Offener Brief an die Fraktionen von SPD und LINKE im Abgeordnetenhaus von Berlin:

Von Witt

An die Mitglieder der Fraktionen von SPD und LINKE im Abgeordnetenhaus von Berlin und die Mitglieder des Senats von Berlin

Berlin, den 29. November 2010
18 Uhr

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin,
sehr geehrte Mitglieder des Senats von Berlin,

voraussichtlich am 9. Dezember 2010 werden Sie über den sogenannten 14. Rundfunkänderungsstaatsvertrag im Berliner Abgeordnetenhaus abstimmen. Dieser hat eine Änderung des Jugendmedienschutzstaatsvertrages zum Ziel. Zentrales Anliegen ist der Versuch der Übertragung von Jugendschutzmechanismen aus dem Rundfunk auf das Internet. So sollen etwa
Alterskennzeichnung und Sendezeiten im Internet ausgeweitet werden. Wir sind jedoch der Meinung, dass sich Instrumente, die bei statischen Medien wie Kinofilmen und Computerspielen durchgesetzt haben, nicht auf das Internet übertragen lassen und die vorgeschlagenen Regelungen sogar schädlich für die Meinungs- und Informationsfreiheit sind.

Berlin ist eine internationale Stadt – eine Metropole für digitale Informationen, digitale
Kommunikation, digitale Kreativität und digitales Arbeiten. Gerade hier lebt eine kreative
Bevölkerung, die digital vernetzt arbeitet, sich souverän in der Online-Welt bewegt und sich
selbstbewusst und aktiv neuer Formen digital organisierter Öffentlichkeiten bemächtigt. Diesen
mündigen Bürgerinnen und Bürgern eine Regulierung der Internetkommunikation nach dem
Vorbild des Rundfunks aus dem letzten Jahrhundert im Namen des Jugendmedienschutzes
vorzulegen, ruft zu Recht deren scharfen Protest hervor.

Berlin entwickelt sich seit Jahren positiv zu einem Informations- und Medienstandort.
Zahlreiche Arbeitsplätze entstanden und entstehen auch in den „digitalen Industrien“ rund um
das Internet. Diese Entwicklungen gilt es zu stärken und politisch zu flankieren. Gerade vor dem
Hintergrund dieses wichtigen Zukunftsfeldes für das Land Berlin ist besondere Vorsicht geboten,
Offener Brief an die Fraktionen von SPD und LINKE im Abgeordnetenhaus von Berlin:
NEIN zur Novelle des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages in der geplanten Form
wenn es um die Regulierung von Informations- und Kommunikationsräumen wie dem Internet
geht.

Aus diesem Grund bitten wir Sie, als politische Vertreterinnen und Vertreter aller Menschen in
unserer Stadt, sich vor der parlamentarischen Entscheidung über den 14. Rundfunkänderungs-
Staatsvertrages über dessen Folgen zu informieren, um die beste Entscheidung für die
Meinungs- und Informationsfreiheit und damit auch für die Berlinerinnen und Berliner treffen
zu können.

Mit diesem Brief übersenden wir ihnen ein Schreiben an die SPD-Fraktion im Landtag von
Nordrhein-Westfalen, welches ausführlich auf die Probleme der Novelle des
Jugendmedienschutz-Staatsvertrages eingeht und alternative Lösungen aufzeigt. Es wurde von
über fünfzig Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, der
„Netzgemeinschaft“ sowie Juristen, Journalisten und Netz-Künstlern unterzeichnet. Da es sich
um einen für alle Bundesländer geltenden Staatsvertrag handelt, hat der Inhalt des Schreibens
auch für Berlin uneingeschränkt Gültigkeit. Wir rufen Sie als Parlamentarierinnen und
Parlamentarier auf, die Problembeschreibungen und Argumente in angehängtem Schreiben in
ihre Entscheidungsfindung einzubeziehen und der geplanten Änderung des
Jugendmedienschutz-Staatsvertrages nicht zuzustimmen.

Mit den besten Grüßen,

Markus Beckedahl,
Chefredakteur von netzpolitik.org und Mitglied der Enquete-Kommission
„Internet und digitale Gesellschaft des Deutschen Bundestages

Bov Bjerg,
Autor

Daniel Domscheit-Berg,
ehemaliger Sprecher von Wikileaks

Johnny Haeusler,
Gründer von Spreeblick.com

Constanze Kurz,
Sprecherin des Chaos Computer Clubs (CCC) und Mitglied der Enquete-
Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestages

Thomas Langkabel,
Mitglied Government 2.0 Netzwerk, Blogger, Plattform opendataberlin

Anne Roth,
Bloggerin, annalist.noblogs.org

Christian Scholz,
Unternehmer, Web-Entwickler, politisch aktiver Blogger und Podcaster und
Mitglied beim „Dialog Internet“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend

Henning Tillmann,
Mitglied des Gesprächskreises „Netzpolitik und Digitale Gesellschaft“ des
SPD-Parteivorstands, Initiator des offenen Briefs an SPD-Landtagsfraktion in NRW

Karsten Wenzlaff,
Social Media Manager im vorwärts Verlag, Gründer des Instituts für
Kommunikation in sozialen Medien

Jens Best