An den Präsidenten des Verbandes für das Deutsche Hundewesen (VDH) e.V. Prof. Dr. Peter Friedrich
Sehr geehrter Herr Prof. Friedrich,
ich möchte Ihre jüngste Stellungnahme in der Öffentlichkeit zum Anlass nehmen und noch einmal auf die in meinen Augen tierschutzrelevante Praxis der Zucht mit erbkranken Hunden in einigen Ihrer Mitgliedsvereine hinweisen.
In der Sendung "Stern TV" mit Günther Jauch vom 03.11.2010 wurden einige Hunderassen vorgestellt, darunter auch der Cavalier King Charles Spaniel. In der Diskussion stellten Sie fest, dass im VDH mit erbkranken Hunden nicht gezüchtet werde. Leider trifft diese Aussage nicht immer die Realität. Stellvertretend anhand des Cavalier King Charles Spaniels, der im VDH immerhin durch drei Vereine betreut wird, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass im breiten Stil und sehr wohl wissentlich und zudem über lange Zeiträume hinweg bewusst mit erbkranken Hunden gezüchtet wird, auch im VDH.
Beispiel 1 - Arnold Chiari Malformation / Syringomyelie (SM)
Diese oft schwerwiegend verlaufende und zur Euthanasie führende, die Hunde - und auch Halter - mit erheblichen Leiden und Schmerzen belastende Erbkrankheit des Gehirns und der Nerven wird gerne als "Kratz-Syndrom" verharmlost, wie es aktuell auch auf der Startseite des Verband Deutscher Kleinhundezüchter im VDH geschieht ( http://www.kleinhunde.de/ ). Dessen langjährige Zuchtleiterin Karin Biala-Gauß behauptet dort zudem, dass bei gerade "vielleicht 1 % SM-Erkrankungen" festzustellen seien. Trotzdem bleiben Hunde in der Zucht, die nachweislich an SM erkrankte Vorfahren oder Nachkommen haben. Lediglich Verpaarungen zweier - durch Vorfahren oder Nachkommen - als "SM-belastet" gekennzeichnete Hunde sind untersagt. Frau Biala-Gauß erklärt sogar: "Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass die Kennzeichnungen nur für die SM-Selektion zu beachten sind. Sie sollen die Nutzung der Zuchttiere ansonsten in keinster Weise beeinträchtigen."
In ihrem dort veröffentlichten Schreiben vom 03.11.2010 räumt die Obfrau des "Wissenschaftlichen Beirates für Zucht und Forschung" des VDH Dr. Helga Eichelberg ein: "Es handelt sich sicher um keine Methode, um die Rassen von dieser Krankheit zu befreien. Dennoch scheint sie uns geeignet zu sein, bis zur Etablierung einer besseren Untersuchungsmethode wenigstens einer weiteren Verbreitung des Defektes entgegen zu wirken." Damit wird vom VDH ein Freibrief für die Zucht sogar mit manifesten SM-Vererbern erteilt.
Warum wird nicht konsequent auf die Zucht mit SM-belasteten Hunden verzichtet, zumal wenn diese nach Angaben von Zuchtleiterin Biala-Gauß nur 1% der Population darstellen?
Beispiel 2 - Mitral Valve Disease (MVD)
Wesentlich breitflächiger als mit der o.g. SM ist die Population der Cavalier King Charles Spaniels mit einem erblich bedingten Verlauf einer Herzkrankheit belastet, der Mitral Valve Disease (MVD). Ein sehr hoher Anteil der Cavaliere ist bereits in jungen Jahren an dieser nicht selten innerhalb von zwei Jahren tödlich verlaufenden Herzkrankheit erkrankt (etwa 50%). Schon 1997 wurde festgestellt, dass diese Hunderasse 21mal häufiger von MVD betroffen ist als der Durchschnitt. Zudem sind Cavaliere auffällig früh betroffen. Bei anderen Hunderassen gilt diese Herzschwäche lediglich als eine typische Alterskrankheit. Bereits 1998 wurden von einem internationalen Wissenschaftlergremium klare Empfehlungen zur Bekämpfung ausgesprochen. Diese haben 12 Jahre später noch keine Beachtung in der Praxis des VDH gefunden. Auch zur Bekämpfung dieser Krankheit fehlt es an einem wirkungsvollen Programm. Auch hier darf ausdrücklich mit symptomatischen, sogar bereits durch Herzgeräusche auffälligen Hunden gezüchtet werden, wenn auch eingeschränkt. Nach dem "Mitral Valve Disease Breeding Protocol" von 1998 (s.o.) sollen Cavaliere, die unter 5 Jahren ein Herzgeräusch zeigen, nicht in die Zucht. Auch sollen Rüden frühestens im Alter von 2,5 Jahren in die Zucht gehen. Im VDH darf aber mit dreijährigen Rüden gezüchtet werden, die ein Herzgeräusch Grad 1 und ab 6 Jahren sogar Grad 2 zeigen. Rüden dürfen bereits mit 9 Monaten in die Zucht, einem Alter indem die Anlage zu MVD noch gar nicht beurteilt werden kann.
Zudem begnügt man sich zur Zuchtzulassung mit dem Ergebnis der Auskultation durch einen beliebigen Veterinär, obwohl es unstrittiger Stand der Medizin ist, dass eine Diagnose lediglich auf Basis der Auskultation nur ausgesprochenen Spezialisten und ansonsten nur mit Hilfe technischer Diagnosemittel (wie Doppler-Ultraschall) möglich ist.
Die langjährige Halterin von Cavalier King Charles Spanieln Elke Grabhorn hat hierzu am 01.11.2010 einen Artikel veröffentlicht, der Einzelheiten und umfangreiche Quellen zu dem hier genannten enthält ( http://petwatch.blogspot.com/2010/11/cavaliere-haben-sehr-viel-herz.html ).
Das geltende Tierschutzgesetz verbietet in § 11b aber genau hier genannte Zuchtpraktiken wenn bestimmt wird:
"Es ist verboten, Wirbeltiere zu züchten..., wenn damit gerechnet werden muss, dass bei der Nachzucht, ... erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten."
Zudem ist es ethisch und zumal für einen Hundefreund kaum nachvollziehbar, bekannte Erbkrankheiten nicht konsequent und vorrangig in der Zucht zu bekämpfen. In der Satzung des VDH §2 Abs.2.1 heißt es ja: "Als ordentlicher Züchter und Halter gilt, wer lediglich aus Gründen der Liebhaberei (Hobby) die Zucht und/oder Ausbildung nach kynologischen Grundsätzen betreibt und fördert."
Wer würde aber seinen Hunden solche Leiden zumuten, wenn lediglich "aus Gründen der Liebhaberei" gezüchtet wird? Bemerkenswert ist auch, dass man in manchen Mitgliedsvereinen des VDH angesichts solch schwerer Schäden wie oben beschrieben zu keinen ernsthaften Maßnahmen bereit oder in der Lage ist, jedoch kleinste Farbvarianten, die rein optisch einem von Menschen ausgedachten Standard widersprechen - wie beim Cavalier ein weißer Fleck - sofort zum Zuchtausschluss führen. Zugleich wird die Verpaarung der verschiedenen Farbvarianten streng untersagt.
Mir ist durchaus bewusst, dass der VDH in Konkurrenz zu den vielen Verbänden steht, die "Züchtern" ein wesentlich komfortableres Dach bieten - regelmäßig zulasten und auf Kosten des Wohls der Hunde. Mir ist durchaus bewusst, dass die Lage der Hunde außerhalb des VDHs nicht selten noch wesentlich schlechter ist. Und ich gehe davon aus, dass Sie persönlich und der VDH sehr an einer am Wohl der Hunde orientierten Zuchtpraxis interessiert sind. Zur Durchsetzung von allgemein gültigen Mindeststandards für die Zucht von Hunden und damit zum Schutz der seriösen Züchterschaft wäre darüber hinaus der Gesetzgeber in der Pflicht.
Eine bewusste Zucht mit Erbkrankheiten und Gendefekten kann aber zu keinem Zeitpunkt toleriert werden, bestenfalls dann kurzfristig in einer konkret definierten Übergangsphase im Rahmen eines verbindlichen Gesundzuchtprogramms.
Hier wurde alleine die Zuchtpraxis beim Cavalier King Charles angesprochen. Leider ist die Behandlung dieser Rasse, wenn auch ein krasser, jedoch leider keineswegs ein Einzelfall, auch nicht unter dem Dach des VDHs.
Ich möchte Sie daher bitten, Sorge dafür zu tragen, dass die Zuchtpraktiken zum Wohle des Cavalier King Charles umgehend und nachhaltig geändert werden, wie ich Sie ebenso bitten will, Sorge dafür zu tragen, damit eine Wende in der Zucht zum Wohle und zur Gesundheit der Hunde praktisch wirksam wird.
Für Auskünfte und Rücksprache stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
gez.
Christoph Jung
Diplom-Psychologe und Biologe
Dortmunder für eine Wende in der Zucht zum Wohle der Hunde
http://dortmunder-appell.de/
Sehr geehrter Herr Prof. Friedrich,
ich möchte Ihre jüngste Stellungnahme in der Öffentlichkeit zum Anlass nehmen und noch einmal auf die in meinen Augen tierschutzrelevante Praxis der Zucht mit erbkranken Hunden in einigen Ihrer Mitgliedsvereine hinweisen.
In der Sendung "Stern TV" mit Günther Jauch vom 03.11.2010 wurden einige Hunderassen vorgestellt, darunter auch der Cavalier King Charles Spaniel. In der Diskussion stellten Sie fest, dass im VDH mit erbkranken Hunden nicht gezüchtet werde. Leider trifft diese Aussage nicht immer die Realität. Stellvertretend anhand des Cavalier King Charles Spaniels, der im VDH immerhin durch drei Vereine betreut wird, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass im breiten Stil und sehr wohl wissentlich und zudem über lange Zeiträume hinweg bewusst mit erbkranken Hunden gezüchtet wird, auch im VDH.
Beispiel 1 - Arnold Chiari Malformation / Syringomyelie (SM)
Diese oft schwerwiegend verlaufende und zur Euthanasie führende, die Hunde - und auch Halter - mit erheblichen Leiden und Schmerzen belastende Erbkrankheit des Gehirns und der Nerven wird gerne als "Kratz-Syndrom" verharmlost, wie es aktuell auch auf der Startseite des Verband Deutscher Kleinhundezüchter im VDH geschieht ( http://www.kleinhunde.de/ ). Dessen langjährige Zuchtleiterin Karin Biala-Gauß behauptet dort zudem, dass bei gerade "vielleicht 1 % SM-Erkrankungen" festzustellen seien. Trotzdem bleiben Hunde in der Zucht, die nachweislich an SM erkrankte Vorfahren oder Nachkommen haben. Lediglich Verpaarungen zweier - durch Vorfahren oder Nachkommen - als "SM-belastet" gekennzeichnete Hunde sind untersagt. Frau Biala-Gauß erklärt sogar: "Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass die Kennzeichnungen nur für die SM-Selektion zu beachten sind. Sie sollen die Nutzung der Zuchttiere ansonsten in keinster Weise beeinträchtigen."
In ihrem dort veröffentlichten Schreiben vom 03.11.2010 räumt die Obfrau des "Wissenschaftlichen Beirates für Zucht und Forschung" des VDH Dr. Helga Eichelberg ein: "Es handelt sich sicher um keine Methode, um die Rassen von dieser Krankheit zu befreien. Dennoch scheint sie uns geeignet zu sein, bis zur Etablierung einer besseren Untersuchungsmethode wenigstens einer weiteren Verbreitung des Defektes entgegen zu wirken." Damit wird vom VDH ein Freibrief für die Zucht sogar mit manifesten SM-Vererbern erteilt.
Warum wird nicht konsequent auf die Zucht mit SM-belasteten Hunden verzichtet, zumal wenn diese nach Angaben von Zuchtleiterin Biala-Gauß nur 1% der Population darstellen?
Beispiel 2 - Mitral Valve Disease (MVD)
Wesentlich breitflächiger als mit der o.g. SM ist die Population der Cavalier King Charles Spaniels mit einem erblich bedingten Verlauf einer Herzkrankheit belastet, der Mitral Valve Disease (MVD). Ein sehr hoher Anteil der Cavaliere ist bereits in jungen Jahren an dieser nicht selten innerhalb von zwei Jahren tödlich verlaufenden Herzkrankheit erkrankt (etwa 50%). Schon 1997 wurde festgestellt, dass diese Hunderasse 21mal häufiger von MVD betroffen ist als der Durchschnitt. Zudem sind Cavaliere auffällig früh betroffen. Bei anderen Hunderassen gilt diese Herzschwäche lediglich als eine typische Alterskrankheit. Bereits 1998 wurden von einem internationalen Wissenschaftlergremium klare Empfehlungen zur Bekämpfung ausgesprochen. Diese haben 12 Jahre später noch keine Beachtung in der Praxis des VDH gefunden. Auch zur Bekämpfung dieser Krankheit fehlt es an einem wirkungsvollen Programm. Auch hier darf ausdrücklich mit symptomatischen, sogar bereits durch Herzgeräusche auffälligen Hunden gezüchtet werden, wenn auch eingeschränkt. Nach dem "Mitral Valve Disease Breeding Protocol" von 1998 (s.o.) sollen Cavaliere, die unter 5 Jahren ein Herzgeräusch zeigen, nicht in die Zucht. Auch sollen Rüden frühestens im Alter von 2,5 Jahren in die Zucht gehen. Im VDH darf aber mit dreijährigen Rüden gezüchtet werden, die ein Herzgeräusch Grad 1 und ab 6 Jahren sogar Grad 2 zeigen. Rüden dürfen bereits mit 9 Monaten in die Zucht, einem Alter indem die Anlage zu MVD noch gar nicht beurteilt werden kann.
Zudem begnügt man sich zur Zuchtzulassung mit dem Ergebnis der Auskultation durch einen beliebigen Veterinär, obwohl es unstrittiger Stand der Medizin ist, dass eine Diagnose lediglich auf Basis der Auskultation nur ausgesprochenen Spezialisten und ansonsten nur mit Hilfe technischer Diagnosemittel (wie Doppler-Ultraschall) möglich ist.
Die langjährige Halterin von Cavalier King Charles Spanieln Elke Grabhorn hat hierzu am 01.11.2010 einen Artikel veröffentlicht, der Einzelheiten und umfangreiche Quellen zu dem hier genannten enthält ( http://petwatch.blogspot.com/2010/11/cavaliere-haben-sehr-viel-herz.html ).
Das geltende Tierschutzgesetz verbietet in § 11b aber genau hier genannte Zuchtpraktiken wenn bestimmt wird:
"Es ist verboten, Wirbeltiere zu züchten..., wenn damit gerechnet werden muss, dass bei der Nachzucht, ... erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten."
Zudem ist es ethisch und zumal für einen Hundefreund kaum nachvollziehbar, bekannte Erbkrankheiten nicht konsequent und vorrangig in der Zucht zu bekämpfen. In der Satzung des VDH §2 Abs.2.1 heißt es ja: "Als ordentlicher Züchter und Halter gilt, wer lediglich aus Gründen der Liebhaberei (Hobby) die Zucht und/oder Ausbildung nach kynologischen Grundsätzen betreibt und fördert."
Wer würde aber seinen Hunden solche Leiden zumuten, wenn lediglich "aus Gründen der Liebhaberei" gezüchtet wird? Bemerkenswert ist auch, dass man in manchen Mitgliedsvereinen des VDH angesichts solch schwerer Schäden wie oben beschrieben zu keinen ernsthaften Maßnahmen bereit oder in der Lage ist, jedoch kleinste Farbvarianten, die rein optisch einem von Menschen ausgedachten Standard widersprechen - wie beim Cavalier ein weißer Fleck - sofort zum Zuchtausschluss führen. Zugleich wird die Verpaarung der verschiedenen Farbvarianten streng untersagt.
Mir ist durchaus bewusst, dass der VDH in Konkurrenz zu den vielen Verbänden steht, die "Züchtern" ein wesentlich komfortableres Dach bieten - regelmäßig zulasten und auf Kosten des Wohls der Hunde. Mir ist durchaus bewusst, dass die Lage der Hunde außerhalb des VDHs nicht selten noch wesentlich schlechter ist. Und ich gehe davon aus, dass Sie persönlich und der VDH sehr an einer am Wohl der Hunde orientierten Zuchtpraxis interessiert sind. Zur Durchsetzung von allgemein gültigen Mindeststandards für die Zucht von Hunden und damit zum Schutz der seriösen Züchterschaft wäre darüber hinaus der Gesetzgeber in der Pflicht.
Eine bewusste Zucht mit Erbkrankheiten und Gendefekten kann aber zu keinem Zeitpunkt toleriert werden, bestenfalls dann kurzfristig in einer konkret definierten Übergangsphase im Rahmen eines verbindlichen Gesundzuchtprogramms.
Hier wurde alleine die Zuchtpraxis beim Cavalier King Charles angesprochen. Leider ist die Behandlung dieser Rasse, wenn auch ein krasser, jedoch leider keineswegs ein Einzelfall, auch nicht unter dem Dach des VDHs.
Ich möchte Sie daher bitten, Sorge dafür zu tragen, dass die Zuchtpraktiken zum Wohle des Cavalier King Charles umgehend und nachhaltig geändert werden, wie ich Sie ebenso bitten will, Sorge dafür zu tragen, damit eine Wende in der Zucht zum Wohle und zur Gesundheit der Hunde praktisch wirksam wird.
Für Auskünfte und Rücksprache stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
gez.
Christoph Jung
Diplom-Psychologe und Biologe
Dortmunder für eine Wende in der Zucht zum Wohle der Hunde
http://dortmunder-appell.de/