeters.fr angekündigt, dass ich kommen würde, und nach der Möglichkeit einer persönlichen Führung gefragt. Man hatte mir mitgeteilt, dass ich zu spät sei, die übliche Vorlaufzeit sind mindestens vier Wochen, aber ich hatte Glück und es meldete sich Jutta, eine gebürtige Berlinerin, die schon lange in Paris lebt und bereit war, mir ihr 12. Arrondissement zu zeigen. Ich machte mich schon früh in Richtung unseres Treffpunkts auf, besorgte mir auf dem Weg eine deutsche Zeitung und genoss die Vorfreude in einem Café, bis die Zeit zum Treffen gekommen war. Entgegen meinen Befürchtungen fanden wir uns sofort und so begann der Spaziergang. Es ging durch Pariser Hinterhöfe, in denen teilweise heute noch Möbel gefertigt werden, über einen großen Markt mit Flohmarkt und überraschend beschauliche Sträßchen. Wir spazierten über eine ehemalige Bahntrasse, die Promenade Plantée, die nun begrünt ist und zum Schlendern oder auch Joggen über der Stadt einlädt. Schließlich erreichten wir das Marais, wo wir uns dann bei einem Cafe verabschiedeten. Es war ein toller Einblick in die Stadt und ich kann jedem Parisreisenden nur wärmstens empfehlen, sich an die Paris Greeters zu wenden.

Wieder alleine

Es hatte mir gut getan, mich mit jemanden unterhalten zu können. Nun war ich wieder auf mich alleine gestellt. Ich schlenderte noch etwas durch das Viertel, bevor ich mich auf den Rückweg zum Hotel machte. Es stand wieder die Entscheidung an, wohin ich zum Abendessen gehen wollte. So recht fiel mir nichts ein und letztlich wurde es ein wehmütiger Abend im Hotel. Dies wollte ich am nächsten Tag auf jeden Fall verhindern. Als Ziel hatte ich mir das Quartier Latin ausgesucht. Zuvor war ich aber mutig und kehrte in das Bistro ein, das direkt um die Ecke vom Hotel war und mir bisher eher suspekt erschien. Zu meiner Überraschung war der Kellner aber sehr nett, der Cafe au lait lecker und das Croissant eine Wucht. Und alles war preiswerter als bisher. Ein guter Start in den Tag. Und dies sollte sich so fortsetzen. Zwar sind einige Sträßchen im Quartier Latin extrem touristisch und erinnern eher an Mallorca als an Paris, aber dafür gibt es auch andere Bereiche. Besonders genossen habe ich den Spaziergang die Seine entlang am Quai Saint-Bernard, zumal es ein herrlich sonniger Tag war. Auch der Tipp aus meinem Reiseführer, sich die Aussicht von der Terrasse des Institut du Monde Arab anzusehen, war ein Gewinn. Eine wirklich tolle Aussicht. (s. Foto oben). Es war ein herrlicher Tag, den ich nun auch entsprechend beenden wollte. Durch Zufall entdeckte ich eine Reiseführer-App auf meinem Handy, die ich irgendwann mal darauf geladen und dann wieder vergessen hatte. Ich klickte darauf herum und zu meiner Verblüffung zeigte sie mir eine Restaurantempfehlung nur wenige Meter von meinem Hotel entfernt an. Wo sollte dieses Lokal sein? Ich war doch überall herumgegangen und hatte nichts entdeckt.
Es stellte sich heraus, dass gleich gegenüber vom Hotel eine unscheinbare Querstraße verlief, die ich ignoriert hatte. Als ich am Abend dort entlang ging, sah ich nach einer leichten Kurve plötzlich einige Lokale und auch das empfohlene. Ich trat ein und sogleich umfing mich die französische Atmosphäre. Ich bestellte den Fisch mit Salat und einen Wein. Das Lokal füllte sich und es kam sogar ein Gitarrenspieler. Das Essen schmeckte herrlich und die Stimmung war wie im Bilderbuch. Es war ein wunderschöner Abend, von dem ich nicht zuletzt durch den Wein beschwingt in mein Hotelzimmer zurückkehrte.

Der Abschluss

Wirklich einer meiner Lieblingsplätze: der Place des Vosges

Wirklich einer meiner Lieblingsplätze:
der Place des Vosges

Für den letzten Tag hatte ich mir vorgenommen, den großen Markt in Belleville zu besuchen. Schließlich findet der nur dienstags und freitags statt. Vielleicht würde ich ja noch das eine oder andere Mitbringsel finden. Wieder startete ich den Tag im Bistro um die Ecke und machte mich dann auf den Weg. Der Markt erstreckt sich gleich von der Metro-Station über mindestens einen Kilometer. Es ging zu, wie auf einem orientalischen Basar. Durch die Massen, die fremdländische Atmosphäre und die Enge beeindruckt, traute ich mich kaum an einem Stand stehen zu bleiben. Mit den Mitbringseln wurde es also nichts.
Von dort aus spazierte ich die Rue Oberkampf entlang in Richtung Stadtmitte, bis ich schließlich am Place des Vosges ankam, der mir schon bei meinem ersten Aufenthalt so gut gefallen hatte. Nach einer kurzen Entspannungspause entschloss ich mich, das naheliegende Museum der Stadtgeschichte zu besuchen. Es zeigt Einblicke in das Leben in Paris über die verschiedenen Epochen und der Eintritt ist frei. Interessanter noch als die ausgestellten Exponate fand ich es, die Museumsangestellten, die einzelne Bereiche überwachten, zu beobachten. Eine Dame nickte ständig ein und schreckte wieder auf. Ein jüngerer Mann lief wie ein Tiger im Käfig immer hin und her und schien dabei keinen Menschen um sich wahrzunehmen. Sie taten mir fast ein wenig leid.
Nach Mittag ließ ich mit einem Mahl in einem netten Café ausklingen, bevor ich mich auf den Weg zum Hotel machte, um meine Rückfahrt anzutreten.

Wieder online

Im Zug hatte ich endlich wieder WLAN, aber es war mir gar nicht mehr so wichtig. Paris hatte es geschafft. Die Stadt hat mich mit Eindrücken überschwemmt und mit einem Mal war es mir nicht mehr wichtig, online zu sein. Sicher, ich hätte mich schon gerne mal mit einem Menschen unterhalten. Ich hatte immer diese Vorstellung, wie man sie so in Filmen sieht, dass jemand alleine in eine Stadt kommt und dort jemanden kennenlernt. Dies ist mir auch bei meinem zweiten Besuch in Paris nicht passiert. Vielleicht ist diese Vorstellung auch vermessen, aber ich möchte sie nicht aufgeben. Womöglich klappt es ja beim nächsten Mal. Ob es wieder Paris sein wird, weiß ich nicht. Nach Lissabon und Paris reizt mich Riga oder vielleicht doch Wien? Mal sehen, ich werde berichten.
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