Hier unter den Ausländern in Kambodscha gibt genug von ihnen. Leute die über alles etwas zu nörgeln haben, die ständig vergleichen und beurteilen und natürlich auch sofort immer wissen wie man alles besser machen könnte. Sie haben wenig Interesse an den Menschen hier oder deren Kultur, sie sind meist mehr damit beschäftigt Preise zu vergleichen und passen auf, das sie von ihren kambodschanischen Gastgebern nicht betrogen werden. Hier in Sihanoukville scheint es mittlerweile so viele davon zu geben, das sie auch ganz normalen Kambodscha Besuchern negativ auffallen, wie die folgenden Zeilen zeigen. Der Verfasser des Briefes, der mir persönlich bekannt ist, bat mich um die Veröffentlichung auf dem “Leben in Kambodscha” Blog. Viel Spaß beim Lesen!
Ein erfahrener Reisender, der in 40 Jahren 120 Länder bereist hat und in 12 von ihnen länger als ein Jahr gelebt hat und der seit drei Jahren in Kambodscha lebt, hat mir mal gesagt, dass du alles Gepäck zuhause lassen musst wenn du auf Reisen gehst. Ich hab ihm ganz stolz geantwortet, dass ich seit acht Jahren etwa 4 bis 6 Monate im Jahr in Kambodscha verbringe und grundsätzlich nur mit Handgepäck reise. Darüber hat er nur müde gelächelt und ein “Du-verstehst-aber-auch-Garnichts-Gesicht” aufgesetzt. Heute weiß ich, was er damit sagen wollte. Nicht im Koffer oder Rucksack sondern im Kopf bringen wir schweres Gepäck mit. Der größte Teil davon besteht aus Erwartungen und Ansprüchen.
Wer sich als Tourist für ein paar Tage oder Wochen in einem fremden Land aufhält -sagen wir mal Kambodscha- dem wird es egal sein, wie sich die landestypischen Besonderheiten auf sein begrenztes Dasein hier auswirken. Angkor Wat, Phnom Penh, Sihanoukville und vielleicht noch Battambang und einige andere Touristenhochburgen und dann geht’s wieder heim. Auch wenn nicht alle Erwartungen erfüllt wurden, Zuhause werden sie von ihren großartigen, abenteuerlichen und exotischen Erlebnissen berichten. Es gibt aber auch noch eine große Anzahl von Ausländern, die in diesem Land langfristig leben oder/und arbeiten (wollen). So wie bei uns in Deutschland ja auch viele Ausländer leben.
Eigenartig an der Stelle ist, dass viele Deutsche (zu Recht) eine stärkere soziale Integration und Sprachkenntnisse von Ausländern in Deutschland fordern aber die gleichen Deutschen nicht bereit sind diese Notwendigkeit für sich selbst zu erkennen, wenn sie als Ausländer in Kambodscha leben. Es sind zwei Aussagen, die ich immer wieder höre, wenn ich mit Ausländern über dieses Thema spreche: Wir bringen ja das Geld ins Land und die Kambodschaner sind so doof! Das allein ist ihre Legitimation um sich hier im Land wie Kolonialisten aufzuführen. Ja, wir haben mehr Geld und ich erspare mir den oft gehörten Hinweis, wie hart wir dafür arbeiten müssen/mussten.
Ja, wir sind gebildeter als die Kambodschaner aber gibt es uns das Recht, Dinge mit unserem westlichen Erfahrungshorizont zu beurteilen und zu werten? Wer in ein fremdes Land kommt ist ein Ausländer und muss sich anpassen. Kambodscha gehört zu den zehn ärmsten Ländern auf dieser Welt und viele Ausländer haben noch niemals wirkliche Armut und Elend gesehen. Das verleitet zu spontanem Fehlverhalten, beginnend mit Mitleid, dass ganz schnell in Frustration umschlägt. Wer ohne Gegenleistung Geld gibt, erwartet Dankbarkeit und wird bitter enttäuscht wenn der Beschenkte mehr Geld verlangt oder immer mehr Leute die Hand aufhalten, und dann verärgert sind weil sie nicht auch etwas bekommen.
Unsere westliche Bildung, auf die wir so stolz sind, reicht oftmals nicht aus um zu verstehen, wie Armut Menschen verändert und wie wir damit umgehen sollen. Oder wir haben vergessen wie der Krieg und die resultierende Armut auch die Menschen in Deutschland verändert hat. Viele Frauen haben sich -ganz ähnlich wie die Taxigirls hier- den reichen Besatzungssoldaten an den Hals geschmissen um etwas Geld und eine Zukunft zu haben. An die 70.000 Besatzungskinder haben alleine amerikanische Soldaten in Deutschland gezeugt. Alles aus Liebe? Das Verhalten der Kambodschaner im allgemeinen und der Frauen im besonderen sind ein Spiegelbild unserer deutschen Nachkriegskultur als wir mit den reichen Siegermächten konfrontiert wurden.
Wir waren auch nicht besser als die geldgeilen armen Menschen auf der ganzen Welt und wenn die ehemaligen Pläne der Alliierten umgesetzt worden wären, aus Deutschland einen Agrarstaat ohne Industrie zu machen, dann ginge es uns heute noch so. Kambodscha hatte leider nicht das Glück nach jahrzehntelanger Besetzung und dem Holocaust so reiche Geldgeber zu finden wie wir. Wir waren politisch interessanter. Ein amerikanischer Journalist hat mal gesagt, dass das Pol Pot Regime aus den Kambodschanern ein Volk von Lügnern und Dieben gemacht hat. Über die Behauptung kann gestritten werden aber der Kern der Aussage trifft leider ziemlich genau den Punkt.
Lügen und Stehlen als überlebenswichtiges Element unter einem unmenschlichen Regime. Die politische Vergangenheit wurde nie aufgearbeitet, auch weil Bruder Nummer vier oder fünf eine juristische Verurteilung des Regimes und seiner Führer erfolgreich unterbindet. Viele ältere Kambodschaner fürchten sich weiterhin vor einer Rückkehr der roten Khmer weil die allermeisten von ihnen nie verurteilt wurden. Deswegen lebt ein Teil dieser entsozialisierten Kriegsmentalität weiter. Eine Untersuchung westlicher Psychologen besagt, dass etwa die Hälfte aller über vierzigjährigen Menschen im Land traumatisiert sind und das (weltweit einzigartige) Phänomen einer Weitergabe dieses Traumas an die Nachkommen stattfindet.
Wer mal einen Menschen erlebt hat, der unter einer posttraumatischen Störung leidet, weiß welches Aggressions- und Gewaltpotential in diesen Patienten steckt. Wie bei amerikanischen Veteranen, die in Vietnam, Irak oder Afghanistan gedient haben und zu spontanen, extrem heftigen Gewaltausbrüchen neigen, kommt es auch hier immer wieder zu unglaublich brutalen Gewaltexzessen. Während in westlichen Ländern psychisch kranke Menschen behandelt werden, sieht die Lage für die Betroffenen in Kambodscha hoffnungslos aus. Was treibt aber so viele Ausländer nach Kambodscha und speziell nach Sihanoukville?
Die Kurzzeittouristen mal ausgenommen, besteht der größte Anreiz sicherlich in den niedrigen Lebenshaltungskosten für uns. Freiheit, Sommer, Sonne, Sand und Meer und das Leben genießen ist hier das Motto. Ein Leben im Paradies! Was mich aber seit einiger Zeit fürchterlich nervt, ist diese ständige Nörgelei an allem, was nicht unserer westlichen Wertvorstellung entspricht. Ausländer, die hier schon jahrelang leben und die ich jedes Jahr wieder treffe, entwickeln sich teilweise zu depressiven, grantigen Menschenfeinden. Mehr und mehr frustriert darüber, dass die Dinge hier anders sind als im Heimatland, können sie sich nicht über ihr Dasein als Gast in diesem Land und ihrem (frei gewählten!) Wohnort erfreuen, sondern sie sehen nur noch das Negative.
Diesen Menschen kann ich nur eins empfehlen: Hinsetzen und Aufschreiben was euch anzieht und was euch abstößt in diesem Land. Wenn die Bilanz negativ ausfällt solltet ihr dahin gehen wo es euch besser gefällt. Ganz einfach. Und keine Angst, ich weiß sehr wohl um die täglichen Ärgernisse und Unzulänglichkeiten, über die sich die gleichen Nörgler ständig am Stammtisch echauffieren. Aber das ist Kambodscha! Wer sich darüber ärgert wie die Kambodschaner sind, ist hier vollkommen fehl am Platz. So wie ein stinkreicher Araber, der nach Deutschland kommt, kein Wort deutsch spricht, sich wundert wenn er im Restaurant kein Ziegenfleisch bekommt und dann noch lautstark über die bescheuerten, unfähigen Deutschen flucht.
Wenn der Zeitpunkt kommt, dass alle Lokale und Hotels perfekten Service bieten, alle Motodups und Tuktuks verschwunden sind und die Taxen mit Uhr fahren, die Polizei drakonische Geldstrafen für Fahren ohne Führerschein verhängt, nur noch ISO 90001 zertifizierte Massagesalons eine Zulassung bekommen und wir endlich deutsche Qualität, Fleiß und Zuverlässigkeit importiert haben, dann kann ich auch nach Spanien ziehen. Wenn du wieder mal so richtig genervt bist, von welchen landestypischen Ereignissen auch immer, mach die Augen zu, lehn dich zurück und denke an Deutschland. Wenn du dann die Augen wieder öffnest und nicht glücklich bist hier zu sein: Geh heim.
Mir gefällt es hier so wie es ist. Vielleicht auch weil ich nicht als Ausländer hierher komme um meine Kultur und mein Anspruchsdenken den Einheimischen beizubringen. Ich genieße die Andersartigkeit und alle Annehmlichkeiten dieses Landes und nehme dafür die unangenehmen Dinge in Kauf. Deswegen bin ich hier. Nicht zum Nörgeln. Punkt
p.s. Mannometer, uns geht es so gut hier. aus welchen Gründen auch immer wir beschlossen haben, uns in diesem Land niederzulassen, lehnt euch zurück und genießt das Spektakel. Seid ein bisschen kambodschanisch und mit etwas Glück bleibt uns dieses Paradies noch ein paar Jahre erhalten.
John