Auf diesen offenen Brief weist heute der hpd hin: “Mit dem Grundsatz der „Trennung von Staat und Kirche“ sei dies ebenso wenig zu vereinbaren wie mit der „richterlichen Unabhängigkeit“, argumentiert die Stiftung in ihrem Brief. Deshalb fordert sie die Verantwortlichen des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesgerichtshofs und der Bundesanwaltschaft auf, für die Zeit, in der sie mit Aufgaben an den obersten Justizbehörden betraut sind, von einer Mitarbeit im „Foyer Kirche und Recht“ abzusehen und auch sonstigen kirchlichen Einladungen, etwa zu den jährlichen Empfängen, nicht nachzukommen.”
Das klingt – zugegeben – um einiges sachlicher als mein eigener Beitrag zum Thema.
Der offene Brief der GBS ist hier im Wortlaut nachzulesen (pdf). Aber selbstverständlich auch im Bloghaus:
An die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichtes,
an die Richterinnen und Richter des Bundesgerichtshofes,
an die Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Sehr geehrte Damen und Herren,
am 21. Januar 2011 fand ein „Fachgespräch“ zwischen einer Delegation der Deutschen Bischofskonferenz und Richtern des Bundesverfassungsgerichts statt.
Der Koordinierungsrat säkularer Organisationen (KORSO), der die Interessen des konfessionsfreien Drittels der deutschen Bevölkerung vertritt, hat dies zu Recht kritisiert. In der Tat stand dieses „Spitzentreffen von Kirche und Justiz“ im Widerspruch zum Verfassungsgrundsatz der weltanschaulichen Neutralität des Staates. Leider wird dieser Verfassungsgrundsatz chronisch missachtet – ein Problem, auf das wir Sie mit diesem Schreiben aufmerksam machen möchten.
Schon seit 2007 existiert das sogenannte „Karlsruher Foyer Kirche und Recht“. Es hat seinen Sitz im Katholischen Dekanatszentrum in Karlsruhe, wird von je einem Vertreter der katholischen und der evangelischen Kirche geleitet, und dient der systematischen Kontaktpflege zu den obersten Justizbehörden in Deutschland.
Schon bei seiner Gründung hat das „Foyer Kirche und Recht“ 13 Richterinnen und Richter der höchsten bundesdeutschen Gerichte zur Mitarbeit gewinnen können (so „Der Tagesspiegel“ vom 23. 6. 2007). Viermal im Jahr trifft es sich zu „Foyerabenden“. Überdies laden Repräsentanten der Kirchen die Angehörigen der obersten Bundesgerichte und der Bundesanwaltschaft einmal jährlich zu einem Empfang ein, zuletzt für den 24. Juni 2010.
Selbstverständlich steht es den Kirchen wie allen anderen gesellschaftlichen Gruppen frei, Arbeitskreise zu bestimmten, sie interessierenden Themen ins Leben zu rufen. Allerdings ist es höchst bedenklich, wenn sich Angehörige der obersten Gerichte unseres Landes in diesem Kontext zu einer wie auch immer gearteten „Mitarbeit“ bereitfinden. Mit dem Grundsatz einer Trennung von Staat und Kirche ist das ebenso wenig zu vereinbaren wie mit der richterlichen Unabhängigkeit. Wir möchten Sie daher nachdrücklich auffordern, Einladungen von Seiten der Kirchen zu derartigen Empfängen in Zukunft nicht mehr nachzukommen. Insbesondere fordern wir Sie auf, für die Zeit, in der Sie mit Aufgaben an obersten Justizbehörden betraut sind, von einer Mitarbeit im „Foyer Kirche und Recht“ abzusehen.
Begründung: Beide Kirchen sind in der Vergangenheit des Öfteren als Parteien vor den Schranken etwa des Bundesverfassungsgerichts erschienen, und man wird davon ausgehen können, dass das auch in Zukunft der Fall sein wird. Das hohe Gut der Unabhängigkeit eines Gerichtes nimmt unweigerlich Schaden, wenn einer Partei die Möglichkeit eingeräumt wird, die Position, die sie in einem Rechtsstreit vertritt, mit Angehörigen der Gerichte im Rahmen eines von dieser Partei eingerichteten Gremiums zu erörtern.
Ein Beispiel: Am 15. April 2008, zu einem Zeitpunkt, als dem Bundesverfassungsgericht bereits Verfassungsbeschwerden der beiden Kirchen gegen das Berliner Ladenöffnungsgesetz vorlagen, hielt Karl Lehmann, Kardinal der römisch-katholischen Kirche und bis kurz vor diesem Zeitpunkt noch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, beim „Foyer Kirche und Recht“ einen Vortrag zum Thema „Sonntag – woher und wohin?“, in dem er die Kirchen als „Verteidiger der Sonntagsruhe“ vorstellte. Selbst wenn sich ausschließen ließe, dass Mitglieder des in der Sache verhandelnden Ersten Senates des Verfassungsgerichts unter den Zuhörern waren, dem – durchaus kirchenfreundlichen – Urteil des Senates vom 1. 12. 2009 haftet dadurch in der Öffentlichkeit der Makel mangelnder Unparteilichkeit an.
Die Behandlung der Fälle von sexuellem Missbrauch durch kirchliche Amtsträger, wie sie gerade in der letzten Zeit ans Licht der Öffentlichkeit gekommen sind, hat gezeigt, dass die Kirchen nur sehr zögerlich, wenn überhaupt, zu einer Zusammenarbeit mit den staatlichen Ermittlungsbehörden bereit sind. Im Allgemeinen stand bislang der Schutz der Institution Kirche über dem staatlichen Strafverfolgungsinteresse. Dieser Umstand sollte insbesondere Angehörige der Bundesanwaltschaft dazu veranlassen, hinreichende Distanz zu Religionsgesellschaften zu wahren.
Was die katholische Kirche angeht, so spricht ein weiterer Grund dafür, den erwähnten Einladungen nicht nachzukommen: Der „Heilige Stuhl“, also die katholische Kirche als Völkerrechtssubjekt, hat bis heute weder die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen noch die Europäische Menschenrechtskonvention anerkannt. Sie sieht damit Rechtsgrundsätze für ihren Bereich nicht als verbindlich an, die für unser Gemeinwesen und dessen Rechtsverständnis fundamental sind. Angehörige der Gerichte unseres Staates wären gut beraten, schon allein aus diesem Grund der katholischen Kirche gegenüber auf Distanz zu achten. Eine Mitarbeit in dem kirchlichen Gremium „Foyer Kirche und Recht“ halten wir damit nicht für vereinbar.
Mit freundlichen Grüßen
Herbert Steffen, Dr. Michael Schmidt-Salomon