Die selbe Stimme, die vor 6 Monaten sagte: Wenn Sie nicht jetzt gekommen wären, wären Sie in 6 Monaten tot…
Ich frage mich oft, wie ich denn genau gestorben wäre aber wage nicht, es wirklich wissen zu wollen.
Die selbe Stimme also, die das sagte, mit dem tot sein, dem Unvorstellbaren, sagt nun: Ich kann nichts mehr sehen.
Er kann keine Tumore mehr sehen, mit seinen guten Geräten. Und ich hab schon vor Wochen das Gefühl gehabt da sei kein Krebs mehr.
Aber das hat nichts zu sagen, ich kann genauso das Gefühl haben, überall voller Metastasen zu sein, so geschehen vorgestern und gestern.
Mein Sohn sagt mir, ich soll mal der Chemo ein bißchen dankbar sein und ihr eine Ode schreiben:
Oh Chemo, deine Truppen sind 6 Monate durch mich hindurchmarschiert.
Sie haben verwüstet, gemordet und ihre Pflicht getan- sicher mehr als das-
Aber das werden wir erst später erfahren.
Intensiv beschäftigt, die Chemo zu überleben und mich zu pflegen
Mich zu hegen und zu lieben damit ich nicht ertrinke im Gift-nicht ersticke vor Angst
Fällt es mir schwer zu feiern, dass du vorüber bist.
Manchmal vermisse ich meine Schwestern dort, wo du fließt.
Unsere Witze, kleine Solidaritäten und unsere Ähnlichkeiten
mutige Glatzen, Spacewomen ohne Haare, künftige Amazonen.
Krebs ist erstaunlich egalitär, jede kann ihn kriegen-
eine Ode an das Gesundheitssystem wäre womöglich angemessen.
Wie wir auch immer heilen wollen, es soll möglich sein.
Die Frau in der Krankenkasse antwortet: Das ist in Ordnung, wir sind eine Solidargemeinschaft.
mein Anliegen: Ich weiß, ich bin zur Zeit teuer aber möchte trotzdem
auch eine komplementäre Behandlung.
Die Frau, die im Süden unser Zimmer so luxuriös aufgeräumt hat
nimmt mich zum Abschied in die Arme, küsst mich und sagt:
Alles wird gut, du bist jung und hast einen schönen Sohn.
Und ich schaue alte Fotos an von mir, 6 Monate alt,
wie schön ich war, ich hab es nicht gewußt.
Der globale Wahnsinn ist schon ohne Krebs kaum zu ertragen
mit diesem Schatten ist die Absurdität geradezu obzön.
So viele Tränen sind geflossen, ich könnte einen Ozean füllen.
Und doch: als mein Arzt diesen Satz sagte;
hatte ich den ganzen Tag das Gefühl,
mein Becken sei eine Schale
immer wieder fällt ein Tropfen in diese gefüllte Schale
die Ringe, die entstehen
sind meine tiefste, leise, unbeschreibliche Dankbarkeit – zu leben.
Shoshana