Dieser Blog ist ja bekanntlich nicht ins Leben gerufen worden, um eine Friede-Freude-Eierkuchen-Welt mit Kindern zu beschreiben. Dazu gibt es genügend andere... Aber heute muss ich mal eine Liebeserklärung an meine Kleine loswerden, die mir trotz aller anstrengenden und aufreibenden Momente immer wieder zeigt, wie schön und einfach das Leben mit einem insgesamt gut händelbaren Kind sein könnte.
Die Kleine ist, ehrlich gesagt, so wie ich mir mein Kind vorgestellt habe, und ich komme mit ihr im Großen und Ganzen gut klar. Viele Erlebnisse mit ihr heilten und heilen weiterhin die schwierigen Erfahrungen mit meinem Großen. Ihre Geburt war wunderschön, das Wochenbett entspannend, die ersten 6 Monate traumhaft. Genauso hatte ich es mir mit einem Baby vorgestellt. Ich war also beim 1. Mal nicht komplett naiv gewesen, wie ich nach der Geburt des Großen dachte, sondern es gab wirklich solche pflegeleichten Babys. Auch als sie älter und etwas anstrengender wurde, hatte ich eigentlich nie wie beim Großen das Gefühl, ich wüsste nicht mehr weiter, sie entgleitet mir, ich komme nicht mit ihr zurecht. Sie brauchte schon immer und bis heute eine große Portion Mama, dann ist ihre Welt in Ordnung und sie ist tief innerlich zufrieden. Dass das oft mit meinem Freiheits-, Ruhe- und Unabhängigkeitsbedürfnis kollidiert, liegt am wenigsten an ihr.
Im Moment macht sie riesige Fortschritte. Sie schläft ja seit 3 Monaten nachts zu 80% durch, ohne dass sich irgendetwas an den Voraussetzungen geändert hätte. Seit 4 Wochen schläft sie mittags und abends alleine ein. Damit wurde das Einschlafstillen überflüssig. Ich liege neben ihr und erzähle ihrer Puppe leise noch etwas vom Tag. Dann schläft sie nahe an mir ein. Diese Situation ist so schön für mich. Sie akzeptiert seit neuestem ein paar Übergangsobjekte, die immer beim Einschlafen mit dabei sein müssen. Auch nimmt sie sich jetzt immer eine beliebige Sache mit, wenn sie eine Situation wechseln muss (zur Kita geht, ins Bett geht etc.). Da ist sie (noch?) nicht festgelegt, aber ich unterstütze das, weil sie bis vor Kurzem, ähnlich wie der Große, kaum Übergangsobjekte akzeptiert hat.
Sie ist gerade dabei, ein Bewusstsein für ihre Ausscheidungen zu entwickeln. Geht mit Ansage auf ihre Kindertoilette und es kommt tatsächlich zu 80% etwas. Die Windel ist ganz oft leer. Wir werden sie darin unterstützen und es in Kürze mal windelfrei probieren. Ich finde das ganz beachtlich mit 19,5 Monaten. Vor allem, dass sie es nicht als einen aus der Kita gelernten Automatismus betreibt (wie es beim Großen war), sondern das aus ihr selbst heraus kommt. Geplant bzw. als realistisch angesehen hatte ich das "Projekt Windelfrei" für den nächsten Sommer. Dass sie nun jetzt schon soweit zu sein scheint, ist natürlich toll.
Ihre kognitiven Fähigkeiten sind immer wieder erstaunlich. Sie ist so unglaublich aufnahme- und lernfähig. Man kann ihr neue Dinge 2-3mal vormachen oder zeigen, schon hat sie sie intus. Sie imitiert nicht nur, sondern wandelt alles so um, dass es für sie passt. Sie singt Melodien von ca. 15 Liedern deutlich erkennbar, mit der richtigen Intonation und im richtigen Takt. Ich freue mich schon sehr darauf, bald mit ihr zum Musikgarten zu gehen. Sie hat viel Spaß an Musik und am Tanzen. Sie genießt Ausflüge und Unternehmungen und zeigt ihre Freude auch deutlich. Auf Karussells haben wir immer ein lachendes Kind (Kleine) neben einem skeptischen Kind (Großer) sitzen. Sie erkennt Zusammenhänge in Windeseile und verhält sich entsprechend. Ihr Reaktionsvermögen ist phänomenal. Oft gibt sie die Antwort auf eine Frage schon, bevor ich die Frage beendet habe. Beim Großen müssen wir oft mehrmals nachfragen, ehe er eine Antwort produziert. Sie ist unglaublich aktiv und forsch, sie ist nicht wehleidig, sie ist nicht statisch, sie ist neugierig, probierfreudig, abenteuerlustig. Sie hat einen starken Willen und äußert diesen auch. Sie lässt sich nicht von ihrem Bruder die Butter vom Brot nehmen, und obwohl das unseren Alltag sehr laut und unruhig macht, finde ich diese Charakterstärke wunderbar. Sie hat keine Scheu vor anderen, größeren Kindern, sie leidet nicht an Überreizung in Menschenmengen. Sie kann sich dann selbst schützen, indem sie sich an mich kuschelt. Sie ist eine Macherin, schnell, effektiv und charmant, hat immer neue Ideen und setzt diese auch um. Sie vergöttert ihren Bruder und ist trotz ihrer Offenheit sehr anhänglich an uns. Für mich hat sie genau die richtige Mischung zwischen Extrovertiertheit und Skepsis gegenüber Fremden.
Sie kann jetzt auch endlich mit Löffel und Gabel essen und selbstständig aus einem Becher trinken. Das sind Dinge, die der Große schon früher konnte. Am Essen findet sie aber leider weiterhin keinen Gefallen, zumindest an den gemeinsamen Mahlzeiten nicht. Da wird herumgehampelt, mit dem Bruder Quatsch gemacht und Essen ausgespuckt. Nunja. Beide Kinder sind halt keine Viel- und keine Genussesser. Nur an der frischen Luft wird geknabbert, was das Zeug hält.
Sprachlich ist sie dem Großen im gleichen Alter ca. ein Vierteljahr voraus. Sie versteht alles und spricht schon sehr viele Wörter. Sie kann alles im korrekten Zusammenhang anwenden. Ihre erste (und bisher einzige) Zwei-Wort-Kombination war "meine Mama". Das war herzschmelzend süß. Da ihr ganzes Denken insgesamt viel schneller als das des Großen ist, sie also wesentlich schneller im Formulieren ihrer Gedanken sein wird, vermute ich, dass sie ihn und uns später "totquatschen" wird;).
Im Moment habe ich keine Anhaltspunkte für eine eventuelle Hochsensibilität der Kleinen. In unserer schwierigen Konstellation hochsensible Mama - hochsensibler Sohn ist sie für mich der Anker der "Normalität". Weil sie mir eben in alltagspraktischen Dingen so viel näher ist als der Große, der mir wiederum in Problemen wie schneller Überreizung, Ruhebedürfnis, schmaler Komfortzone zwischen An- und Aufregung etc. ähnlicher ist. Das Einzige, was bei ihr offensichtlich ähnlich ausgeprägt ist wie beim Großen, ist ihre Kritikempfindlichkeit. Das kann ein Merkmal von Hochsensibilität sein, muss es aber nicht. Wir werden sehen, wie sie sich weiter entwickelt.
Sie schäkert gern, kuschelt viel und ist sehr anlehnungsbedürftig. Sie zeigt ihre Liebe und macht es einem leicht, sie zurück zu lieben. Ich bin so froh, dass sie da ist und so ist, wie sie ist. Ihre Existenz und ihr Wesen entlasten meine Mamazweifel jeden Tag.