OFFLINE

Von Nina Lewedei @Philinsmom
by Nina on 24. Oktober 2016 in #KOLUMNE

Hand aufs Herz! Wann wart ihr zuletzt so richtig offline. Also so richtig. Wann habt ihr das letzte Mal euer Smartphone links liegen gelassen, vielleicht sogar für ein paar Tage. Wann habt ihr das letzte Mal einfach so in den Tag hinein gelebt ohne auf euer Smartphone zu schauen oder den Laptop anzuschmeißen.

Man hat ja doch immer das Gefühl etwas verpassen zu können oder nicht auf den neuesten Stand zu sein. Man hat das Gefühl immer und ständig up to date sein zu müssen und man kann ohne fast gar nicht mehr auskommen. Wann sind wir eigentlich so sehr abhängig von unseren Smartphones und Tablets geworden? So sehr, dass wir dieses Zeug sogar mit in den Urlaub schleppen müssen. Man könnte wirklich meinen man ist süchtig nach dem Online-Leben geworden. Sobald man die Wohnung verlässt, kommt immer ein prüfender Blick in die Handtasche ob man auch das Smartphone eingepackt hat. Es könnt ja was sein oder man könnte ja etwas verpassen…

Wie war das noch gleich?

Ich erinnere mich noch dunkel an mein erstes Handy. Es war ein kleines blaues mit verpixeltem Schwarz-Weiß Display und ich habe es im Alter von 14 Jahren bekommen. Man konnte damit nicht viel machen aber für die damalige Zeit war es enorm was man mit diesem kleinen Ding anstellen konnte. Man sparte sich die SMS sorgfältig auf und schrieb nur eine, wenn es wirklich nötig war. Man versuchte so viel wie möglich an Informationen in diese eine Nachricht zu packen damit man nicht noch eine senden musste. Ein paar Spiele waren natürlich auch auf diesen faszinierenden Geräten und diese waren wohl der Hauptgrund sobald der Akku dann doch mal irgendwann leer war. Da war dann noch die Sache mit dem Internet. Man bekam Schweißausbrüche sobald man aus Versehen auf die WAP-Taste drückte oder eben versehentlich ins Internet gegangen ist. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit da wieder heraus zu kommen und gleich im Anschluss überprüfte man sein Guthaben und stellte mit Erschrecken fest, dass diese vermeintlich halbe Minute das halbe Guthaben gefressen hatte. So war das und viel mehr konnte man mit den Dingern auch nicht anfangen.

Ich muss zugeben, ich habe zu dieser Zeit nichts vermisst und auch nicht das Gefühl gehabt, dass ich etwas verpassen würde. Ich hatte aber zu dieser Zeit auch noch überhaupt keine Ahnung wie das mit dem Internet weiter gehen würde. Facebook und Co gab es zu dieser Zeit noch nicht und wenn man ehrlich ist, brauchte man diesen Mist auch nicht.

Spannend wurde es als die ersten Surf-Flatrates heraus kamen. Zumindest erstmal für den heimischen Computer. Man wartete mit Liebe bis sich die Startseite des Browsers nach 5 Minuten aufgebaut hatte und man war überwältigt von den Weiten des Internets. Es fühlte sich gigantisch an!

Die Zeit verging und man gewöhnte sich langsam und immer mehr an das liebe World Wide Web. Man wuchs in die Sache so herein und irgendwann war es völlig normal immer und ständig online sein zu können. Mittlerweile ist es eben nicht mehr wegzudenken. Ich muss zugeben, ich bin ganz froh meine Kindheit ohne diesen ganzen Kram verbracht haben zu dürfen. Ich bin froh meine Jugend noch ohne ständiges online-sein erlebt haben zu können, denn ich habe so ein wenig den Vergleich. ich weiß noch wie es sich anfühlte komplett offline zu sein und dieses Gefühl durfte ich erst letztens in unserem Urlaub wieder erleben.

Plötzlich offline!

Wir fuhren in der ersten Oktoberwoche in unseren ersten Familien-Urlaub für dieses Jahr. ich packte natürlich den Laptop mit ein, denn ich hatte noch ein paar Blogposts zu schreiben und wollte dies im Urlaub nachholen da sonst keine Zeit dafür blieb. Ich war davon überzeugt, dass ich noch meine Auslands-Flat im Tarif hatte und fühlte mich deshalb auch sicher. Ich war davon überzeugt, dass ich im Ausland einfach mein Handy mit dem Laptop koppeln könnte und so noch ein paar Sachen online erledigen könnte. Ich hatte aber überhaupt nicht mehr auf dem Schirm, dass ich eben jene Flat vor ein paar Monaten durch einen Tarif-Wechsel abgewählt hatte.

Angekommen im Urlaub wurden die ersten Fotos gleich bei Instagram hoch geladen und die nötigen Whats-App-Nachrichten verschickt. Ein oder zwei Stunden später kam eine Nachricht in der stand, dass mein Auslands-Datenvolumen verbraucht wäre und dass ich dies aufstocken könnte. Ich war im ersten Moment sehr überrascht und fast geschockt. Ich war aber vor allem davon überrascht, dass ich so geschockt war. Ich fühlte mich im ersten Moment hilflos und eben total offline. Ich fühlte mich offline, dass ich sowas mal sagen würde ist schon verrückt oder. Ich sagte mit entsetzter Stimme zum Zukünftigen, dass wir jetzt doch keine Möglichkeit haben irgendwie online sein zu können und er war im ersten Moment genauso geschockt wie ich. Als ich ein paar Minuten darüber nachdachte, merkte ich wie abhängig wir von unseren lieben Smartphones geworden sind und mir wurde klar, dass dies schon nicht mehr ganz gesund ist. Man hat tatsächlich das Gefühl man würde nicht richtig funktionieren sobald man Whats-App und Co nicht benutzen kann und das ist eigentlich ja fast schon wie eine Sucht. Ja, wir sind süchtig nach dem Online-Leben!

Natürlich hatten wir diese Situation verdaut, einfach so hingenommen und uns dann einfach auf unseren Urlaub konzentriert. Der erste Tag begann und schon beim Aufstehen merkte ich ein angenehmes und befreiendes Gefühl welches mir gut tat. Der Mini kam zu uns ins Bett, machte uns wach und  wir standen gemeinsam auf ohne einmal auf die Dinger zu schauen. Warum auch, war ja nicht sinnvoll, denn ein Smartphone offline zu benutzen macht überhaupt keinen Sinn. Wir frühstückten gemeinsam und lebten in den Tag hinein. Wir haben nicht mal auf das Handy geschaut um zu wissen wie spät es ist. Es war uns egal. Wir machten einfach alles worauf der Mini Lust hatte und konzentrierten uns voll und ganz auf unseren kleinen Mann und unseren Urlaub. Mir fiel gleich am ersten Tag auf wie gut es tut sich eben mal nur auf eine Sachen konzentrieren zu müssen. Auch sobald man das Smartphone nur in der Hosentasche, in der Handtasche oder nebenan auf dem Küchentisch liegen hat, man ist mit den Gedanken doch irgendwie immer online und denkt über das was man in der Timeline oder im letzten Chatverlauf gelesen hat nach. Das konnten wir nicht und wir wussten, dass wir es nicht können und hatten dadurch irgendwie den Kopf freier als sonst. Wir dachten nicht darüber nach was wohl für Mails oder Mitteilungen schon in den Startlöchern stehen könnten. Wir konzentrierten uns mehr auf unser Kind und auf die Sachen die eben in dieser Sekunde passierten. Es war ein super Gefühl wenn ihr mich fragt.

Es geht auch ohne!

Die Tage vergingen, langsamer als sonst und wir verbrachten jeden Tag ohne das Gefühl irgendetwas verpasst zu haben. Wir hatten das Gefühl, dass die Zeit mit dem Mini und die Dinge die in diesen Momenten passierten, die wichtigsten waren. Ja ich hatte sogar das Gefühl, dass ich nur durch den Umstand, das Handy nicht benutzen zu können, ich mich wahnsinnig erholt habe.

Die einzige Möglichkeit die wir hatten war ein HotSpot im Park. Als wir dies nach ein paar Tagen heraus fanden wurde die Sucht richtig deutlich. So erholsam es war, so dringend war das Bedürfnis diesen HotSpot aufzusuchen. Der Zukünftige war kaum zu bremsen als er heraus fand wo sich genau dieser Punkt befand und wir machten uns auf den Weg dorthin. Es war das Spielehaus im Park, wie praktisch! Wir kamen dort an und ich war sehr geschockt als ich sah was sich dort in diesem Spielehaus abspielte. Die Kinder tobten und spielten und alle, ja wirklich alle Eltern die sich in diesem Spielehaus befanden, hatten den Kopf gesenkt auf ihr Smartphone. Es sah fast gruselig aus und als ich dies registrierte und zum Zukünftigen schaute, hatte auch er schon den Kopf nach unten gerichtet auf sein Smartphone.

In diesem Moment wurde mir so richtig bewusst wie krank uns dieses Leben, immer online und immer erreichbar für jeden Mist, macht. Auch ich nahm mein Handy zur Hand und aktualisierte alle Whats-App-Chats, rufte alle Mails ab und schaute nach dem Rechten bei Facebook und Co.

Ich muss euch leider sagen, alles was ich bekam, egal in welcher Anwendung, war völlig sinnbefreit und bietete mir absolut keinen Mehrwert. Zumindest keinen für die Situation. Ein paar Mails waren wichtig und die beantwortete ich auch schnell aber der Rest hätte auch warten können bis ich wieder in der Heimat gewesen wäre. Ich legte das Smartphone schnell wieder bei Seite und auch der Zukünftige hatte nach ein paar Minuten die Nase voll und tobte lieber mit dem Mini. Ich dachte so darüber nach und fragte mich was uns eigentlich so an unser Smartphone bindet. Alles was wichtig wäre, könnte man auch daheim am Computer abrufen. Auf alles andere könnte man getrost verzichten! Selbst die Nachrichten von Freunden oder der Familie in diversen Chat-Gruppen waren eigentlich und wenn man es mal genau nimmt, völlig sinnfrei und nicht nutzbar. Natürlich freut man sich über Nachrichten von den Lieben aber würde es nicht auch eine einfache SMS machen? Die kommt sicher auch an…

Wir verbrachten unseren restlichen Urlaub damit so wenig wie möglich diesen HotSpot aufzusuchen, denn wir merkten wie gut es tat den Kopf mal ganz frei zu haben und wollten die restlichen Tage auch weiter so verbringen. Erholung eben! Die Zeit verging und irgendwann kamen wir natürlich wieder zu Hause an. Angekommen im Alltag und im alten Trott hatte sich nichts geändert. Man ist so schnell wieder in den Alten Gwohnheiten drin und dies machte sich auch bei uns sofort bemerkbar. Kaum eine Woche war ich wieder arbeiten, hatte ich schon wieder das Gefühl völlig erschöpft zu sein. Woran lag das? Ganz klar am Smartphone! Ich möchte gar nicht wissen wie oft am Tag ich auf dieses Ding schaue oder wie viel Zeit ich tatsächlich damit verbinde. Ich glaube es würde mich umhauen!

Grenzen setzen

Natürlich verinnerlichte ich diese Erfahrung und wollte auch unbedingt etwas für mich und für uns ändern. Die eine lange Woche fast ganz ohne Smartphone und Co tat gut und zeigte wie abhängig man mittlerweile ist und dass es auch nicht ganz so gut tut wie man immer denkt. Wir redeten auf der Autofahrt nach Hause darüber und beschlossen beide weniger an den geliebten Dingern zu kleben. Wie sind uns beide sicher, dass man unbedingt Grenzen setzten sollte, schon allein dem Kind zuliebe. Smartphonefreie Zeiten vielleicht am Wochenende und nach dem Feierabend wären nicht schlecht um einfach runterzukommen. Dazu kommt, dass wir dem Mini nicht jetzt schon tagtäglich zeigen wollen, dass man nicht ohne  Online-Krams leben kann. Ich frage mich, sollte man seinen Kindern noch beibringen ohne ein Online-Dasein leben zu können oder sollte man einfach mit dem Strom mitschwimmen da man ja an der allgemeinen Entwicklung sowieso nichts ändern kann? Vielleicht macht es eine gesunde Mischung. Ich bin froh eine Woche lang gezwungenermaßen ohne mein Handy gelebt zu haben und würde es im nächsten Urlaub auf jeden Fall wieder so tun. Also Hand aufs Herz, wann habt ihr das letzte Mal eine längere Zeit auf euer Smartphone verzichtet und euch bewusst gemacht, was wirklich im Moment des Geschehens wichtig ist oder was auch gut ein paar Tage warten kann? Ich möchte natürlich nicht zu viel meckern, ich bin gern online unterwegs und verdiene damit auch ein Stück weit mein Geld aber man sollte zumindest die Grenze noch finden und setzten können…